Berlin. Kann Cannabiskonsum eine psychische Störung auslösen? Die Antwort ist nicht so einfach, aber manche Menschen haben ein erhöhtes Risiko.

Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge weltweit – das geht aus dem Weltdrogenbericht 2023 hervor. Doch obwohl viele Menschen kiffen, Marihuana und Haschisch zunehmend gesellschaftlich akzeptiert sind, kommt immer wieder die Frage auf: Ist das nun harmlos oder gefährlich? Gerade im Hinblick auf die anstehende Legalisierung in Deutschland ist die Diskussion über negative Auswirkungen der Droge neu entflammt.

Viele Befürworterinnen und Befürworter der Legalisierung sagen, Cannabis sei auch nicht schlimmer – wenn nicht sogar harmloser – als Alkohol. Gegnerinnen und Gegner hingegen warnen vor gesundheitlichen Folgen, etwa einer Psychose. Aber wie hoch ist das Risiko wirklich, durch Cannabiskonsum an einer Psychose zu erkranken, und wer ist besonders gefährdet?

Psychosen durch Kiffen: Das sind die Anzeichen

Statistisch betrachtet, erkranken ein bis zwei von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer Psychose. In der Medizin wird zwischen verschiedenen Arten dieser Erkrankung unterschieden. Die Cannabis-Psychose wird als Substanz-induziert bezeichnet, weil sie unter anderem auf den Konsum zurückgeführt wird.

Bundesregierung bringt Cannabis-Legalisierung auf den Weg

weitere Videos

    Auch andere Drogen könnten eine Psychose auslösen, erklärt Philipp Sämann, Oberarzt der Suchtstation in der Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München: „Dazu gehören Alkohol oder Drogen, die zu einer starken Dopaminausschüttung führen, Kokain zum Beispiel oder synthetische Drogen.“

    Lesen Sie auch: Wo Kiffen weiter verboten sein soll

    Eine Cannabis-induzierte Psychose beginne typischerweise mit unspezifischen Ängsten und Wahnvorstellungen, etwa Verfolgungswahn. Es können zudem akustische oder visuelle Halluzinationen auftreten. „Die Anzeichen und Symptome sind ähnlich wie bei einer Psychose, die ohne Cannabiskonsum aufritt,“ sagt Sämann.

    Cannabis: Löst der Konsum eine Psychose aus?

    Wie sich Cannabiskonsum auf die psychische Gesundheit auswirkt, interessiert die Forschung schon seit Jahren. Fest steht mittlerweile: Das Risiko einer Psychose wird auf jeden Fall erhöht. In einer vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Meta-Studie aus dem Jahr 2018 haben Forscherinnen und Forscher über 1000 Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums analysiert.

    Laut dieser Untersuchung erleben jene Menschen, die die Droge konsumieren, im Vergleich zu abstinenten Personen häufiger und früher im Leben eine Psychose. „Je nach Konsumintensität ist das Risiko für Cannabiskonsumierende, an einer Psychose zu erkranken, um das 1,4-fache bis Doppelte erhöht,“ sagt der Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Rainer Thomasius. „Bei sehr hohem Cannabiskonsum steigt das Risiko sogar um das Drei- bis Vierfache an.“

    +++ Noch mehr News über die Themenseite Cannabis +++

    Das bestätigt auch eine britische Studie aus dem Jahr 2019: Wer täglich kifft und Marihuana mit einem hohen THC-Gehalt von über 10 Prozent zu sich nimmt, der steigert sein Risiko für die Erkrankung fast um ein Fünffaches. THC ist eine Substanz, die in Cannabis enthalten ist, und für den Rauschzustand sorgt.

    Psychose durch Cannabiskonsum: Diese Faktoren steigern das persönliche Risiko

    Die Forscherinnen und Forscher aus Großbritannien untersuchten Daten aus Europa und Brasilien. Und sie stellten fest, dass in Städten wie Amsterdam oder London, in denen Cannabisprodukte mit einem hohen THC-Gehalt von über 10 Prozent regelmäßig konsumiert werden, auch die Anzahl der Psychose-Erkrankungen sehr hoch ist. Das Cannabis, das heutzutage konsumiert wird, enthält laut dem Ergebnis einer Untersuchung durch Forschungsteams von der University of Bath und dem King’s College London aus 2018, viel mehr THC als früher. Zwischen 2006 und 2016 hat sich den Angaben zufolge der THC-Gehalt in Cannabisprodukten in Europa nahezu verdoppelt.

    Der THC-Gehalt in den Cannabispflanzen steigt laut einer britischen Studie seit Jahren an.
    Der THC-Gehalt in den Cannabispflanzen steigt laut einer britischen Studie seit Jahren an. © DPA Images | David Pichler

    Allerdings bekommt nicht jeder, der viel kifft, automatisch eine Psychose. Vielmehr tragen verschiedene Faktoren dazu bei, wie Thomasius erklärt: „Das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, wird vor allem durch eine genetische Veranlagung bestimmt.“
    Sprich: Wer eine genetische Anlage für eine psychotische Erkrankung hat, kann sie durch den Gebrauch von Cannabis triggern und die Psychose auslösen. „Wie hoch die genetische Vulnerabilität ist, kann jemand, der noch nie gekifft hat, schwer ermessen, weil sie gewissermaßen in den Genen codiert und damit versteckt ist,“ sagt Thomasius.

    „Neben der Dosis, der Konsumfrequenz und der Höhe des THC-Gehalts erhöhen auch begleitende andere psychische Erkrankungen das Risiko,“ sagt Oberarzt Sämann aus München. Dazu gehörten posttraumatische Belastungsstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, der Parallelkonsum von anderen Substanzen oder ein Kindheitstrauma. Auch bestehe ein höheres Risiko bei frühem Beginn des Konsums im Jugendalter.

    Psychose-Risiko beim Kiffen: Woher weiß ich, ob ich gefährdet bin?

    Der Joint auf der Party birgt also durchaus eine gewisse Gefahr – für manche Menschen mehr als für andere. Die Faktoren Konsumdauer und -intensität, psychische Vorerkrankungen und insbesondere die genetische Veranlagung können helfen, das eigene Risiko besser einzuschätzen.

    „Wie bei Alkohol oder Tabak gilt auch bei Cannabis: Die Menge macht das Gift,“ sagt Psychiater Thomasius vom UKE in Hamburg. Es sei ratsam, in der Familiengeschichte nach einem genetischen Risiko zu forschen. „In der Klinik gucken wir, ob in der Familie des Patienten Psychosen oder Depressionen oder andere psychiatrische Erkrankungen bekannt sind, auch in der Generation der Großeltern,“ erläutert Thomasius. Denn damit steige das Risiko für eine genetische Veranlagung in den Nachfolgegenerationen an.