Essen. Streit mit den Nachbarn wegen Ruhestörung und Lärmbelästigung ist gang und gäbe in Deutschland. Manche Fälle gehen sogar vor Gericht. Doch nicht jeder Kläger kommt mit seinen Anschuldigungen beim Richter durch. Was muss hingenommen werden, wogegen kann man sich zur Wehr setzen?
Nur wenig stört so nachhaltig das Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden wie Lärm. Aber was ist erlaubt? Und was muss nicht hingenommen werden? Mit diesen Fragen müssen sich immer wieder auch Gerichte beschäftigen. Einige interessante Urteile hat der Infodienst Recht und Steuern der LBS zusammengestellt.
Störende High Heels
Damenschuhe mit hohen Absätzen, sind weniger für den Einsatz in der eigenen Wohnung als für den Auftritt in der Gesellschaft gedacht. Manche laufen aber damit auch zu Hause herum. Besonders fatal wirken sich High Heels in der Kombination mit einem harten Bodenbelag (Fliesen, Parkett, Laminat) aus. Das Landgericht Hamburg (Aktenzeichen 316 S 14/09) untersagte der Bewohnerin einer Mietwohnung auf Drängen der Nachbarn, daheim solche Schuhe zu verwenden. Das sei eine unzumutbare Belästigung.
Laute Touristen
Touristen sind im Regelfall deutlich lauter als die "normalen" Bewohner eines Hauses. Sie kommen oft zu ungewöhnlicheren Zeiten an. Sie feiern gerne, weil sie ja am nächsten Tag nicht arbeiten müssen. Und sie üben manchmal wohl auch deswegen weniger Rücksichtnahme, weil sie ihren Nachbarn nur für kurze Zeit begegnen. Bei Immobilien, die sowohl von Touristen als auch von dauerhaften Mietern bewohnt werden, haben letztere nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen VIII ZR 155/11) die Möglichkeit, eine Mietminderung durchzusetzen - zumindest dann, wenn Lärm und Schmutz überhandnehmen.
Angestiegener Verkehr
Wenn es so etwas wie den häufigsten und am störendsten empfundenen Lärmauslöser gibt, dann ist es mit ziemlicher Sicherheit der Straßenverkehr. Mieter fühlten sich durch ein Anwachsen der Verkehrsgeräusche durch eine Umleitung so gestört, dass sie ihre monatlichen Überweisungen an den Eigentümer kürzen wollten. Doch der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 152/12) betonte, dass eine vorübergehende Steigerung des Verkehrslärms dafür nicht ausreiche. Eine Ausnahme würde gelten, wenn die ruhige Wohnlage bereits bei der Anmietung ein erkennbares Entscheidungskriterium gewesen ist.
Große Baustelle
Wer in die Nähe eines Bahnhofs zieht, muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Wenn dort nämlich Bauarbeiten stattfinden, die keine Verzögerung dulden, dann wird unter Umständen auch sonntags gearbeitet. Und man hat als Anwohner deswegen keinen Anspruch auf Mietminderung. Insbesondere dann, wenn Um- oder Ausbauten bereits zum Zeitpunkt des Einzuges absehbar waren, muss sich der Mieter dies später vorhalten lassen und hat weniger Chancen auf Schadenersatz. So scheiterte ein Berliner Mieter deswegen mit seinem Anspruch auf Mietminderung. Er hatte sich durch den Umbau des Bahnhofs "Ostkreuz" erheblich gestört gefühlt. Im Urteil des Landgericht Berlin (Aktenzeichen 63 S 206/11) wurde er auf die Erwartbarkeit der Störungen hingewiesen: Wörtlich hieß es: "Es wäre vielmehr ungewöhnlich gewesen, wenn unter den vorgenannten Umständen keine Arbeiten an Sonntagen und nachts stattgefunden hätten."
Belästigende Schiffe
Wenn man sich als Mieter für eine Wohngegend entscheidet, dann muss man auch die damit verbundene Nachteile akzeptieren. Das entschied das Amtsgericht Köln (Aktenzeichen 223 C 26/11). Es hielt die Mietkürzungen einer Frau für unzulässig, die in die Nähe des Kölner Rheinauhafens gezogen war und den Lärm durch nachts und an den Wochenenden an der Kaimauer anlegende Binnenschiff e als Mietmangel - zu Unrecht. "Wer eine unmittelbar am Rhein gelegene Wohnung besichtigt und anmietet, muss damit rechnen, auch wenn beim Besichtigungstermin keine Schiff e vor Anker lagen." Selbst jemand, der nicht hier aufgewachsen sei, müsse das wissen.
Klirrender Altglascontainer
Wer schon einmal in der Nähe eines Altglascontainers gewohnt hat, der weiß: Das Klirren der eingeworfenen Flaschen kann sehr störend sein. So empfanden es auch zwei Familien, deren Häuser in sieben und 16 Metern Entfernung von einem Container lagen. Sie forderten dessen Umsetzung in eine weniger bewohnte Gegend. Mit diesem Wunsch stießen sie aber vor dem Verwaltungsgericht Aachen (Aktenzeichen 6 K 2346/09) auf taube Ohren. Der Behälter durfte bleiben. Die zuständige Gemeinde habe bei der Auswahl des Standorts durchaus Vernunft walten lassen, denn ein Altglascontainer müsse gut erreichbar sein und sich in einem Bereich sozialer Kontrolle befinden. In einer entlegenen Gegend drohe eine wilde Müllkippe rund um den Container.
