Berlin. 87.000 neue Busfahrer sind zum Jahr 2030 bundesweit nötig, sagen Bus-Verbände. Der Druck auf Unternehmen wächst, auch wegen des 49-Euro-Tickets.

Ohne genügend Busfahrer wird die Verkehrswende nicht gelingen, warnen Bus- und Verkehrsunternehmen. Sie beklagen einen Busfahrermangel, der in den kommenden Jahren noch stark steigen werde. Doch wie viel Personal wird allein für den Bus-Nahverkehr gebraucht? Die Zahl, die die Bus-Lobby ausgerechnet hat, ist jüngst kräftig gestiegen.

Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland 87.000 Busfahrer neu nötig sind, sagt Till Dreier, Sprecher vom Bundesverband der Bus-Unternehmen (bdo). Das sind 11.000 mehr, als der bdo bis dato genannt hatte.

Das ab Mai startende 49-Euro-Ticket habe dazu geführt, die Zahlen neu durchzurechnen, erklärt Dreier. Weil man davon ausgehe, durch das Deutschland-Ticket Hunderttausende Neukunden zu gewinnen, die zuverlässig bewegt werden wollen. Von einer Verdopplung der Fahrgäste gehen die Verbände in den kommenden Jahren aus – da braucht es auch zusätzliche Busse und zusätzliches Fahrpersonal.

Busfahrermangel: Stellenangebote sind als besonders dringlich markiert

„Was man in der Debatte gerne vergisst“, sagt Dreier: Durch die massiv geplante Streckenertüchtigung der Bahn für das geplante "Hochleistungsnetz" werde in den kommenden Jahren der Bedarf an Schienenersatzverkehr im Regional und Fernverkehr ebenso kräftig steigen – also an Bussen, in die Zug-Reisende umsteigen wegen Baustellen und Streckensperrungen. „Um einen ICE zu ersetzen, reicht ein Reisebus nicht aus“, sagt Dreier.

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Die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt wird beim Blick etwa in das Jobportal „Busfahrer gesucht“ deutlich, auf das Busverbände unter anderem verlinken: Manche der Stellenanzeigen für Busfahrer locken mit „keine Nachtschichten“ oder „keine Dienste an Sonn- und Feiertagen“, stellen eine „faire Vergütung“ in Aussicht, „kostenlose Getränke“ oder einfach „ein tolles Team“. Alle Stellenangebote eint: Sie sind als besonders dringlich markiert.

„Der richtige Mangel kommt erst noch“

Bus- und Verkehrsverbände haben indes auch die kommenden Jahre im Blick. „Der richtige Mangel kommt erst noch“, sagt Lars Wagner, Sprecher des Verbands der Verkehrsunternehmen (VDV). Sein Verband spricht von 6000 Busfahrern, die jährlich neu gebraucht werden; die private Bus-Branche nennt 7800 Busfahrer, die zum 31. Januar diesen Jahres in Deutschland fehlten. Addieren könne man die Zahlen nicht so einfach, sagen die Verbände: Private Bus-Firmen sind als Subunternehmen auch im Liniendienst für Öffentliche Nahverkehrsunternehmen unterwegs.

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„Die Hälfte der Busfahrer ist über 55 Jahre alt“, sagt bdo-Sprecher Dreier. Manche aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre mögen später als Rentner vielleicht noch weiterfahren, etwa in Teilzeit, meint Dreier: Doch das Gros werde ersetzt werden müssen. Sprach man 2018 noch von 76.000 benötigten neuen Busfahrern im Jahr 2030, geht man jetzt von 87.000 aus. Auch wegen der sich abzeichnenden Verkehrswende kam man Anfang dieses Jahres, als das Deutschland-Ticket von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde, zu dieser neuen Zahl.

Mehrere Tausend neue Busfahrer pro Jahr - das reicht nicht?

