Hochsauerlandkreis/Hallenberg. Der Wolfsriss eines Lamms in Hallenberg wird offiziell bestätigt. Landwirte und Jäger sind alarmiert, dass der Wolf seine Beute dort erlegt hat.
Seit Jahren wurde es befürchtet, jetzt ist es wahr geworden: Ende September ist in Hallenberg ein sechs Monate altes Merino-Lamm auf der Weide von einem Wolf getötet worden. Das wurde am Freitag vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) bestätigt und gilt damit als erster Wolfsriss eines Weidetieres im Hochsauerland.
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Erschütternder Anblick
Der Anblick ist erschütternd: Der Hals des Lamms ist vom Kiefer über die sichtbare Wirbelsäule bis in den Bauchraum aufgerissen, die Weichteile aufgefressen, Fellfetzen rundherum verstreut. Wölfe erlegen ihre Beute erfahrungsgemäß durch einen sogenannten Drosselgriff in die Kehle, der am Kadaver des Lamms samt Bissspuren zu erkennen ist. Aus der Auffindesituation lässt sich schließen, dass der Wolf gestört worden sein könnte und geflüchtet ist, weil er von dem vergleichsweise kleinen Lamm nicht mehr als die Halspartie gefressen und die anderen Tiere in der Weide nicht angegriffen hat. Diese seien noch wochenlang völlig verstört und sehr scheu gewesen, berichtet ihr Besitzer.
Landwirtschaftsbetriebe in der Umgebung
Beunruhigend ist die Lage der Weide unmittelbar neben einem großen Stall. 100 Meter weiter befindet sich ein Wohnhaus, zwischen 250 und gut 400 Metern entfernt drei landwirtschaftliche Betriebe. Zum Ortsrand von Hallenberg sind es 800 Meter, das Gewerbegebiet und die vorbeiführende Straße nach Braunshausen sind gerade einmal 100 Meter entfernt. Die mit einem stabilen Zaun samt Stacheldraht umgebene Weide gehört zu einem weitläufigen Ausläufer der Medebacher Bucht, der ein rege genutztes Ziel für Spaziergänger und Hundebesitzer ist. Hermann-Josef Maurer ist Vorsitzender vom Hegering Winterberg-Hallenberg, der in puncto Wolf eng mit den hiesigen Landwirten und dem Westfälischen Landwirtschaftsverband zusammenarbeitet. Maurer war dabei, als ein Wolfsberater aus Marsberg sehr schnell zur Stelle war, das tote Lamm gründlich untersucht und DNA-Proben genommen hat: „Es erschreckt mich, dass der Riss so nah am Ort und am Gewerbegebiet passiert. Bisher galt die Annahme, der Wolf wäre so scheu, dass er sich von belebten Gebieten fernhält.“
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Augen offen halten
Der Wolf als Raubtier werde nicht mehr verschwinden. „Dass er im Wald Wild reißt, ist normal geworden. Wir haben bereits festgestellt, dass sich das Verhalten von Reh- und Rotwild ändert und es mehr Rudel bildet. Das sind Indikatoren für Wölfe. Aber die jetzige Nähe zum Wohngebiet macht mir Sorgen.“ Eine akute Bedrohung der Bevölkerung sieht er jedoch nicht: „Bisher gibt es keine Anzeichen, dass sich ein Wolf hier in der Gegend niedergelassen hat. Es wird sich wie bei den bisherigen Sichtungen um ein durchziehendes Tier gehandelt haben.“ Dennoch appelliert Hermann-Josef Maurer an die Bürger, die Augen offen zu halten und Hunde nicht frei laufen zu lassen. Außerdem fordert er, dass das Wolfsmanagement entsprechend angepasst und der streng geschützte Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird. NRW-Umweltminister Oliver Krischer hat Mitte Oktober noch einen Erlass vorgestellt. Dieser soll den Abschuss von genetisch identifizierten Wölfen erleichtern, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne mindestens zwei Tiere gerissen haben, die sich in Weiden mit mind. 90 Zentimeter hohen und unbeschädigten Zäunen befanden.
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Landwirt zieht Konsequenzen
Für Zuschüsse zu Schutzmaßnahmen sind zwei Mio. Euro geplant. Der Erlass soll Mitte November nach der gesetzlichen Anhörungsfrist in Kraft treten. Auf Bundesebene hat Umweltministerin Steffi Lemke eine Ausnahmegenehmigung angekündigt, dass ein Wolf nach wiederholten Angriffen auch ohne DNA-Analyse innerhalb von 21 Tagen in einem Umkreis von 1.000 Metern getötet werden kann, wenn er in einer als Wolfsgebiet festgelegten Region trotz Schutzmaßnahmen Weidezäune übersprungen hat. Hermann-Josef Maurer reicht das nicht aus. Diese Pläne bezeichnet er als „Placebos“, das Vorgehen als viel zu bürokratisch. Für den betroffenen Hallenberger Nebenerwerbs-Landwirt kommen eventuelle Neuregelungen zu spät, er hat seine Konsequenzen schon gezogen: Er wird die vor über 40 Jahren bereits von seinem Vater aufgebaute Zucht weitestgehend aufgeben und von den derzeit rund 100 Schafen nur einige wenige Tiere für die Landschaftspflege seines fast zwei Hektar großen Geländes behalten. „Das macht etwas mit einem, wenn man seine Schafe so auffindet und die panische Angst bei den anderen sieht. Das möchte ich nie wieder erleben.“