Angesagter Treffpunkt
Ein innerstädtischer Platz hatte sich während der Nachtzeit zu einem beliebten Treffpunkt junger Menschen entwickelt. In warmen Nächten versammelten sich dort mehrere hundert Personen, was von den Anwohnern als unzumutbar empfunden wurde. Die Ordnungsbehörde entschied sich auf deren Beschwerden hin, den Betrieb einer auf dem Platz befindlichen Trinkhalle stark einzuschränken. An Sonn- und Feiertagen sollte nur noch bis Mitternacht geöffnet sein. Das Verwaltungsgericht Köln (Aktenzeichen 1 L 492/11) hielt dies für völlig angemessen. Die ständigen Bezugsmöglichkeiten an Alkohol und Nikotin durch die Trinkhalle hätten dazu beigetragen, den nächtlichen Rummel auf dem Platz aufrechtzuerhalten.
Lauter Besucher
Wenn es um Ruhestörung geht, dann konkurrieren stets zwei Interessen: das Recht des einen auf Selbstverwirklichung und das Recht des anderen, in seinem Alltag von den Lebensäußerungen der Nachbarn verschont zu bleiben. Genau solch eine Fallkonstellation hatte das Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen 2 BvR 693/09) zu entscheiden. Der Verwalter einer Wohnanlage hatte ein Hausverbot gegen den Besucher einer psychisch kranken Wohnungseigentümerin ausgesprochen, weil es während des Aufenthalts dieser Person regelmäßig zu erheblichem Lärm gekommen war. Die Verfassungsrichter hielten das nicht für angemessen. Der Besucher sei die einzige Vertrauensperson der Eigentümerin gewesen und man habe vonseiten des Verwalters nicht gründlich genug geprüft, ob andere, mildere Maßnahmen nicht auch ausreichten.
Elektrische Laubsäge
Was macht man eigentlich, wenn eine Lärmquelle aus einer Wohnung partout nicht auszuschalten ist? Ein Hobbybastler aus Baden-Württemberg ließ die ganze Nacht hindurch den Motor einer elektrischen Laubsäge laufen. Auf Beschwerden hin teilte er der Polizei mit, er denke gar nicht daran, das Gerät auszuschalten. Daraufhin entschied ein Amtsrichter, dass die Wohnung zu durchsuchen und die Störquelle zu beschlagnahmen sei. Das sei angemessen gewesen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 14 Wx 9/10). Denn hier werde in einem unzulässigen Ausmaß die Gesundheit anderer geschädigt.
Absichtlicher Radau
Zu den unangenehmsten "Treppenhausgeschichten" gehört absichtlich erzeugter Radau. Den muss eine Hausgemeinschaft nicht ertragen. Die Eigentümer können mehrheitlich beschließen, dass einer von ihnen seine Mieter zu mehr Ruhe verpflichtet. Hier war von Störungen "durch Lärm und Tyrannisierungen" die Rede gewesen, also von lautstarkem Türenkrachen, von Aufstampfen auf dem Boden und von Poltergeräuschen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen I-3 Wx 240/07) wies an, dies zu unterbinden.
Teure Störung
Wenn ein Mieter innerhalb einer Wohnanlage dauernd für Lärm sorgt und dadurch die Gemeinschaft stört, dann muss er nicht nur mit Abmahnung und Kündigung rechnen. Es kann ihm auch passieren, dass er den Eigentümern der Nachbarwohnungen die wegen Mietminderung entgangene Miete ersetzen muss. Das entschied das Amtsgericht Bremen (Aktenzeichen 17 C 105/10) im Fall eines Mieters, der durch fortwährende Ruhestörung aufgefallen war.
Verbotene Gegenmaßnahme
Was gar nicht geht, ist Lärm mit Gegenlärm zu beantworten: Ein Mann aus Hamburg klopfte immer, wenn es ihm zu laut wurde, mehrere Minuten lang gegen Heizkörper und Heizungsrohr. Die Richter vom Amtsgericht Hamburg untersagten ihm das und rieten ihm: Wenn er sich nicht anders zu helfen wisse, müsse er notfalls vor Gericht ziehen (Az.: 47 C 1789/95).
Sonderfall Kinderlärm
Mit einer Änderung des Bundesemissionsschutzgesetzes hat der Gesetzgeber klargestellt, dass durch Kindertageseinrichtungen, Spiel- oder Bolzplätze hervorgerufene Geräuschpegel keine "schädlichen Umwelteinwirkungen" und damit in aller Regel hinzunehmen sind. Grundsätzlich ist der mit dem üblichen kindgemäßen Verhalten verbundene Lärm von Nachbarn hinzunehmen. Das gilt insbesondere für Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern. Hier sind auch Störungen nach 22 Uhr hinzunehmen, denn niemand kann verhindern, dass ein Baby nachts einmal schreit. Die Gesetzesänderung ist nach Angaben des Deutschen Mieterbundes (DMB) aber kein Freifahrtschein für rücksichtslos lärmende Kinder und Jugendliche in Häusern und Wohnungsanlagen.