Berlin. In Kaffee steckt viel Koffein. Weglassen ist aber für viele undenkbar. Warum reduzieren reicht, verrät Sucht-Expertin Gaby Guzek.

Die gute Nachricht vorweg: Streng genommen hat Kaffee in unserer Serie „Raus aus der Sucht“ nicht mal was zu suchen. Koffein macht vor allem eines: wach. Aber nicht süchtig – jedenfalls nicht nach der streng wissenschaftlichen Definition. Trotzdem ist ein Koffeinentzug durchaus nicht ohne. Und so mancher sollte vielleicht doch mal eine Tasse weniger trinken.

Forscher sind heute der Meinung, dass Kaffee gar nicht wirklich süchtig macht. Zu gering ist seine Wirkung auf das Dopamin. Das ist der Nervenbotenstoff, der dafür sorgt, dass wir uns belohnt, ausgefüllt und motiviert fühlen – und der auch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Sucht spielt.

Die besten Artikel der Serie „Raus aus der Sucht“

Kaffee: Das bewirkt Koffein im Körper

Ohne den Morgenkaffee geht bei vielen gar nichts. Trotzdem gilt: Wer ohne seinen Morgenkaffee nicht in die Gänge kommt, muss nicht gleich zur Suchtberatung. Koffein macht wach, weil es im Gehirn das sogenannte Adenosin blockiert. Adenosin ist ein Produkt aus dem Energiestoffwechsel. Haben wir uns körperlich oder geistig kräftig ins Zeug gelegt und somit Energie verbraucht, reichert sich das Adenosin im Gehirn an – und signalisiert dem Körper: „Pause bitte.“

Kaffee gehört für viele zur Lebensqualität. Ein gesundes Maß sollte allerdings nicht überschritten werden.
Kaffee gehört für viele zur Lebensqualität. Ein gesundes Maß sollte allerdings nicht überschritten werden. © iStock | fotolgahan

Gönnt man sich die Pause oder schläft gar, sinkt der Adenosin-Gehalt wieder. Im Prinzip ist Adenosin so eine Art natürliche Ermüdungssubstanz. Koffein besetzt die Andockstellen des Adenosins im Gehirn, die beiden sind chemisch ziemlich ähnlich. So schaltet Koffein unsere chemischen Pausensignale auf stumm. Die Adenosinblockade im Hirn verengt dort auch die Blutgefäße, die Durchblutungsgeschwindigkeit steigt. Deshalb hilft Kaffee auch gegen Kopfschmerzen.

Auf der anderen Seite sorgt Koffein für mehr Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin im Körper. Das sind unsere „Hallo Wach“-Botenstoffe. In einer starken Tasse Kaffee stecken bis zu 100 Milligramm Koffein, die schon nach 15 Minuten ihre Wirkung im zentralen Nervensystem entfalten. Sie beschleunigen die Atmung, schrauben den Stoffwechsel nach oben und sorgen für einen kräftigeren Herzschlag.

Zu viel Kaffee: Wann Koffeinkonsum riskant wird

Autorin Gaby Guzek ist Wissenschaftsjournalistin und Coach. In unserer Serie „Raus aus der Sucht“ beleuchtet sie verschiedene Süchte und Wege aus der Abhängigkeit.
Autorin Gaby Guzek ist Wissenschaftsjournalistin und Coach. In unserer Serie „Raus aus der Sucht“ beleuchtet sie verschiedene Süchte und Wege aus der Abhängigkeit. © Carmen Wilhelmer | Carmen Wilhelmer

Das alles ist nicht wirklich bedenklich. Schwierig wird es dann, wenn jemand dauerhaft mehr als vier Tassen Kaffee täglich trinkt – oder diese Muntermacher-Wirkung deshalb dringend braucht, weil er abends beispielsweise drogengetrieben hart gefeiert oder wieder mal viel zu tief ins Glas geschaut hat. Bei solchen Menschen geht die Tendenz nicht zur Tasse, sondern zur Kanne Kaffee, natürlich über den Tag verteilt.

Damit jagen sich solche Menschen biochemisch gesehen auf die Palme – und müssen sich abends dort wieder runterholen. Der Drang zum entspannenden Drink oder Joint verselbständigt sich, auch wenn man es vielleicht nicht mal mehr will. Deshalb ist Kaffee selbst zwar kein Suchtmittel, kann trotzdem aber Suchttreiber sein.

Kaffee am Abend: Gefahr für den gesunden Schlaf?

