Berlin. Der Partner trinkt. Sie verharmlosen und verteidigen ihn? Schluss damit. Gaby Guzek erklärt, wie Sie sich vor Co-Abhängigkeit schützen.
Die Angehörigen von Alkoholikern sind eigentlich viel übler dran als der Abhängige selbst. Solange er oder sie trinkt, funktioniert der Selbstbetrug. Also sind sie der festen Meinung, kein Problem zu haben. Alkoholiker glauben sich die eigenen Lügen. Sie merken nicht, wenn sie durch die Promille aggressiv werden, verletzend und unfair. Und wenn, dann sehen sie sich im Recht. Schuld am eigenen Elend sind sowieso immer die anderen. Und: Wenn ihnen alles zu bunt ist, steht die Exit-Strategie im Kühlschrank. Sie knallen sich eben die Birne zu und vergessen ihre Sorgen.
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Alkoholiker: Wie Partner und Angehörige helfen können
Es gibt für einen Alkoholiker nur einen einzigen Grund aufzuhören: der eigene feste Wunsch dazu. Er selbst muss aufhören wollen. Alles andere funktioniert nicht. Dazu können Angehörigen ihren Teil beitragen. Ein Appell: Sind Kinder da, dann geht es nicht nur um Sie und Ihr Zögern, Ihre Situation eventuell zu verändern. Sie haben dann die Pflicht, diesen Kindern eben keinen sturzbetrunkenen Elternteil zu präsentieren, Suff-Streitigkeiten oder gar körperliche Gewalt miterleben zu lassen.
Suchen auch Sie sich eine Selbsthilfegruppe. Quasi jede Organisation, die Alkoholikern Hilfe anbietet, steht auch für Angehörige bereit. Auch die Suchtberatung hat für Angehörige ein offenes Ohr. Verlassen Sie Ihre Isolation, suchen Sie sich professionelle Unterstützung. Auch in unserem Forum alkohol-ade.com gibt es Hilfe für Angehörige. Kostenlos und anonym.
Mit dem Alkoholiker selbst sprechen Sie über seine Krankheit und über mögliche Hilfe nur, wenn er nüchtern ist – oder zumindest so scheint. Ein besoffener Kopf will keine Hilfe und lügt wie gedruckt, nur um seine Ruhe zu haben – und wieder möglichst ungehindert an den nächsten Drink zu gelangen.
Mit alkoholkrankem Partner sprechen: Darum bringen Vorwürfe nichts
Ist er nüchtern, machen Sie dem Trinker immer und immer wieder in ruhigen Worten klar, dass Sie sein Verhalten missbilligen. Nicht zanken, nicht schimpfen, nicht laut werden. Machen Sie keine Vorwürfe, bleiben Sie bei sich. Schildern Sie, was Sie sehen, was Sie wahrnehmen, welche negativen Auswirkungen sein oder ihr Alkoholismus auf Sie persönlich hat.
Vorwürfe sind kontraproduktiv. Die macht der Betroffene sich insgeheim nämlich schon selbst. Das macht aggressiv, steigert den Frust – und ist ein „willkommener Anlass“, noch mehr zu trinken. Diese Art Vorwürfe – und seien sie auch noch so berechtigt – dringen ohnehin nicht durch. Es ist eine Gratwanderung, die Sie meistern müssen: Versuchen Sie, in allen Situationen möglichst sachlich zu bleiben.
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Alkoholiker brechen gerne Streit vom Zaun. Damit schaffen Sie eine Distanz zwischen sich und Ihnen und haben gleichzeitig eine „Berechtigung“ zu trinken. Ist Ihr Angehöriger betrunken, gehen Sie dem Streit aus dem Weg, schweigen Sie, ziehen Sie sich zurück, verlassen Sie notfalls für eine kurze Zeit die Wohnung.
Verhalten Sie sich im Alltag nicht zu nachgiebig, aber auch nicht zu ablehnend. Machen Sie immer wieder klar, dass Ihr Angehöriger sofort Ihre volle Unterstützung bekommt, wenn er oder sie wirklich etwas gegen die Krankheit unternimmt. Und damit sind nicht Versprechen gemeint wie „Morgen höre ich auf – das ist mein letztes Glas“. Das haben Sie schon zu oft gehört.
Ehepartner trinkt: Konsequenzen androhen – und auch durchziehen
Ganz wichtig: Wenn Sie dem Alkoholiker Konsequenzen androhen, wenn er sich nicht ändert – dann müssen Sie das auch durchziehen. Das ist wie bei kleinen Kindern: Jede leere Drohung bestätigt den Alkoholiker in seinem Selbstbetrug, er könne gefahrlos weitersaufen.
Wenn Ihr Lebens- oder Ehepartner trinkt, verweigern Sie den Sex, wenn er oder sie nicht nüchtern ist. Damit schützen Sie sich selbst, weil sie Enttäuschungen und Erniedrigungen vermeiden. Außerdem zieht auch das dem Betroffenen gegenüber eine sehr klare Grenze. Sie signalisieren damit sehr deutlich: So will ich dich nicht.
