Mülheim. .

Der Energiekonzern RWE wird – vorbehaltlich der vorhersagbaren Zustimmung des Rates – weiterhin das Stromnetz in Mülheim unter seiner Regie haben. Der Hauptausschuss des Stadtrates gab der Verwaltung gestern gegen die Stimmen von MBI, Grünen und Wir-Linke grünes Licht, einen mit RWE bereits ausgehandelten Konzessionsvertrag mit einer Laufzeit von 17 Jahren, allerdings mit der Option für einen vorzeitigen Ausstieg der Stadt, zu unterschreiben.

Die Diskussion um die vom Essener Energieriesen gewünschte vorzeitige Verlängerung des eigentlich erst 2014 auslaufenden Konzessionsvertrages hatte für reichlich Wirbel im Mülheimer Politikbetrieb geführt. Mit der Konzession hat der Inhaber eine Art Wegerecht, im Stadtgebiet ein Stromnetz zu unterhalten und zu pflegen. Die Unternehmen, die Strom durch das Netz zum Endverbraucher leiten, zahlen an den Konzessionär Netz-Nutzungsentgelte.

Die Stadt war gewillt, dem RWE-Wunsch auf vorzeitige Verlängerung der Konzession zu entsprechen, sah sich beim Platzhirschen auch bestens aufgehoben. CDU und SPD stimmten im Juli 2010 einem Schnellverfahren zur Neuvergabe der Konzession zu. Sehr zum Verdruss mindestens von Grünen und MBI, die einen alternativen Netzbetrieb ordentlich geprüft sehen wollten.

Am Ende nur ein Bieter

Im Kern ging es darum, ob die Medl sich um das lukrative Geschäftsfeld bemühen sollte. Immerhin lockten im Netzbetrieb trotz Regulierung weiter Renditen von 8 bis 9 %, damit Entlastung auch für den städtischen Haushalt. Der Medl als Energiedienstleisterin mit städtischer Mehrheitsbeteiligung versprach es eine bedeutsame strategische Weiterentwicklung. Medl-Geschäftsführer Gerd Bachmann hätte wohl zugeschlagen, wenn nicht die Medl-Gesellschafter (Stadt und RWE-Tochter Rhenag) gewesen wären.

Der Chef der städtischen Beteiligungsholding, Dr. Hendrik Dönnebrink, hatte den Einstieg ins Geschäft stets abgelehnt: a) weil durch den Kauf der von RWE geschaffenen Infrastruktur zu viele Millionen Euro fremd zu finanzieren gewesen wären und dies die Kreditbeschaffung in anderen Bereichen erschwere, b) weil Risiken hinsichtlich des Kaufpreises für die Übernahme des bestehenden Netzes bestünden und c) weil RWE laut Altvertrag nicht verpflichtet sei, umfassend über den Zustand des Netzes und Investitionsbedarfe zu informieren.

Letztlich gab die Medl nach politisch erzwungener Interessenbekundung im Bieterverfahren kein Angebot mehr ab. Auch vier weitere Interessenten, darunter die Stadtwerke Duisburg, machten einen Rückzieher. So trudelte bis zum Ende der Bieterfrist am 28. Oktober 2011 ein Angebot ein: das von RWE.

Die Stadt verhandelte noch mal mit dem Energiekonzern, weil sie Nachbesserungsbedarfe hinsichtlich künftiger Informationspflichten von RWE sah, ebenso etwa beim Betriebs- und Investitionskonzept. Herausgekommen ist ein Vertragswerk, über das BHM-Chef Dönnebrink urteilt: „Wir haben das Optimum für uns rausgeholt.“ Man sei für eine mögliche künftige Entscheidung zur Übernahme des Netzbetriebs nun „sehr gut aufgestellt“, die Stadt habe hinsichtlich der vertraglich fixierten Informationspflichten und des möglichen Kaufpreises „alle Hebel in der Hand“. In den Verhandlungen sei es gelungen, mehr herauszuholen als das, was Musterverträge des Verbands kommunaler Unternehmen vorsähen.

Zuletzt acht Mio im Jahr

Tatsächlich wird die Stadt zwar einen Vertrag für die Dauer von 2015 bis 2031 unterschreiben. Bereits nach acht Jahren hat sie aber das Recht, den Vertrag aufzukündigen, um möglicherweise selbst das Zepter im Netzbetrieb zu übernehmen – zum Ertrags- oder Sachzeitwert, je nachdem, was für die Stadt günstiger ist. RWE wird verpflichtet, die notwendigen Informationen zum Netz zur Kaufentscheidung vorzulegen, die mindestens die Vorgaben eines Leitfadens von Bundeskartellamt und -netzagentur erfüllen bzw. die jeweils gültigen Festlegungen der Bundesnetzagentur.

Für den Kämmerer von besonderer Bedeutung: RWE ist verpflichtet, an die Stadt jährlich eine höchstzulässige Konzessionsabgabe abzuführen. So kassierte die Stadt zuletzt acht Mio Euro pro Jahr.

Hintergrund
RWE will „in den nächsten Jahren“, eine genaue Festlegung traf ein Konzernsprecher gestern nicht, zusätzlich zum üblichen Wartungs- und Instandhaltungsaufwand rund 20 Mio Euro ins Mülheimer Stromnetz investieren. Ziel ist der weitere Ausbau eines „intelligenten Stromnetzes“, das auch den Anforderungen der Energiewende genügt, insbesondere der dezentralen Einspeisung alternativer, regenerativer Energie.

Insgesamt will RWE die Möglichkeiten der Fernüberwachung und -steuerung verbessern. Dazu sollen etwa neue Schwerpunktstationen zwischen den Umspannanlagen und den kleinen C-Stationen aufgebaut werden, über die der Strom in einzelne Straßen und Häuser geleitet wird. Darüber hinaus will der alte und neue Netzbetreiber ein neues Leitstellenkonzept umsetzen, um bei Störfällen schneller reagieren zu können.