Köln. Glückstrainerin Nicole Staudinger ist überzeugt, dass sich jeder sein Glück selbst erobern kann. Corona-Umstände können sogar behilflich sein.

„Angenehme und freudige Gemütsverfassung“ – so definiert der Duden das Wort Glück. „Mir ging es schon lange nicht mehr so“, mögen Sie jetzt vielleicht denken. Homeoffice, Homeschooling, Kurzarbeit, Lockdown, Virusangst – seit Ausbruch der Corona-Pandemie liegt bereits ein ganzes Jahr zurück, und der Verdruss über den Verlust des gewohnten Lebens wird merklich spürbarer.

Doch wir haben heute eine gute Nachricht für Sie: Trotz all der Einschränkungen, all der Veränderungen, trotz dieser seltsamen Zeit können Sie glücklich sein. Glauben Sie nicht? Na, dann lesen Sie mal weiter…

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Nicole Staudinger: „Die Menschen stecken in Krisen, machen sich Gedanken um ihre Existenz oder die Schulbildung ihrer Kinder, sind zum Teil sehr erschöpft. Sie dürfen auch schon mal mit sich selbst Mitleid haben und jammern.“
Nicole Staudinger: „Die Menschen stecken in Krisen, machen sich Gedanken um ihre Existenz oder die Schulbildung ihrer Kinder, sind zum Teil sehr erschöpft. Sie dürfen auch schon mal mit sich selbst Mitleid haben und jammern.“ © Marcus Höhn

„Wir sind für unser Glück selbst verantwortlich“, sagt Glückstrainerin und Bestsellerautorin Nicole Staudinger (39). Sehr oft höre sie, wie Menschen ihr Glück von bestimmten Zeitpunkten abhängig machten: Wenn erstmal die Corona-Krise vorbei ist, wenn ich erstmal wieder unter Menschen darf, wenn ich mal wieder ins Restaurant gehen kann, wenn ich in Rente bin, DANN bin ich glücklich. „Das ist natürlich ein schöner Vorsatz, allerdings setzt der voraus, dass man dann auch tatsächlich noch da und gesund genug ist, um sich an all diesen Sachen zu erfreuen.“

Es klingt erst einmal hart, was Nicole Staudinger da sagt, doch sie weiß aus persönlicher Erfahrung, wovon sie spricht. Mit 32 Jahren verlor sie das Glück von heute auf morgen. Damals sagte ihr eine Ärztin: „Es tut mir so leid, aber es ist Brustkrebs. Und dazu noch ein hoch aggressiver“, während sie ihr den Arm mitfühlend tätschelte. „In dieser Zeit lernte ich, dass ich besser dastehe, wenn ich in jeder Situation das Glück suche und zwar in wirklich jeder. Und ich kann Ihnen sagen: Gefunden habe ich es tatsächlich immer. Ja, manchmal auf den zweiten, manchmal auf den vierzigsten Blick. Aber es war immer da.“ So steht es in ihrem neuen Buch „Von Jetzt auf Glück“, das soeben erschienen ist.

Stichwort: Perspektive

Die Autorin ist überzeugt davon, dass sich jeder sein Glück selbst erobern kann.

Ganz wichtig sei dabei die Perspektive, die man im Zweifel auch ändern muss. Dinge, die im Leben wirklich gesetzt seien, sollten losgelassen werden. Einfachstes Beispiel zum Veranschaulichen: das Wetter. Die Wolkensituation über Castrop-Rauxel hat schließlich niemand unter Kontrolle! Aber: Jeder kann seine Einstellung dazu ändern. „Die Frage lautet doch, wie ich das Glück sehen kann, und was ich persönlich als Glück definiere. Denn was mich glücklich macht, lege ich ja selbst fest. Das kann auch mal ein ganzer Tag nur auf der Couch mit Chips und Netflix sein. Oder eben draußen in der Natur spazieren zu gehen.“

