Rees. Gästeführer Heinz Wellmann entführt seine Gäste in eine Zeit, in der die Mühlen am Niederrhein noch langsamer mahlten. Alle Infos zur Tour.
Wenn man so will, kann man Heinz Wellmann als Mann mit mindestens einem halben Dutzend Gesichter ansehen: Als Fischer Hein vom Rhein kennt man ihn, als bierseligen Mönch Paul Laner, als Mesner, Torwächter – sogar als Henker von Rees.
Vor allem erlebt man den 66-Jährigen, der regelmäßig auch als hellebardenbewehrter Nachtwächter in der Rheinstadt seine Runden zieht, als ungeheuer kundigen und belesenen Geschichtsvermittler und vielseitiges Original, das beinahe zu jedem Stock und Stein seiner Stadt eine Geschichte kennt.
Windmühlen am Niederrhein – nicht nur in den Niederlanden
Bei so vielen Interessen ist es für ihn natürlich schwer zu entscheiden, ob nun „Mahle Mühle mahle – vom Korn zum Brot“ der Favorit unter seinen Stadtführungen ist. Aber es ist eine außergewöhnliche Tour in Rees, die zurzeit noch von der Ausstellung „Windmühlen in Rees und den Ortsteilen“ flankiert wird und die vom Reeser Geschichtsverein Ressa 1987 e.V. gestemmt wurde.
Dessen Vorsitzender heißt übrigens rein zufällig – man ahnt es schon – Heinz Wellmann. Wenn man vorweg eine Lehre aus dem Besuch der Ausstellung ziehen kann, dann jene: Das Land der Windmühlen beginnt nicht erst an der holländischen Grenze, zig von ihnen standen und stehen in voller Pracht am Niederrhein.
Vierflügelige Riesen also wie die Scholtenmühle, durch die Heinz Wellmann mit weißem Müllershemd und weißer Müllersmütze führt – und die in diesem Jahr 175 Jahre alt wird, was am Pfingstmontag mit einem Mühlenfest begossen wird, gerade weil das Müllersdasein ja sonst ein eher staubiges ist.
Alles andere als staubig allerdings ist die Führung von Müller Hein, dem kein Kornsack zu schwer und kein windmühlengeflügeltes Wort fremd ist: „Er kämpft gegen Windmühlen. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Das Schönste ist, dass die Säcke in der Mühle nicht reden können“, zählt er aus dem Stegreif auf – und fügt hinzu: „Dem Müller sagte man einiges nach, er hatte einen schlechten Ruf. Denn dem Müller wurden früher zwei Säcke Korn gebracht – und zurück bekam man nur einen Sack Mehl!“
Die Tour für die Besucher beginnt in der Einfahrt, in der einst die Fuhrwerke die Kornsäcke anlieferten. Dann wurden die Säcke an einen Flaschenzug gehängt, um in die oberen Ebenen zu kommen, die man über hohe Leitern erklettern kann, vorbei an den gewaltigen Mühlsteinen, die fein justiert werden können für die verschiedenen Mahlstufen.
Es geht bis nach ganz oben unter die Haube, wo man sich überzeugen kann, welch gewaltige, hölzerne und metallische Mechanik dort waltet. Denn die Haube lässt sich mit dem Wind drehen, früher noch von Hand, ab 1941 dann über eine sogenannte Selbstvordrehungsanlage mit Windrose. „Das heißt: Egal woher der Wind kommt, die Mühle stellt sich immer richtig“, sagt Wellmann.
Die Vielzahl der Mühlen-Bauarten am Niederrhein
Doch heute knackt und knarzt und dreht sich hier nur noch wenig, denn mit dem Tod des letzten Müllers Johannes Scholten im Jahr 1963 wurde auch die Selbstvordrehung blockiert. Draußen an der Mühle finden sich die selten gewordenen, metallischen Ventikanten-Drehheck-Flügel, einst eine technische Innovation, die eine doppelte bis dreifache Windenergie-Ausnutzung im Vergleich zu segeltuchbespannten Gatterflügeln zuließ.
Mühlenbauarten gibt es beinahe so viele wie Äcker am Niederrhein, so ist zumindest der Eindruck, wenn man Wellmann folgt ins nicht weit entfernte Koenraad Boesman Museum. Wenn man Glück hat, entführt Wellmann seine Gäste zuvor kurz in die darunter gelegenen Kasematten, befestigte Gewölbe aus dem Jahr 1502/1503. „Wenn man als Nachtwächter hier runterkommt, dann ist man im Mittelalter“, sagt er. Und er erinnert sich gern an einen noch gar nicht allzu weit zurückliegenden Glühweinumtrunk im alten Gemäuer, kalt, aber urgemütlich.
Eine Etage höher hingegen wird der museale, historische Teil, der den Einfluss der Müller auf die Region deutlich macht, ergänzt von einer Reihe detailverliebter Dioramen, die Wellmann mitgebaut hat – und die jeden Modellbauer in Verzückung geraten lassen.
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Da gibt es Brot- und Backformen, da gibt es Mühlsteine – und so ziemlich alles, was mit Mühlen zu tun hat, selbst Fertiggerichte von Müllers Mühle. Und man erfährt, was die Bergbau-Region namens Ruhrgebiet ganz grundsätzlich vom Niederrhein unterscheidet. Denn im Ruhrgebiet grüßen die Bergleute mit „Glück auf!“,
Alle Infos zur Tour in Rees
Die Touren von Heinz Wellmann, auch „Mahle Mühle mahle“ finden Sie gesammelt im Netz unter www.gaestefuehrungen-rees.de oder Sie holen sich telefonisch Auskunft unter 02851 / 7486 (heinz.wellmann@gaestefuehrungen-rees.de).
Die Ausstellung „Windmühlen in Rees und den Ortsteilen“ im Städt. Koenraad Boesman Museum (Am Bär 1, Rees) läuft noch bis zum 26. Februar, geöffnet sa. 14 - 17 Uhr, so. 11- 13 Uhr und 14 - 17 Uhr, Telefon 02851/2321. Eintritt: Erwachsene 2 €, Kinder 1 €.