Berlin. Stress lässt uns oft zu Fertiggerichten greifen – mit Folgen. Ernährungsexperte Dr. Riedl warnt vor hochverarbeiteten Lebensmitteln.
- Bei Stress landen häufig schnelle Gerichte auf dem Teller
- Ein Ernährungsmediziner warnt vor den Folgen für die Gesundheit
- Welche Produkte besonders schlimm sind – und gute Alternativen
Sie machen dick, träge und verursachen schwere Krankheiten: Hochverarbeitete Lebensmittel stehen seit langem in der Kritik. Doch sind alle verarbeiteten Lebensmittel gleich ungesund? Der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl erklärt im Interview, welche Produkte besonders schlecht für unsere Gesundheit sind und woran man sie erkennt.
Was versteht man unter hochverarbeiteten Lebensmitteln?
Dr. Matthias Riedl: Am schnellsten erkennt man ein hochverarbeitetes Lebensmittel an seiner langen Zutatenliste. Es handelt sich dabei um sehr zucker- und salzhaltige Lebensmittel mit einer langen Haltbarkeit. Typisch sind ein Salzgehalt über einem Gramm pro 100 Gramm, viel Zucker, Süßstoffe, Bindemittel wie Carrageen oder Methylcellulose, Aromen oder Chemikalien mit E-Nummern. Man muss hoch verarbeitete Lebensmittel meist nicht mehr lange zubereiten, sondern kann sie direkt auspacken und verzehren.
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Wieso stehen hochverarbeitete Lebensmittel in der Kritik?
Riedl: Hochverarbeitete Lebensmittel wie Chips, Croissants oder Tiefkühlpizzen haben eine geringe Nährstoffdichte, dafür aber viele Kalorien. Man isst also viel davon, weil sie nicht lange sättigen und nimmt davon schnell zu. Durch den hohen Fett-, Zucker- und Salzgehalt werden koronare Herzerkrankungen, Adipositas (Fettsucht) und Diabetes langfristig begünstigt.
Zusätzlich verstärkt werden diese Auswirkungen, weil die Produkte kaum Ballaststoffe enthalten. Außerdem gelangen bei ihrer Herstellung immer wieder potenziell krebserregende Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Mineralölrückstände in die Produkte. Es entstehen auch gesundheitsgefährdende Stoffe wie Acrylamid. Und dann sind da noch Zusatzstoffe wie Emulgatoren und künstliche Süßstoffe.
Hochverarbeitete Lebensmittel: Ursache gefährlicher Krankheiten
Weshalb sind diese Zusatzstoffe gefährlich?
Riedl: Nimmt man viele davon auf, ist das entzündungsfördernd. Diese Stoffe stören die Darmflora. Das wiederum steht mit einer ganzen Reihe von Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Arterienverkalkung oder Autoimmunkrankheiten in Verbindung.
Ist nicht ein Großteil unserer Lebensmittel verarbeitet? Sind Brot, Joghurt oder Käse ungesund?
Riedl: Hier muss man differenzieren. Nicht alle Formen der Verarbeitung sind gesundheitsschädlich. Pasteurisieren und Sterilisieren sind wichtige Verfahren, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern. Fermentieren macht Lebensmittel sogar gesünder. Die Grenze ist schwer zu definieren. Grundsätzlich sollten wir möglichst viele unverarbeitete und wenig verarbeitete Lebensmittel mit einem geringen Salz- und Zuckeranteil essen. Also: Gemüse, Obst, Nüsse, Saaten, Naturjoghurt, Quark, Vollkorngetreide, Eier. Nachgewiesenermaßen schädlich sind höchstverarbeitete Produkte der NOVA-Klasse 4.
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Was ist die NOVA-Klasse 4?
Riedl: Der NOVA-Score ist ein 4-Stufen-Schema zur Klassifizierung von Lebensmitteln. Der Fokus liegt dabei auf dem Grad der Verarbeitung. Also: Wie weit ist ein Produkt vom ursprünglichen Naturprodukt entfernt? Auf Stufe 1 findet man zum Beispiel frisches Obst, Gemüse, Eier oder Fleisch, auf Stufe 2 leicht verarbeitete Zutaten wie Butter, Mehl oder Salz. Auf Stufe 3 stehen verarbeitete Lebensmittel, wie Brot, Marmelade oder Käse und auf Stufe 4 schließlich hochverarbeitete Lebensmittel, wie Süßigkeiten, Softdrinks, Fertiggerichte oder Wurst. Diese Produkte haben kaum noch etwas mit einem Naturprodukt zu tun.
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Welche hochverarbeiteten Lebensmittel sind Ihrer Meinung nach die schlimmsten?
Riedl: Zu den schlimmsten zählen ganz klar Soft- und Energydrinks. Sie enthalten immense Mengen Zucker. Außerdem Schokoriegel, Wurst- und verarbeitete Fleischprodukte, weil sie viele ungesunde Fettsäuren und Salz enthalten. Ebenfalls höchst bedenklich sind hochverarbeitete Fertiggerichte wegen ihres hohen Fett-, Salz- und Zuckergehaltes. Dazu gehören auch vegane oder vegetarische Fleischersatzprodukte mit Proteinisolaten, Aromen, Salz und Verdickungsmitteln. Vegan oder vegetarisch wird häufig zu Unrecht mit gesund gleichgesetzt. Diese Produkte können bei übermäßigem Verzehr gesundheitsschädlich sein.
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In welcher Menge kann ich hochverarbeitete Lebensmittel bedenkenlos zu mir nehmen?
Riedl: Es sollte immer in Maßen erfolgen. Wenn die Ernährung hauptsächlich nährstoffreich und vielfältig ist, hat mal ein Fertiggericht pro Woche keine bedenklichen Folgen. Wichtig ist aber, dass es nicht zur Gewohnheit wird. Vielleicht kann man sich sogar angewöhnen, „Cheat Meals“ gesünder zu gestalten. Also mal ein Salat zum Burger statt Pommes.
Was sind unbedenkliche Alternativen für die genannten hochverarbeiteten Lebensmittel?
Riedl: Man kann Softdrinks etwa durch Mineralwasser mit Zitronensaft oder Obst, sogenanntes Infused Water, ersetzen. Das ist schnell zubereitet und schmeckt wunderbar. Anstatt Chips und Salzbrezeln vor dem Fernseher empfehle ich Gemüsesticks mit Kräuterquark oder würzige Ofen-Kichererbsen. Eine selbstgemachte Blumenkohlpizza anstatt einer TK-Pizza. Wenn man sich einmal klargemacht hat, wie ungesund hochverarbeitete Produkte sind, gewöhnt man sich schnell an Alternativen. Und plötzlich werden sie dann sogar zu Lieblingslebensmitteln.