Essen. . Klaus-Peter Müller, Chef der einflussreichen Kodex-Kommission, setzt auf mehr Macht der Aktionäre. Gesetzliche Vorgaben lehnt er aber strikt ab. „Ich habe auch noch keinen Politiker gehört, der vorgeschlagen hat, die Spielergehälter in Millionenhöhe von Schalke 04 oder Borussia Dortmund per Bundesgesetz zu deckeln“, sagt Müller.
Wenn es um das Thema Managergehälter geht, gehört die Regierungskommission für gute Unternehmensführung („Corporate Governance“) zu den ersten Adressen in Deutschland. An der Spitze des Gremiums steht Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratschef der Commerzbank. Er gibt gewissermaßen der Wirtschaft eine Stimme. Die Entscheidungen der Kommission, die einen Kodex entwickelt hat und regelmäßig aktualisiert, haben mehr als nur Signalwirkung. Meist halten sich die Unternehmen an die Spielregeln, die das Expertengremium vorgibt.
In der Kodex-Kommission gibt es derzeit erheblichen Gesprächsbedarf. Viele Vorstandschefs der Dax-Konzerne konnten sich 2012 über mehr Geld freuen. Das dürfte die Debatte über hohe Managergehälter wenige Monate vor der Bundestagswahl neu befeuern.
Die Schweizer haben entschieden, dass künftig die Aktionäre die Löhne der Top-Manager festlegen sollen. In Deutschland hat das Votum der Hauptversammlung an dieser Stelle nur unverbindlichen Charakter. Künftig möchte Klaus-Peter Müller eine Abstimmung über die Vorstandsgehälter fest als Teil von Hauptversammlungen verankern. Das erläuterte Müller im Interview mit der WAZ Mediengruppe.
Herr Müller, sind die Gehälter der Dax-Vorstandschefs zu hoch?
Klaus-Peter Müller: Wäre dies pauschal so, dann würde die Debatte nicht immer nur um zwei oder drei Vorstandgehälter gehen. Tatsache ist, dass wir tausende von Vorständen in deutschen Unternehmen haben, die eine gute Arbeit machen, angemessen bezahlt werden und deshalb auch kein Thema sind. Und wir haben anscheinend immer wieder Ausreißer, die richtigerweise problematisiert werden. Pauschale Verurteilungen sind nicht nur ungerecht, sondern bringen uns auch nicht weiter, weil sie sogar dem kritikwürdigen Einzelfall helfen, sich hinter dem Pauschalurteil zu verstecken.
Was halten Sie von Gehaltsobergrenzen?
Müller: Von unternehmensspezifischen Obergrenzen, die auch transparent kommuniziert werden, halte ich viel. Daher hat die Regierungskommission, die Regeln guter Unternehmensführung für börsennotierte Unternehmen empfiehlt, auch eine Regel für die Definition unternehmensspezifischer Gehaltsobergrenzen bereits vor Wochen auf den Tisch gelegt. Darüber hinaus haben wir Vorschläge unterbreitet, wie die Darstellungsweisen der Gehaltssysteme in den Geschäftsberichten für alle noch transparenter und vergleichbarer gestaltet werden können. Das Echo auf unsere Vorschläge, sowohl von den Unternehmen wie auch Aktionärsvertretern, ist durchaus positiv.
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Sollte es gesetzliche Regeln zur Begrenzung der Vorstandsgehälter geben?
Müller: Eine gesetzliche Deckelung von was auch immer für Gehälter wäre ein schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte und wäre mit den Grundprinzipien unserer Sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar. Es ist und muss Sache der Eigentümer bleiben, für was und wie viel Geld sie ausgeben wollen. Ich habe auch noch keinen Politiker gehört, der vorgeschlagen hat, die Spielergehälter in Millionenhöhe von Schalke 04 oder Borussia Dortmund per Bundesgesetz zu deckeln.
Mir ist übrigens auch nicht bekannt, dass Spieler bei Nichterreichen der Vereinsziele über eine Malusklausel am Ende der Saison wieder Gehalt zurückzahlen müssen oder gar über vier oder mehr Jahre gestreckte Prämien erhalten. Eine Praxis, die bei börsennotierten Unternehmen heute schon zum Alltag gehört, da das Management nicht nur am Erfolg, sondern auch am Misserfolg beteiligt werden soll.