Dabei kommen in jedem Jahr Tausende neue Busfahrer auf den Markt. 2022 waren es bundesweit etwa 1100 Busfahrer, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert hatten, die je nach Alter und Berufserfahrung zwei oder drei Jahre dauert, sagt der VDV. Die Industrie- und Handelskammern zählten 2022 bundesweit etwa 7600 Busfahrerinnen und -fahrer, die dort die „Grundqualifikation“ zum Berufskraftfahrer im Personenverkehr erworben haben. Beim bdo kommentiert Sprecher Dreier die Zahl mit Skepsis: „Wir wissen nicht, wo diese Leute landen“, sagt er und behauptet: „Viele kommen davon im Markt nicht an, wir merken es jedenfalls nicht.“

Die Verbände machen sich stark dafür, Hürden zu senken, etwa um leichter Personal aus dem Ausland einsetzen zu können, auch von außerhalb der EU. Doch auch die Ausbildung soll vereinfacht werden, fordern die Verbände: „Wir arbeiten mit Partnerverbänden auf EU-Ebene an notwendigen Reformen“, sagt Dreier.

Weniger Stunden beim Bus-Führerschein, Mindestalter für Fahrpersonal senken

„Im Fokus steht die aktuell laufendende Überarbeitung der Führerschein-Richtlinie.“ Durch die Zusammenlegung der Führerscheinausbildung und der Berufskraftfahrerqualifikation „2 in 1“ „könnte der größte Effekt erzielt werden“, glaubt man beim bdo, um leichter neues Fahrpersonal zu gewinnen. Auch fordern die Verbände, das Mindestalter für Busfahrer abzusenken: „Durch die strengen Vorschriften können Busfahrer erst ab 23 Jahren flexibel eingesetzt werden“, erklärt Dreier. Wer jünger ist, darf derzeit „nur kleine Busse, Busse ohne Fahrgäste oder nur im Linienverkehr bis 50 Kilometer Fahrstrecke fahren“, erläutert Dreier: „Diese Beschränkungen sind für junge, motivierte Fahrerinnen und Fahrer nicht attraktiv.“

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Uneins sind die Verbände VDV und bdo in Sachen Führerscheinausbildung: Führerschein-Pflichtstunden müssten „dringend“ reduziert werden, sagt der bdo. Begründung: „Derzeit müssen viele Prüfungsreife noch verbleibende Pflichtstunden absitzen, was unnötige Kosten und Zeit in Anspruch nimmt.“ Der VDV lehnt Abstriche bei der Qualität der Bus-Fahrausbildung dagegen ab.

Autonomes Fahren das Ende des Busfahrer-Mangels?

Das Berufsbild von Busfahrern könnte sich in Zukunft indes gewaltig ändern, sagt der VDV: „Digitalisierung und Automatisierung werden einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung des Mangels an Fahrpersonalen leisten können“, heißt es in einem Konzeptpapier des Verbandes. Wenn sich in den kommenden Jahren das autonome Fahren auch auf Busse ausweite, so erwartet man es jedenfalls beim VDV, „dann sind Fahrerinnen und Fahrer in der heutigen Größenordnung nicht mehr erforderlich.“ Aber sie würden an anderer Stelle mit neuen Aufgabenfelder benötigt, sagt VDV-Sprecher Lars Wagner.

Den Mangel an Fahrpersonal beseitigen, heiße laut Wagner, in diesem Zusammenhang: Arbeitsplätze würden durch Digitalisierung und Automatisierung attraktiver, Mitarbeiter müssten dann aber auch qualifiziert werden, „um aus dem Beruf des Busfahrers herauszuwachsen und andere Aufgaben zu übernehmen.“

>>> Service: Online-Stellenportale für Busfahrer-Jobs

Das Portal www.in-dir-steckt-zukunft.de ist ein Angebot der „Allianz pro Schiene“, ein Zusammenschluss von 22 Bahn-Unternehmen, den Bahn-Gewerkschaften GDL und EVG und Verbänden und Organisationen wie etwa BUND, ADFC oder Nabu. Der Stellenmarkt will die gesamte Mobilitätsbranche abdecken, also nicht nur den Mangel-Beruf Lokführer. Es gibt auch privatwirtschaftliche Spezial-Stellenbörsen mit dem Fokus auf Busfahrpersonal, wie etwa www.busfahrer-gesucht.de oder truckerboerse.net.