Wer viel Kaffee trinkt und auch noch zu spät am Tag, torpediert auch seinen gesunden Schlaf. Koffein wirkt etwa sechs Stunden im Körper. Wer nachts noch zu viel davon im Blut hat, schläft entweder erst gar nicht ein – oder zumindest nicht gut. Denn Koffein stört die Tiefschlafphasen. Ohne sie fühlt man sich morgens nicht wirklich ausgeruht – und das Koffeinrad dreht sich von vorne. Rauchen beschleunigt übrigens den Koffeinabbau, Alkohol verzögert ihn.

Wie gesagt: Niemand möchte Ihnen den Kaffee wegnehmen, warum auch. Trinken Sie aber zu viel davon – mehr als maximal vier Tassen täglich – oder hadern Sie mit echten Suchtmitteln, sollten Sie den Konsum überdenken und auf ein gesünderes Maß reduzieren.

Tee statt Kaffee: Nicht immer die beste Idee

Kaffee komplett wegzulassen, wenn man gleichzeitig etwa aufhört zu rauchen oder zu trinken, empfiehlt sich hingegen nicht. Denn auch wenn Kaffee nicht abhängig macht, bekommt man den abrupten Stopp schon zu spüren. Kopfschmerzen und Müdigkeit stellen sich ein, manche Menschen sind dann fürchterlich gereizt und launisch. Das muss alles nicht sein, denn das ruft sofort das Suchtgedächtnis auf den Plan, das dann nach Alkohol, Nikotin, Cannabis oder anderen echten Drogen ruft.

Bis zu maximal 400 Milligramm Koffein am Tag halten Experten für unbedenklich, also vier Tassen starken Kaffee. Rechnen Sie beim Koffein-Zählen aber gegebenenfalls auch andere Quellen dazu. Eine Dose Cola enthält rund 25 Milligramm, eine Dose Red Bull oder Ähnliches schon 30 Milligramm.

Auch Tee müssen Sie dazu rechnen, mindestens Schwarzen oder Grünen. Er enthält Teein, das mit dem Koffein chemisch identisch ist. Genauer gesagt: Es sind zwei Namen für dieselbe Substanz. In einer Tasse stecken rund 30 Milligramm Teein. Möchten Sie weg vom Koffein, ist es also keine gute Idee, den Kaffee durch schwarzen oder grünen Tee zu ersetzen.

Zu viel Kaffee kann ein Suchttreiber für andere Substanzen sein, plötzlicher Verzicht aber Kopfschmerzen und Müdigkeit verursachen.
Zu viel Kaffee kann ein Suchttreiber für andere Substanzen sein, plötzlicher Verzicht aber Kopfschmerzen und Müdigkeit verursachen. © iStock | mixetto

Weg vom Koffein: So gelingt es in vier Schritten

Sie haben den Entschluss gefasst, Ihren hohen Kaffeekonsum herunterzufahren? Folgende vier Schritte können Sie dabei unterstützen:

  • Hören Sie nicht abrupt auf, reduzieren Sie lieber langsam. Sonst drohen Kopfschmerzen, eventuell Übelkeit, Müdigkeit und so richtig schlechte Laune
  • Trinken Sie viel Wasser, mindestens zwei Liter. Das hält den Kreislauf oben und lässt den „Durst“ auf Kaffee nicht so stark werden.
  • Fehlt Ihnen morgens Ihr Heißgetränk, dann durchstöbern Sie mal das Teeregal im Supermarkt oder im Fachhandel. Es gibt unglaublich leckere Tees, auch ohne Teein.
  • Den „Hallo-Wach-Effekt“ morgens erreichen Sie auch, indem Sie sich noch im Bett ordentlich strecken und recken – und danach unter der Dusche verschwinden. Am Ende noch die Beine eiskalt abbrausen und Sie sind wach – garantiert. Und gut gegen Krampfadern ist das auch noch.

Zur Person

  • Gaby Guzek (56) ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
  • Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
  • Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.

ANZEIGE

Gaby Guzek: Die Suchtlüge
Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen. HEYNE Verlag, Taschenbuch mit 224 Seiten, 13 Euro

Verfügbar bei Amazon*, Thalia* und bücher.de*

Serie „Raus aus der Sucht“ Lesen Sie exklusiv bei uns jede Woche eine neue Folge.

Sie haben Fragen zum Thema Sucht oder sind selbst betroffen? Schreiben Sie uns an sucht(at)funkemedien.de.
Die Redaktion behält sich vor, ausgewählte Leserfragen anonym zu veröffentlichen.

* Der Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links. Die verlinkten Angebote stammen nicht vom Verlag. Wenn Sie auf einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, erhält die Funke Digital GmbH eine Provision von dem betreffenden Online-Shop. Für Sie als Nutzerinnen und Nutzer verändert sich der Preis nicht, es entstehen Ihnen hierdurch keine zusätzlichen Kosten. Die Einnahmen tragen dazu bei, Ihnen hochwertigen, unterhaltenden Journalismus kostenfrei anbieten zu können.