Berlin. Die Schwester lehnt seine Freundin ab, erzählt ein Betroffener. Familientreffen sind nur noch Stress pur. Was eine Therapeutin rät.
Geplant war ein gemütlicher Sonntag mit der Familie. Sonnenschein, spielende Kinder, während die Erwachsenen mal wieder zusammen am Tisch sitzen – denn so oft sieht sich die Familie mittlerweile nicht mehr. Eigentlich ist es eine unverfängliche Situation, die Ole Boltmann* beschreibt – die Gesprächsthemen absolut harmlos.
Der 38-Jährige ist seit fünf Jahren mit seiner Frau Yvonne zusammen. Vor drei Jahren haben die beiden geheiratet, doch so richtig Gefallen finden manche Familienmitglieder daran nicht. Das gilt vor allem für Boltmanns Schwester, Maike Heinrich. „Sie gibt, seit sie meine Frau kennt, immer wieder stichelnde Kommentare von sich“, sagt Boltmann.
Sätze wie: „Oh, Yvi isst ja heute auch etwas“, wenn seine Frau sich auf Familienfeiern den Teller auflade, nennt er als Beispiel. Boltmann erklärt, seine Frau sei sehr schlank. So schwinge bei solchen Kommentaren immer die Unterstellung mit, sie würde sonst nichts essen und immer auf Diät sein. Das ist laut Boltmann aber nicht das einzige Problem.
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Familienfeiern: „Manche Themen werden einfach ausgespart“
„Meine Frau und ich sparen auf Familienfeiern schon lange Themen wie das Beamtentum, Steuern oder das Krankensystem aus, aus Angst, damit einen Streit zu entfachen“, sagt er. Gesprächsthemen, die polarisieren, führen bei solchen Familientreffen regelmäßig dazu, dass am Familientisch die eine Seite versucht, die andere zu bekehren. Der Ton könne dann sehr belehrend und streng werden.
Für Beziehungscoach Kathrin Buser können diese Anfeindungen verschiedene Ursachen haben. „Manchmal ist es eine Kleinigkeit, die nicht verziehen wird und zwischen den Familienmitgliedern steht“, sagt sie. Diese Kleinigkeit müsse dabei gar nicht mehr im aktiven Bewusstsein sein, so die Berliner Expertin.
Mitunter gebe es auch keinen wirklichen Grund, weshalb Menschen als unsympathisch empfunden würden. „Es kann sein, dass der Partner oder die Partnerin bei dem anderen etwas auslöst, was von vornherein zu Neid, Missgunst oder Verachtung führt“, sagt Buser. Vielleicht erinnere der Partner oder die Partnerin unterbewusst an einen ungeliebten ehemaligen Mitschüler.
Ole Boltmanns Schwester ist, so der Ingenieur, das genaue Gegenteil seiner Frau: sowohl optisch als auch charakterlich. Als Lehrerin fühle sie sich von seiner Frau, die Unternehmensberaterin ist, oft angegriffen und nicht ernst genommen. Dabei gingen Streitereien – so Boltmanns Wahrnehmung – meistens von seiner Schwester aus. „Ich weiß nicht, warum, aber richtig herzlich war Maike leider nie zu Yvi“, sagt Ole Boltmann ratlos.
Konflikt zwischen Frau und Schwester: Situation eskaliert
Beim letzten Familientreffen eskalierte die Situation dann endgültig. „Als wir zum Kaffeetrinken bei meinen Eltern waren, hat meine Frau meiner Schwester ein Kompliment für ihre Strickjacke gemacht“, erzählt Boltman. Es sei um einen geblümten Cardigan vom Flohmarkt gegangen.
Seine Frau haben gefragt, von welchem Flohmarkt die Jacke sei. Daraufhin habe die Schwester eingeworfen: „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass die feine Dame auf dem Flohmarkt shoppen geht!“, erzählt Ole Boltmann. Überfordert von der Situation habe er nichts weiter dazu gesagt.
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Seine Frau sei sprachlos gewesen und habe ihn danach in einem stillen Moment gebeten, mit ihr nach Hause zu fahren. „Ich kann sie da total verstehen“, beteuert Boltmann. Schade fand er trotzdem, dass das Fest am Ende so kurz ausgefallen sei, zumal die gemeinsamen Kinder ziemlich enttäuscht gewesen seien. Die beiden Töchter verstehen sich laut Boltmann gut mit ihren Cousins und Cousinen, den Kindern von Oles Schwester Maike.
Als der Familienvater seine jüngere Schwester ein paar Tage später fragte, was die Attacke gegen seine Frau sollte, stritt sie diese nur ab. „Maike hat mir am Ende vorgeworfen, mich immer hinter Yvi zu stellen“, so Boltmann.
Bei Streit mit Familie hinter den Partner oder die Partnerin stellen
Tatsächlich sei das aber genau richtig, meint die Beziehungsexpertin. „In einer erfüllten Partnerschaft ist es selbstverständlich, sich hinter seinen Partner oder seine Partnerin zu stellen.“ Bei Anfeindungen, die man nicht nachvollziehen kann, rät Kathrin Buser, den Konflikt im Kern aufzulösen und herauszufinden, was eigentlich dahintersteckt. „Andernfalls treten solche Probleme sehr wahrscheinlich immer wieder auf.“
Sollte das nicht zum gewünschten Ziel führen, sollte das Paar sich abgrenzen, rät Buser. Und zwar indem es klar seine eigenen Bedürfnisse benennt – beispielsweise, dass Boltmanns Schwester derartige Bemerkungen in Zukunft unterlassen soll. „Das kostet vielleicht im ersten Moment Überwindung, schafft aber Klarheit“, erklärt die Expertin.
Boltmanns Frau Yvonne möchte nicht nachtragend sein. „Bei der nächsten Familienfeier bin ich trotzdem dabei“, sagt die 39-Jährige. Familie, so die Unternehmensberaterin, könne man sich nun mal nicht aussuchen. Ein wenig sauer mache sie es dennoch, in solchen Momenten der Harmonie zuliebe klein beizugeben.
Das Familienwohl über die eigenen Bedürfnisse zu stellen, ist laut Beziehungscoach Buser langfristig allerdings nicht hilfreich. „Nachhaltig funktioniert das nicht, weil so eigene Grenzen missachtet werden“, sagt sie. Besser sei ein klarer Satz wie: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir sprichst.“
Genau so will Yvonne Bachmann beim nächsten Mal reagieren. Ihr Fazit: „Wenn andere einen schon nicht behandeln, wie man es sich wünscht, sollte man sich wenigstens selbst richtig behandeln“, so die Unternehmensberaterin.
*Die Namen wurden auf Wunsch der Betroffenen geändert.