Essen. . RWE-Chef Peter Terium warnt vor Stromengpässen, weil Kohle- und Gaskraftwerke vom Netz gehen. Experten wie Claudia Kemfert vom DIW vermuten politisches Kalkül. Auch IGBCE-Chef Michael Vassiliadis übt Kritik. Er spricht vom „Verdacht einer energiepolitischen Angstmache“.

Schon seit einiger Zeit ist von einem Januar-Problem die Rede. Wenn der Wind nicht weht und Solaranlagen von Schnee bedeckt sind, fällt ein Großteil der erneuerbaren Energien zur Stromproduktion aus. In der Regel springen Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke ein. RWE-Chef Peter Terium warnt nun vor möglichen Strom-Blackouts, weil mehr und mehr herkömmliche Kraftwerke abgeschaltet werden und nicht für den Notfall zur Verfügung stehen.

„Schon in den vergangenen beiden Wintern war die Lage angespannt. Nun gehen überall in hohem Tempo weitere Anlagen vom Netz“, sagte der Chef des Essener Energieversorgers der „Süddeutschen Zeitung“. Engpässe seien zu befürchten.

Kraftwerke schreiben Verluste

Tatsächlich prüfen große Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall die Stilllegung zahlreicher Kraftwerksblöcke. Die Unternehmen reagieren darauf, dass die Stromerzeugung in vielen Kohle- und Gaskraftwerken nicht mehr rentabel ist, da es mittlerweile viel Ökostrom gibt, der die klassischen Großanlagen vom Markt verdrängt. Denn Strom aus Sonne oder Wind wird mit Vorrang ins Netz eingespeist. „Unser Anlagen stehen häufig still“, berichtet Terium. „30 bis 40 Prozent der Anlagen schreiben Verluste.“

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Umstritten ist, ob es durch die geplanten Kraftwerksstilllegungen zu den befürchteten Stromausfällen kommen wird. „Warnungen vor einem Blackout in Deutschland sind unberechtigt“, urteilt jedenfalls Claudia Kemfert, die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

„Wir haben ausreichend Strom. Die Lichter werden sicher nicht ausgehen“, sagte Kemfert im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Stabilität der Stromnetze sei nicht in Gefahr, wenn jetzt unrentable Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden. Auch Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE, kritisierte die Warnungen des RWE-Chefs vor einem Blackout. „Wer sich dem Verdacht einer energiepolitischen Angstmache aussetzt, gewinnt nicht an Glaubwürdigkeit“, sagte Vassiliadis dieser Zeitung.

„Keine uneingeschränkte Entwarnung“

Klar ist, dass es starke regionale Unterschiede gibt. „Gerade in NRW gibt es eine hohe Kraftwerksdichte, auch im Norden und Osten ist die Situation entspannt“, erläutert Kemfert. „Anders sieht es im Süden der Republik aus, wo große Kernkraftwerke vom Netz gehen.“

Daher gibt es bereits eine Art Abschaltverbot für „systemrelevante Kraftwerke“. Die Unternehmen müssen bestimmte Anlagen betriebsbereit halten, bekommen dafür aber eine Entschädigung. Zahlen müssen dafür am Ende die Stromkunden. Ein Beispiel für dieses Modell liefert das Eon-Gaskraftwerk im bayerischen Irsching.

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Die Bundesnetzagentur soll dafür sorgen, dass auch im Winter nicht die Lichter in Deutschland ausgehen. Behördenchef Jochen Homann sagte unlängst, im Stromnetz werde es zunehmend eng, „so dass es keine uneingeschränkte Entwarnung geben kann“.

Konzerne hoffen auf Subventionen

Kurz nach der Bundestagswahl hatte der Regionalversorger Enervie aus Hagen alle konventionellen Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet. „Wenn wir unsere Kraftwerke nicht betreiben, gehen wir davon aus, dass Südwestfalen innerhalb von 24 Stunden einen Blackout erlebt“, warnte Enervie-Manager Ivo Grünhagen.

Der Fall liegt bei der Netzagentur. „Enervie spekuliert wohl darauf, dass die Kraftwerke als systemrelevant eingeschätzt werden und am Ende Prämien für den Erhalt gezahlt werden“, sagte dazu Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung.

Ein ähnliches Kalkül vermutet Claudia Kemfert bei RWE-Chef Peter Terium. „Die Intention der Versorger, die vor Stromausfällen warnen, ist klar“, sagt Kemfert. „Sie hoffen auf Subventionen für unrentabel gewordene Kraftwerke. Aber der Staat sollte nicht unternehmerische Fehlentscheidungen belohnen. Dass sich der Energiemarkt radikal ändern würde, ist seit Jahren klar.“