Dr. Kai Ludwig, Glücksforscher
Dr. Kai Ludwig, Glücksforscher © Michael Ettema

Kai Ludwig, Glücksforscher und Chef der „Happiness Research Organisation“ aus Düsseldorf untermauert diese Aussage. „Die renommierte und vielzitierte Studie der amerikanischen Psychologin Sonja Lyubomirsky hat ergeben, dass Menschen zu 40 Prozent selbst für ihr Glück verantwortlich sind, also aktiv darauf Einfluss nehmen können, abseits von etwa Genen oder äußeren Umständen.“ Man sollte sich deshalb, gerade in Zeiten wie diesen, gezielt Dinge suchen, die das Wohlbefinden verbessern. „Statt zu überlegen, wie schön es früher war und welche Möglichkeiten es früher gab, sollte man besser schauen, wie sich die neue Situation darstellt und welche Herausforderungen sie für uns bereit hält. Wie kann ich meine Gewohnheiten so anpassen, dass meine Bedürfnisse auch noch so gut wie möglich erfüllt werden?“

Stichwort: Gewohnheiten

Laut Ludwig können Corona-bedingte Umstände dabei sogar behilflich sein: „Gerade das Homeoffice bietet, wenn man es denn positiv sieht, gute Möglichkeiten, an eigenen Dingen wie den klassischen Wohlbefindens-Parametern Ernährung, Fitness und Mentale Fitness zu arbeiten. Vielleicht birgt die für viele Menschen ruhigere aktuelle Phase die Chance, mehr Kontrolle über den eigenen Alltag zu gewinnen und dadurch mit neuen, positiven Gewohnheiten zu beginnen.“

Doch selbst für Eltern, die im Homeoffice auch noch ihre Kinder bei Schularbeiten betreuen müssen und zurzeit das Gefühl haben, kurz vor dem Burnout zu stehen, gibt es laut Ludwig Chancen, in der aktuellen Situation auf das eigene Wohlbefinden zu achten. Entscheidend sei, einen Überblick über die eigenen Zeit zu bekommen, sagt der Forscher. „Durch den Wegfall der üblichen Tagesstruktur durch Arbeitsbeginn, Mittagspause usw. fällt es vielen deutlich schwerer einzuordnen, wie viel Zeit sie tatsächlich zur Verfügung haben und wie sie sie verwenden. Es liegt eine ganz neue Herausforderung darin, den Tag jetzt selbst planen zu können. Für Menschen, die sich aktuell sehr erschöpft fühlen, könnte es hilfreich sein, über einen gewissen Zeitraum genau aufzuschreiben, wie und womit sie ihre Tageszeit verbringen.“ Das Ergebnis könne dabei helfen, den Alltag besser zu strukturieren, im Zweifel mit Hilfe von Freunden oder sogar einem professionellen Coach.

Stichwort: Freundschaften

Freunde, sagt Nicole Staudinger, bekommen in Krisen besondere Bedeutung für das Glücksempfinden. „Einige Dinge sind Basisvoraussetzungen für Glück. Das haben unterschiedliche Studien ergeben. So fanden z.B. Forscher der University of Michigan heraus, dass Menschen mit guten Freunden gesünder sind und sich subjektiv um einiges wohler fühlen als Menschen, die eben keine haben. Deshalb appelliere ich an alle, gute Freundschaften unbedingt zu pflegen. Es ist die beste Investition in unsere Zukunft.“

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Zwar bedeutet die Einschränkung der sozialen Kontakte laut Kai Ludwig auch Stress für viele, in Deutschland sind Treffen allerdings ja nicht gänzlich verboten. Insofern plädiert auch er dazu, im Rahmen der Maßnahmen seine engen Kontakte zu pflegen. „Am einfachsten geht das zum Beispiel, wenn man sich ein paar wichtige Menschen raus pickt und sie bei einem Spaziergang an der frischen Luft trifft. Wenn es sich um Freunde und Familie in anderen Städten oder im Ausland handelt, kann man sich digital über Videotelefonie treffen.“

