Essen. Der angeschlagene Industriekonzern Thyssen-Krupp hat einen neuen Großaktionär. Der europäische Finanzinvestor Cevian Capital ist mit einem Anteil von 5,19 Prozent bei dem Dax-Konzern eingestiegen. Nach Auffassung des Private-Equity-Unternehmens ist Thyssen-Krupp in Wirklichkeit mehr wert als der Aktienkurs derzeit widerspiegelt.
Der angeschlagene Thyssen-Krupp -Konzern ist ins Visier von Finanzinvestoren geraten. Neuer Großaktionär bei den Stahlkochern ist der schwedische Investor Cevian, der sich bereits über fünf Prozent der Stimmrechte gesichert hat, wie er am Mittwoch mitteilte. Doch dabei soll es nicht bleiben: "Cevian schließt nicht aus, seinen Anteil in Zukunft zu erhöhen", sagte eine Cevian-Sprecherin am Mittwoch zu Reuters - an eine komplette Übernahme sei aber nicht gedacht, betonte sie.
"Mit Cevian Capital als neuem Investor gewinnen wir einen renommierten, europäischen Großaktionär, der auch in Deutschland über umfangreiche industrielle Erfahrung verfügt", empfing Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger Cevian mit offenen Armen. "Wir freuen uns, dass Cevian auf den vom Vorstand eingeschlagenen Weg vertraut und damit die strategische Weiterentwicklung des Konzerns unterstützt".
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Cevian gilt als aktiver Investor, der sich ins Konzerngeschehen einmischt. Die Frage nach einem Mandat im Aufsichtsrat stelle sich aber "zurzeit nicht", sagte die Sprecherin. Dennoch: Der Einstieg könnte Spekulationen auf eine Zerteilung des Konzerns befeuern, erklärten Analysten der DZ Bank. Anders als das Stahl- wirft das Technologiegeschäft des Konzerns solide Gewinne ab. Der Einstieg von Cevian sei "bei anderen Unternehmen in der Vergangenheit nicht zum Nachteil der Aktionäre gewesen", sagte Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel. "Im Gegenteil, es ist in der Regel nach Cevians Einstieg zu einer nachhaltigen Wertsteigerung gekommen." Darauf hoffen nun auch die Anleger: Thyssen-Krupp-Aktien legten am Morgen um 3,54 Prozent auf 18,12 Euro zu.
Verkauf des Thyssen-Krupp-Werks in Brasilien steht auf der Kippe
Thyssen-Krupp bereitet Finanzkreisen zufolge eine Kapitalerhöhung vor. Das Management habe dazu bereits vor Wochen mit Finanzinvestoren Kontakt aufgenommen, hatte Reuters von Insidern erfahren. Cevian würde wohl bei einer Kapitalerhöhung mitziehen - die zugleich den Anteil der klammen Krupp-Stiftung verwässern könnte. Diese verfügt mit einem Anteil von zuletzt 25,33 Prozent über eine Sperrminorität und gilt damit als Bollwerk gegen eine Übernahme oder Zerschlagung des Konzerns. Die Cevian-Sprecherin sagte auf die Frage, ob der Investor sich an einer Kapitalerhöhung beteiligten werde, lediglich "kein Kommentar". Von der Krupp-Stiftung war zunächst keine Stellungnahme zum Einstieg Cevians zu erhalten.
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Hiesinger wollte die Kapitalerhöhung ursprünglich erst nach einem erfolgreichen Verkauf der hoch defizitären Überseestahlwerke durchziehen. Doch die Veräußerung der Werke in den USA und Brasilien, die Milliarden-Verluste eingefahren hatten, läßt weiter auf sich warten. Der Verkauf des Werks in Brasilien stehe auf der Kippe, möglicherweise könne Hiesinger nur das Werk in den USA losschlagen, hatte ein Insider zuletzt berichtet. Nach diversen Abschreibungen hat der Konzern die über zwölf Milliarden Euro teuren Stahlwerke in Brasilien und den USA noch mit 3,4 Milliarden in den Büchern. Doch das kann der Konzern als Verkaufspreis nach Einschätzung von Analysten bei weitem nicht mehr erzielen.
Hiesinger kämpft am vielen Fronten. In den ersten neun Monaten des in wenigen Tagen endenden Geschäftsjahrs fuhr der Konzern 1,2 Milliarden Euro Verlust ein, die Schulden summieren sich auf 5,3 Milliarden Euro und mit einer Eigenkapitalquote von 8,0 Prozent ist der Konzern Schlusslicht im Dax. Eine Milliarden-Kreditlinie hätte zuletzt wegen des Verstoßes gegen Verschuldungsvereinbarungen durch ein Banken-Konsortium aufgekündigt werden können - doch die Institute drückten ein Auge zu.
Bei Bilfinger engagiert sich Cevian bereits
Die Krupp-Stiftung ist auf Dividenden von Thyssen-Krupp angewiesen. Zuletzt ging sie aber - wie alle übrigen Aktionäre - leer aus. Bei einem Verlust von fast fünf Milliarden Euro 2011/12 gab es nichts zu verteilen.
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Der schwedische Investor Cevian, für den auch der ehemalige Daimler-Vorstand und Metro-Chef Eckhard Cordes arbeitet, wurde 2002 von Lars Förberg und Christer Gardell gegründet. Cevian kauft nach eigener Auskunft typischerweise zehn bis 15 Prozent an Unternehmen mit zwei bis zehn Milliarden Euro Umsatz. Beim Baudienstleister Bilfinger ist Cevian in Deutschland etwa bereits engagiert. Der größte Coup von Cevian in Deutschland war der Kranbauer Demag Cranes. Die Schweden hatten den Konzern als Übernahmekandidaten ausgemacht und stiegen mit zehn Prozent ein. Mit tatkräftiger Hilfe des Großaktionärs kam es nur ein Jahr danach zur Übernahme durch den US-Baumaschinenkonzern Terex - und Cevian hatte seinen Einsatz verdoppelt. (rtr/dpa)