Hamburg/Lübeck. . Das Windenergie-Unternehmen Prokon steckt in einem der größten Insolvenzfälle in Deutschland. Am 22. Juli werden die Gläubiger über einen Insolvenzplan debattieren. Gegen Prokon-Gründer Rodbertus ermittelt die Staatsanwaltschaft. Anlegerschützer sind alarmiert.
Gegen den Gründer der zahlungsunfähigen Windenergie-Firma Prokon Regenerative Energien, Carsten Rodbertus, ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck wegen Insolvenzverschleppung. Nach einem Anfangsverdacht seien nun offizielle Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Unternehmens eingeleitet worden, sagte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm. Es werde auch wegen weiterer Wirtschaftsdelikte ermittelt, Details dazu wollte sie nicht nennen. Die Behörde hatte nach mehreren Strafanzeigen geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges bestand.
Der frühere Prokon-Geschäftsführer war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Rodbertus hat im Internet eine Homepage der "Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von Prokon" eingerichtet. Als Sitz wird im Impressum Hohenaspe angegeben, das liegt bei Itzehoe (Schleswig-Holstein), wo Prokon seinen Firmensitz hat.
75.000 Prokon-Anleger bangen um ihr Geld
In der kommenden Woche (22.7.) sollen Prokon-Gläubiger bei einer Versammlung in den Hamburger Messehallen dem Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin den Auftrag für einen Insolvenzplan erteilen. 75.000 Anleger hatten dem Unternehmen rund 1,4 Milliarden Euro als Genussrechtskapital bereitgestellt. Sie hatten auf hohe Renditen gehofft.
Wegen der "Unmenge von Datenmaterial" rechnet die Oberstaatsanwältin damit, dass die Ermittlungen mindestens ein Jahr dauern werden. Es seien sehr viele Bewertungsfragen zu klären, ergänzte Haker-Alm. Die Staatsanwaltschaft muss unter anderem herausfinden, wann genau der Zeitpunkt einer Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Der Insolvenzantrag war am 22. Januar 2014 beim Amtsgericht Itzehoe (Schleswig-Holstein) gestellt worden.
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Für die Gläubigerversammlung sammeln derzeit Anlegervertreter Vollmachten ein, um die Kapitalgeber bei der Versammlung zu vertreten. Auch Ex-Geschäftsführer Rodbertus ist diesbezüglich aktiv. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hatte Rodbertus entlassen. Penzlin ist überzeugt, dass im Insolvenzverfahren das Kerngeschäft - Planung und Betrieb von Windparks - erhalten bleiben kann. Er hat sich gegen "bewusst irreführende" Darstellungen und "Unwahrheiten" des Gründers mit "Richtigstellungen" gegenüber den Anlegern gewehrt.
Aktionärsschützer warnen vor Rodbertus-Plan
Rodbertus hält Penzlin vor, das Unternehmen zerschlagen zu wollen und strebt selbst an, es zu sanieren und als Ganzes zu erhalten. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnen vor dem Vorgehen des Ex-Chefs. Auch der Verein "Freunde von Prokon" (FvP), dem 8500 Anleger beigetreten sind, lehnt eine weitere Zusammenarbeit mit Rodbertus ab. Er will sich dafür einsetzen, dass Penzlin am 22. Juli als Insolvenzverwalter bestätigt wird.
Prokon hat mehr als 50 Windparks im Portfolio. Die Firma ist auch an verschiedenen anderen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien beteiligt. In dem Unternehmen sollen rund 300 Arbeitsplätze der einst 480 erhalten bleiben.
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Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Prokon Regenerative Energien GmbH war am 1. Mai eröffnet worden, weil das Unternehmen nach Gerichtsangaben überschuldet und zahlungsunfähig ist. Die Anleger werden nach bisherigen Angaben des Insolvenzverwalters rund 40 bis 70 Prozent (Insolvenzquote: 30 bis 60 Prozent) ihres Kapitals verlieren. Das Landgericht Itzehoe hielt am Dienstag nochmals fest: Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig im Sinne der Insolvenzordnung (§ 17 Absatz 2 Satz 1 InsO).
Verschieden Möglichkeiten für die Anleger
Der Insolvenzverwalter hat sich mit den drei großen Gläubigergruppen - DSW, SdK und FvP - auf die Weiterführung des Unternehmens verständigt. Nach den Eckpunkten dieses Insolvenzplans gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Anleger. Danach könnten sie letztlich entweder Gesellschafter bleiben oder aus dem Unternehmen aussteigen. Darüber werden die Kapitalgeber am nächsten Dienstag entscheiden. Noch ist offen, wie viele Stimmen die jeweiligen Gruppierungen vertreten werden.
Die DSW hält den Stimmrechte-Sammler, den der Ex-Prokon-Chef empfiehlt, aller "Wahrscheinlichkeit nach" für dessen Strohmann. Dadurch ergebe sich ein Interessenskonflikt, da der Geschäftsführer der Schuldnerin (also Rodbertus) als Gläubigervertreter in einem Insolvenzverfahren ausgeschlossen wäre, teilte die DSW am Dienstag mit. Nach ihrer Auffassung hat der Gründer ein "überragendes eigenes finanzielles Interesse daran, dass Insolvenzverfahren selbst zu beherrschen."
Auch die SdK lehnt die Pläne von Rodbertus ab. Sie brächten den Anlegern letztlich den Totalverlust, sagte SdK-Vorstandsmitglied Daniel Bauer. Und schließlich sei Rodberuts einer der Hauptverantwortlichen für die vom Insolvenzverwalter bestätigte schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Bei der DSW sind mittlerweile rund 4000 Prokon-Anleger registriert. Von der Sdk lassen sich rund 1000 vertreten. (dpa)