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Versuchen Sie nicht, den Alkoholiker zu kontrollieren. Auch das Zuteilen von Alkohol funktioniert nicht. Das hat keinerlei Aussicht auf Erfolg, zerrt an Ihren Nerven und frustriert den Trinker, der dann halt an seine „geheimen“ Vorräte geht. Wenn Sie eigentlich wissen, wo diese stehen: Finger weg. Nichts wegschütten. Denken Sie daran: Alkoholismus ist eine Sucht. Der Trinker wird aggressiv auf solche Maßnahmen reagieren und sich eben neu bevorraten. Er wird seinen Weg zu neuem Stoff finden. So etwas bringt nichts – außer Streit und Stress.
Andererseits versorgen Sie den Betroffenen bitte auch nicht mit Alkohol! Wenn er trinken will, dann muss er schon selber für Nachschub sorgen. Damit unterstreichen Sie sehr klar, dass Sie das Trinkverhalten nicht gutheißen und es auch nicht unterstützen. Alles andere nimmt der Alkoholiker als Zustimmung und meint, ein Freiticket zu haben.
Partner steigt betrunken ins Auto: „Rufen Sie die Polizei“
Jetzt kommt starker Tobak: Wenn Ihr Partner betrunken ins Auto steigt, vielleicht, um Nachschub zu holen, rufen Sie die Polizei. Sie kennen den Weg, den Ihr Angehöriger fahren wird, Sie kennen das Nummernschild – tun Sie es. Machen Sie sich klar: Wenn Ihr Angehöriger auf dieser Fahrt sich oder andere zu Schaden bringt oder es gar Tote gibt, dann müssen Sie für den Rest Ihres Lebens damit klarkommen. Wollen Sie das? Zweitens wird dies wohl dann zwangsläufig zum Verlust des Führerscheins führen. Viele Betroffene rüttelt genau das gründlich wach. Ist der Lappen weg, beginnen sie eine Therapie.
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Genauso lügen Sie nicht für den trinkenden Angehörigen oder vertuschen Sie etwas für ihn. Hat er abends zu viel getrunken und kann morgens nicht zur Arbeit? Sein Ding. Er muss anrufen, er muss das klären und ausbaden. Wenn Sie jetzt für ihn lügen, dann halten sie ihm den Rücken frei – und er kann ja völlig sorgenlos weitertrinken. Indem Sie ihm das Management für die selbst verschuldeten Miseren aufbürden, verschärfen Sie seinen Leidensdruck und erhöhen den Druck, etwas ändern zu müssen.
Angehörige und Alkohol: Ab wann bin ich co-abhängig?
Möglicherweise ist Ihnen ein wenig flau im Magen geworden. Keinen Alkohol besorgen, klare Linien ziehen, den Partner nicht beim Arbeitgeber entschuldigen, die Polizei anrufen. Das klingt für Sie unmöglich. Sie sind möglicherweise schon viel zu sehr zum Unterstützungssystem Ihres trinkenden Angehörigen geworden. Sie fühlen sich ein Stück weit „gebraucht“ oder „notwendig“, gar „wichtig“, wenn Sie Ihren alkoholkranken Partner mit durchs Leben bugsieren.
Dann sollten Sie jetzt mal innehalten und tief Luft holen: Denn dann sind Sie nicht nur Angehöriger, sondern sehr wahrscheinlich ein sogenannter Co-Abhängiger. Nein, das bedeutet nicht, dass Sie auch trinken. Im Gegenteil. Sie können sogar staubtrocken sein. Sie sind aber trotzdem „mit-abhängig“. Und zwar von ihrem abhängigen Partner und Ihrer Funktion für ihn.
Co-Abhängigkeit: Welche Hilfe kann ich bekommen?
Co-Abhängigkeit hat meistens wiederum eigene Gründe. Sie tun sich einen sehr großen Gefallen, dann selbst Hilfe zu suchen. Denn: Selbst wenn es zum Bruch mit ihrem jetzigen trinkenden Partner kommt, werden Sie sich höchstwahrscheinlich wieder einen Suchtkranken suchen, quasi mit schlafwandlerischer Sicherheit. Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass frisch trockene Alkoholiker, die nach ihrer Therapie zu einem Co-Abhängigen zurückkehren, ein weit höheres Rückfallrisiko haben. Ist ja auch klar – das Entschuldigungs- und Unterstützungssystem bietet dem Alkoholiker wenig Anreiz, seine Trockenheit aufrechtzuerhalten.
Auch für Co-Abhängige gibt es viele Beratungsstellen und Hilfsangebote. Sollten Sie den Verdacht haben dazuzugehören: Nehmen Sie diese Möglichkeiten wahr. Sie tun sich und Ihrem trinkenden Angehörigen einen Riesengefallen – und schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Sie beide wieder eine glückliche Partnerschaft führen können.
Zur Person
- Gaby Guzek ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
- Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
- Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.
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