Stichwort: Selbstmitleid

Ja, auch Selbstmitleid ist in der aktuelle Situation total in Ordnung. „Die Menschen stecken in Krisen, machen sich Gedanken um ihre Existenz oder die Schulbildung ihrer Kinder, sind zum Teil sehr erschöpft. Sie dürfen auch schon mal mit sich selbst Mitleid haben und jammern“, betont Glückscoachin Staudinger. Vor allem kann Selbstmitleid aber dabei helfen, die eigene Krise zu bewältigen: „Wenn man sich selbst nämlich mal in den Arm genommen hat, ist es einfacher, mit der Situation umzugehen und vielleicht danach auch zu erkennen, was man denn eigentlich alles hat und wofür man dankbar sein kann. Denn über die Dankbarkeit lassen sich neue Möglichkeiten erarbeiten, um glücklicher zu sein.“

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Stichwort: Dankbarkeit

Mittlerweile erforscht auch die Schulmedizin das Dankbarkeitsgefühl und wies u.a. positive Auswirkungen auf die Herzgesundheit nach. „Nichts geht auf Dauer ohne Dankbarkeit“, betont Nicole Staudinger, die in ihrem Buch die Leser dazu motiviert, sich Notizen zum Glück zu machen und die eigenen „Glück-Seh-Tools“ zu erarbeiten. Denn sie selbst hat beim Schreiben des Buches bemerkt, wie gut ihr das tut. In der Zeit, in der ihr Buch entstand, ging nämlich nicht nur ihre Ehe auseinander, Corona brachte zusätzlich den Alltag der selbstständigen Autorin und Trainerin gehörig ins Schwanken. „Das Buch hat mich gerettet. Während des Prozesses habe ich für mich ganz neue Aspekte gefunden: Die Kraft der Wahrnehmung, die Kraft der Liebe. Was vorher alles Phrasen waren, habe ich mit Leben gefüllt.“ Forscher stellten auch fest, dass eben solche Dankbarkeitsübungen das Glücksniveau um 25 Prozent heben und sogar Antidepressiva bei leichten bis mittelschweren Depressionen ersetzen können.

„Von jetzt auf Glück“ von Nicole Staudinger
„Von jetzt auf Glück“ von Nicole Staudinger © knaur verlag

Tipp der Expertin: „Wenn du Sorgen hast, komm zurück zu dir ins Jetzt und schau, wo du in diesem Moment bist. Häufig ist es das eigene Zuhause, an einem Rechner, in einem warmen Zimmer mit ein paar Keksen auf dem Teller neben dir. Dann kann es so schlimm doch gar nicht sein“, sagt Nicole Staudinger.

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Übrigens: Hoffnung stellt einen weiteren wichtigen Meilenstein zum Glück dar. Insofern wollen wir diesen Artikel mit einer Studie beschließen, die Hoffnung gibt: Trotz erheblicher Corona-bedingter Einschnitte in das gesellschaftliche, wirtschaftliche und private Leben ist das Glücksniveau in Deutschland im vergangenen Jahr relativ moderat zurückgegangen. Der 10. Deutsche-Post-Glücksatlas belegt, dass die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung auf einer Skala von 0 bis 10 aktuell bei 6,74 Punkten liegt – und somit nur rund 6 Prozent unter dem Rekordhoch (7,14 Punkte) aus 2019. Ein großer Teil der Bevölkerung glaubt, dass er in 2021 wieder genauso zufrieden sein wird wie vor der Pandemie. Und auf der Rangliste der glücklichsten Deutschen liegen die Menschen in NRW auf einem guten vierten Platz. Wenn das kein Grund zur Freude ist…

Am 1. Februar erschien nicht nur das neue Buch „Von Jetzt auf Glück“ (Knaur-Verlag) von Bestsellerautorin Nicole Staudinger, sie war auch bei VOX in der Sendung „Showtime of my Life – Stars gegen Krebs“ zu sehen. Insgesamt 16 Promis (u.a. Jochen Schropp, Stefanie Hertel, Mirja Du Mont) ließen darin an zwei Abenden vor einem Millionenpublikum die Hüllen fallen – um auf das Thema der Krebsvorsorge aufmerksam zu machen. Nach dem Motto: Wenn sich die Promis vor Millionen von Zuschauern ausziehen können, können Sie das auch vor ihrem Arzt. Moderiert wurde die Show von Guido Maria Kretschmer.

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