Ruhrgebiet. Schlösser, Burgen und Klöster: Ein Oberhausener Historiker hat Touren erstellt, die zu historischen Orten im Ruhrgebiet führen. Die Highlights.
Wer Werner Bergmanns Einladung zu einem Spaziergang folgt, der begibt sich auf eine Reise in die alte Zeit des Ruhrgebiets: Lange bevor Kohle und Stahl das Leben im Revier bestimmten, als noch Burgen und Kirchen gebaut wurden, die Menschen Äcker bestellten und alles einer göttlichen Ordnung folgte.
Wie der Alltag unserer „Vorväter und Vormütter“ aussah, welchen Herausforderungen sie sich stellen mussten, welche Schicksalsschläge sie trafen, all das verraten noch heute in Stein gehauene Überreste. Ob Schlösser, Herrenhäuser, Mühlen oder Klöster: Historiker Werner Bergmann hat in seinem neuen Buch insgesamt 24 verschiedene Spaziergangs-Routen durch die Region erstellt, die etliche historische Orte miteinander verbinden – und Schlaglichter auf die Menschen werfen, die vor der Industrialisierung im Ruhrgebiet gelebt haben.
Spurensuche der „Altvorderen“ im Ruhrgebiet
„Man muss nicht lange suchen, um die Spuren der Altvorderen zu finden“, sagt Bergmann, der als Professor an der Ruhr-Universität in Bochum lehrte und forschte. In seiner Heimatstadt Oberhausen etwa lassen sich drei interessante, architektonische Antiquitäten finden: das Schloss Oberhausen, das Kastell in Holten und die Burg Vondern. Letztere ist eines von Bergmanns persönlichen Lieblingszielen.
Da kaum jemand die Burg kenne, könne man vor Ort in aller Ruhe in ihre Geschichte eintauchen, die weit zurück reicht: Ein „festes Haus Vondern“ wurde bereits 1266 erstmals urkundlich erwähnt, zwischen 1470 und 1520 entstanden die gotische Torburg samt Herrenhaus, das allerdings um 1680 zu großen Teilen zerstört wurde.
Geschichten über Burg Vondern in Oberhausen
Diese Fakten sind für Bergmann allerdings „weniger spannend“. Er interessiere sich vielmehr für die Menschen, die in und mit der Burg gelebt haben – wie etwa Johann von Loe, der nach einer abenteuerlichen Reise ins Heilige Land zum Ritter des Heiligen Grabes ernannt wurde oder Johann Hermann Franz Graf von Nesselrode und Landscron, der dank einer geschickten Vermählung zum Burgherren wurde.
Eingeklemmt zwischen Eisenbahn, Kohlenzeche und der einstigen „Kloake des Reviers“, der Emscher, stand die Burg mit dem „Siegeszug von Kohle und Stahl“ vor dem Aus: In den Augen der Adeligen war sie kein geeigneter Wohnsitz mehr. Über die Jahrhunderte drohte sie immer wieder zu verfallen. Dass dort heute wieder Feste wie zu Adelszeiten gefeiert werden können, ist laut Bergmann vor allem den Menschen zu verdanken, die sich im „Förderkreis Burg Vondern“ engagieren.
Neben der Burg Vondern steuert Bergmann auf seinen Touren noch viele weitere Burgen und Schlösser in der Region an, darunter etwa Schloss Berge in Gelsenkirchen, Schloss Broich in Mülheim oder Schloss Strünkede in Herne. Als „steinerner Beweis der wirtschaftlichen Prosperität im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit“ dienen aber auch andere Orte im Revier, wie etwa das Alte Rathaus in Werne.
„Der eingefleischte Ruhrgebietler wird stutzen: Werne kennt er eigentlich nur als Stadtteil von Bochum. Erst mit dem zweiten Blick auf die Landkarte entdeckt man das Städtchen Werne an der Lippe, das wie die meisten Orte des Ruhrgebiets Ende des 19. Jahrhunderts durch die Errichtung einer Zeche zum Bergbau-Ort wurde“, so Bergmann.
Das Ruhrgebiet als Kloster-Gegend
Werne ist eine der ältesten urkundlich nachgewiesenen Orte der Region, war als Stadt Mitglieder der Hanse, besaß eine Zeit lang gar das Recht, eigene Münzen zu prägen – und ist laut Bergmann immer einen Ausflug wert. Einzigartig sei vor allem das zwischen 1512 und 1514 am Marktplatz erbaute Rathaus, „das die Zeiten überdauert hat und auch heute noch im ursprünglichen Glanz erstrahlt“. Besucherinnen und Besuchern empfiehlt Bergmann, auch das wenige Meter entfernt liegende Kapuzinerkloster zu besichtigen.
„Dass das Ruhrgebiet generell eine Kloster-Gegend war, ist heute nur noch wenigen bekannt“, sagt er. „Ein Highlight ist das Kloster in Saarn in Mülheim.“ Ein weiterer Hingucker: Kloster Werden in Essen. „Es ist das älteste Kloster des Reviers, gegründet just zu dem Zeitpunkt, als König Karl zum Kaiser gekrönt wurde und fortan der Große genannt wurde. Es war der Ausgangs- und Kristallisationspunkt der endgültigen Missionierung unserer Region.“
Ein wichtiger Akteur vor Ort: Heinrich Duden, der 1558 Mönch in Werden wurde. „Er hat sich bemüht, die desaströse wirtschaftliche Lage des Klosters in den Griff zu bekommen.“ Als „Finanzjongleur“ veräußerte Duden etwa Handschriften der berühmten Bibliothek oder tauschte Reliquienschätze gegen bare Münze.
„Übel genommen hat man ihm nur eine Aktion: Um eine Verbindlichkeit von 700 Reichstalern loszuwerden, bestach er mit dem Reliquiar des heiligen Gregorius den kaiserlichen Gesandten Graf Hoyos. Die Sache ging schief, man war die kostbare Reliquie los und die Schulden wurden nicht getilgt“, sagt Bergmann. Geschichten wie diese weiß er etliche zu erzählen – und fordert Interessierte daher auf, selbst „einen Blick über den Zaun der Zeit von Kohle und Stahl zu werfen: auf unsere Altvorderen und auf ein anderes Ruhrgebiet“.
Alle Infos zum Buch:
„24 Spaziergänge in die alte Zeit des Ruhrgebiets. Begegnungen mit unseren Altvorderen“, 208 Seiten, 19,80€, Verlag Henselowsky Boschmann
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