Berlin. Dass Cannabis für Konsumenten gesundheitliche Risiken mit sich bringt, ist bekannt. Wie schädlich ist aber der passive Rauch?
Seit dem ersten April 2024 darf in Deutschland legal gekifft werden. Wer durch einen großstädtischen Park spaziert, dem wird der süßliche Duft vermutlich kaum mehr entgehen. Doch kann man lediglich durch das Einatmen des Qualms der anderen ungewollt seiner Lunge schaden oder sogar high werden?
High durch Passivrauch? Mögliche Gefahr in engen Räumen
Das Risiko, durch das passive Einatmen von Cannabis-Rauch high zu werden, ist laut Drogenforscher Bernd Werse von der Frankfurter Goethe-Universität eher gering. Ein einzelner in einer Kneipe gerauchte Joint habe auf passive Konsumenten wohl keinen Effekt.
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„Hält man sich allerdings in einem kleinen Raum auf, in dem viele Joints gleichzeitig kursieren, wird man wahrscheinlich auch durch den Passivrauch einen gewissen Rausch abbekommen“, sagt der Drogenexperte. Generell betrachtet Werse diese Gefahr jedoch als geringfügig, da sie im Freien praktisch nicht existiere.
Diesen eher minimalen Effekt legt auch eine Studie aus 2010 nahe, die von einem Forschungsteam der Universitäten Mainz und Jena im „Journal of Analytic Toxicology“ veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler setzten dafür acht nicht kiffende Personen für drei Stunden in einen gut besuchten Coffeeshop in den Niederlanden, in dem bis zu 25 Personen gleichzeitig kifften.
Die Urin- und Blutwerte der Teilnehmer wurden überwacht. Das Ergebnis: Keiner der Passivkiffer wies ernsthaft erhöhte THC-Werte auf. Die Forscher schlussfolgerten, dass der Passivrauch wahrscheinlich nicht zu einem positiven Drogentest führen würde.
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Cannabis-Rauch – das macht den Qualm so ungesund
Auch wenn eine berauschende Wirkung durch einen passiven Joint demnach unwahrscheinlich ist, kann der unfreiwillig eingeatmete Tabakrauch sehr schädlich sein. Nach Angaben der WHO sterben jährlich weltweit 1,2 Millionen Menschen aufgrund von Passivrauchen.
Cannabis kann zwar auch in Form von Sprays, Lebensmitteln und Verdampfern eingenommen werden, meist wird die Droge aber – oft vermischt mit Tabak – in Form einer selbst gedrehten Zigarette geraucht. Das vermeldet die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht auf ihrer Website.
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Michael Kreuter, Pneumologe und Direktor am Lungenzentrum Mainz, sieht in der Mischung aus Cannabis und Tabak die größte Gefahr. Er sagt: „Vergleichen wir Tabak- und Cannabis-Raucher miteinander, haben Studien gezeigt: Raucher, die auch Cannabis konsumieren, sind an der Lunge deutlich stärker geschädigt als reine Zigarettenkonsumenten.“
Cannabis passiv rauchen: Ein Joint wirkt wie bis zu fünf Zigaretten
Doch es gibt ein Problem, erklärt Kreuter: „Bislang gibt es kaum große, allumfassende Studien zur Wirkung von Cannabis-Rauch, vor allem auf die Lunge.“ Aus den Studien und Daten, die es bislang gebe, wisse man, dass ein Joint wie bis zu fünf gerauchte Zigarette wirken könne. „Allerdings wird dem Cannabis ja meistens Tabak beigemischt. Wie sich also purer Cannabis-Rauch verhält, lässt sich bisher nicht mit aller Sicherheit sagen“, so der Lungenarzt weiter.
Dennoch gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass einige Stoffe im Cannabis-Rauch höher dosiert sind als im Tabakrauch: Eine Vergleichsstudie aus 2007, veröffentlicht durch die American Chemical Society, untersuchte Tabakrauch und Marihuana-Rauch. Überraschend: Im Cannabis-Rauch wurde Ammoniak in bis zu 20-fach höheren Konzentrationen als im Tabakrauch gefunden.
Substanzen wie Ammoniak könnten Kreuter zufolge die sogenannten Flimmerhärchen schädigen. „Die Härchen sitzen in den Bronchien und helfen, den dort produzierten Schleim abzutransportieren. So wird die Selbstreinigung der Atemwege sichergestellt“, erläutert der Experte.
Passives Kiffen: Schwere Auswirkungen auf die Lunge sind möglich
Einige wenige Untersuchungen zum passiven Cannabis-Rauch gibt es bereits: Im Jahr 2016 berichteten Forscher der Universität von Kalifornien im „Journal of the American Heart Association“ über eine Studie, die darauf hinweist: Passives Kiffen könnte potenziell gesundheitsschädlicher sein, als passiv zu rauchen. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Arterienfunktion von Ratten, die Marihuana-Rauch ausgesetzt waren, etwa drei Mal länger beeinträchtigt war als beim Tabakrauch.
„Diese Studien unterstützen unsere Auffassung einer Schädigung der Lunge durch Cannabis – solche Modelle für die menschliche Lunge sind in der Forschung relativ etabliert – und werden nach sehr strengen Maßstäben und Regularien durchgeführt“, ordnet Kreuter die Studie ein.
Trotzdem sei noch nicht ausreichend untersucht, ob sich die Wirkungen des Cannabis-Rauchs auch auf das passive Kiffen übertragen ließen. Es fehle weiterhin an breiten Studien. „Zudem ist es schwierig, Aussagen über passiven Cannabis-Rauch zu treffen, da dieser ja oft in Kombination mit passivem Tabakrauch inhaliert wird“, ergänzt der Pneumologe.
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Cannabis-Befürworter betonen oft die potenziell medizinischen Vorteile, die durch den Konsum der Droge entstehen könnten. Cannabis auf Rezept wirkt insbesondere bei der Linderung von Schmerzen, die durch Nervenschäden entstehen – das zeigt eine Studie von 2014.
Für die Lunge sieht Kreuter keine positiven Effekte. „Ich würde daher allgemein davon abraten, sich passivem Cannabis-Rauch auszusetzen, da einfach noch zu wenig darüber bekannt ist – und wir beim Zigarettenrauchen viele negative Effekte durch den Passivrauch kennen.“