Berlin. . Städte haben unterschiedliche Erfahrungen mit der Rekommunalisierung der Stromnetze gesammelt. Einwohner des Landes Berlin stimmen darüber am Sonntag ab. Die Energieexpertin Claudia Kemfert jedenfalls ermuntert die Wähler: „Wer die Netze hat, hat die Macht“, sagt sie.
Normalerweise interessieren die Stromleitungen niemanden. Zwar liegen sie unter fast jedem Bürgersteig. Das fällt jedoch nur auf, wenn ein Baggerfahrer sie mal aus Versehen zerreißt und ganzen Straßenzügen das Licht ausknipst.
Und jetzt kommt Claudia Kemfert, die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, und sagt: „Wer die Netze hat, hat die Macht“. Die Aktivisten des Berliner Energietisches finden Claudia Kemfert deshalb toll. Auch für sie sind die tausenden Kilometer Kabel im Berliner Untergrund ein potenzieller Hebel für die Energiewende. Deswegen wirbt der Energietisch dafür, dass die Bürger beim Volksentscheid am 3. November auch für den Kauf des Netzes stimmen sollen.
Rekommunalisierung
Aber hat die teure Rekommunalisierung des Stromnetzes überhaupt Sinn? Andere große Städte in Deutschland machen unterschiedliche Erfahrungen. Fall 1: Vergleichbar mit Vattenfall in Berlin besitzt in Stuttgart die Aktiengesellschaft EnBW die Stromleitungen. Die Aktien der AG liegen zwar mehrheitlich in öffentlichem Besitz, gegenüber der Stadt Stuttgart tritt der Konzern jedoch wie ein privates Unternehmen auf. Das ist ein Grund, warum die Landeshauptstadt versucht, das Netz in ihr Eigentum zurückzuholen.
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Köln als zweites Beispiel hat ein kommunal-privates Mischmodell: Dort betreibt eine Gesellschaft die Kabel, die mehrheitlich in der Hand der Stadt ist. 20 Prozent der Anteile gehören dem Energiekonzern RWE. In München sind Stromkabel und Kraftwerke komplett in der Hand der kommunalen Stadtwerke.
Stuttgart
Wenn man die EnBW fragt, wie sie das Stuttgarter Netz für die Energiewende fit machen wollen, nennt Sprecher Hans-Jörg Gorscurth einige Projekte, darunter ein Vorhaben, um Ökostrom vorübergehend in Stromheizungen zu speichern. Die Herausforderung der Energiewende besteht ja darin: Während Atom- und Kohlekraftwerke permanent Energie produzieren, fließen Wind- und Solarstrom nicht regelmäßig. Dieses schwankende Angebot muss man mit der Nachfrage nach Strom koordinieren. Es geht darum, Strom zu speichern, Reservekraftwerke zu- und abzuschalten oder auch den Verbrauch zu steuern. Angebot und Nachfrage flexibel gestalten soll später das intelligente Stromnetz.
Diese Notwendigkeit kennt auch EnBW. „Bisher ist aber kaum etwas passiert“, sagt Peter Pätzold, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stuttgarter Stadtrat. Unter der Ägide einer kommunalen Netzgesellschaft hofft er für die Zukunft auf schnellere Fortschritte in Richtung des intelligenten Netzes. Wobei Pätzold betont, dass der Gestaltungsspielraum beim Stromtransport eher gering sei. Trotzdem plädiert er dafür, das Netz in kommunale Hand zu übernehmen. Dann ließen sich Investitionen tätigen, die sich „nicht sofort rechnen“.
Köln
„Man sollte nicht der Illusion erliegen, dass die Energiewende mittels des Netzes entscheidend vorankommt“, sagt Gerd Brust von der Grünen Ratsfraktion in Köln. „Die Netzgesellschaft leitet die Energie nur durch“, viel wichtiger sei jedoch die Art ihrer Produktion. Doch auch Brust sieht Vorteile darin, wenn die Netzgesellschaft komplett in öffentlicher Hand wäre: „Dann würde der gesamte Gewinn aus dem Stromnetz“ an die Stadt fließen.
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München
Ähnlich betrachtet es Sabine Krieger, die Energieexpertin der Grünen im Münchner Stadtrat. Die bayerische Landeshauptstadt kontrolliert sowohl das Netz, als auch die Stromproduktion zu 100 Prozent. Trotzdem spricht Krieger vor allem über die Herstellung der Elektrizität – über Windparks und Solaranlagen. Wichtig ist Krieger das Netz augenblicklich vor allem aus einem Grund: „Es bringt Geld“. Und diese Mittel kann die Stadt so einsetzen, wie sie es für richtig hält, ohne private Anteilseigner fragen zu müssen.
Berlin
Das Netz bringt Geld. Das Land Berlin könnte damit unter dem Strich Gewinn einfahren. Denn wie heute von Vattenfall erhielte das Land Berlin auch künftig vom eventuell öffentlichen Netzbetreiber die Konzessionsabgabe. Diese liegt in der Größenordnung von 140 Millionen Euro jährlich. Hinzu käme aber der Gewinn aus dem Betrieb des Netzes. 30 Millionen könnte der Senat mehr auf dem Konto haben.