Müller: Keine gesetzliche Regelung für Managergehälter
Im Gespräch ist auch, die steuerliche Absetzbarkeit von Vergütungen, Boni und Abfindungen in den Unternehmen zu begrenzen. Eine gute Idee?
Müller: Nein, genauso wenig wie die Tarifautonomie aufzuheben und per Gesetz die Löhne festzulegen. Wo fangen wir an und wo hören wir bei solchen Eingriffen auf? Soll der Deutsche Bundestag dann einen Tarifausschuss für Managergehälter bilden, der dann jährlich über die maximale abzugsfähige Gehaltshöhe beschließt? Natürlich unter Berücksichtigung der zu erwartenden Inflation und des Wirtschaftswachstums und einer Klausel zur Korrektur, wenn die zugrundeliegenden Wirtschaftsvorhersagen nicht eintreffen sollten? Es ist richtig, dass wir eine Debatte über angemessene Vergütung führen und dass sich die Unternehmen dieser Debatte stellen. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis, aber keine Gesetze, die mit den Regeln unserer Sozialen Marktwirtschaft nichts zu tun haben.
Wer verdient so viel wie die Kanzlerin?
Wenn es um die Chefgehälter geht, hat das Votum der Hauptversammlungen in Deutschland nur unverbindlichen Charakter. Muss sich das ändern?
Müller: Die 30 Dax-Unternehmen haben bereits in den vergangenen Jahren die jeweiligen Hauptversammlungen abstimmen lassen, das sogenannte „Say on Pay“. Und hohe Zustimmungen erhalten. Ich bin bereit, der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kommission vorzuschlagen, eine Ergänzung in den Kodex aufzunehmen, die ab 2014 eine Abstimmung der Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung vorsieht und immer dann wiederholt werden muss, wenn es zu wesentlichen Veränderungen bei den Bezügen kommt.
Obwohl dies keine rechtliche Verpflichtung bedeutet, wird sich meiner Meinung nach kein Aufsichtsrat erlauben können, ein Mehrheitsvotum, nicht mal ein starkes Minderheitsvotum zu ignorieren. Es würde unserer Sozialen Marktwirtschaft gut zu Gesicht stehen, wenn erstens die Rechte der Eigentümer gestärkt würden und zweitens die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft dokumentieren könnten, dass es nicht immer einer gesetzlichen Regelung bedarf.
Nicht nur die Vorstandsgehälter steigen. Viele Chefs deutscher Großkonzerne haben sich Pensionsansprüche in Millionenhöhe gesichert – im Einzelfall liegen sie bei knapp 40 Millionen Euro. Ist das noch angemessen?
Müller: Was Angemessenheit ist oder nicht, können nur die Eigentümer bestimmen. Wir wollen mit den neuen Kodexvorschlägen aber dafür sorgen, dass ausreichend Transparenz da ist, Aufsichtsrat und Hauptversammlung noch bessere Informationen für ihre Entscheidungen bekommen. Daher unser Vorschlag, die wichtigen Informationen zur Vorstandsvergütung einheitlich aufzubereiten. Und wir schlagen konkret vor, dass der Aufsichtsrat das jeweils angestrebte Altersversorgungsniveau für den Vorstand definiert und den daraus abgeleiteten jährlichen sowie den langfristigen Aufwand für das Unternehmen berücksichtigt.
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Laut einer Emnid-Umfrage finden 70 Prozent der Menschen in Deutschland, die Managergehälter seien „viel zu hoch“, weitere 21 Prozent nennen sie „etwas zu hoch“. Koppelt sich die Wirtschaftselite vom Rest der Bevölkerung ab?
Müller: Wenn man der Diskussion der vergangenen 14 Tage folgt, dann könnte man den Eindruck bekommen. Aber nochmals: Letztlich wird doch auch in den vielen Talkshows im Vergleich zu der großen Masse von Vorständen in großen und kleinen Unternehmen über weniger als eine Handvoll Ausreißer diskutiert, über die gesprochen werden muss.
Darüber hinaus problematisieren wir Fälle aus den USA oder Großbritannien, auf die auch der Deutsche Bundestag mit einem Gesetz gar keinen Einfluss hätte. Ich plädiere dafür, dass wir uns ernsthaft mit den einzelnen Ausreißern auseinandersetzen und auf der Basis dieser Beispiele an Lösungen und Ideen arbeiten, die uns wirklich weiterbringen, so wie es die Kodexkommission gemacht hat, die schon konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt hat. Wahlkampftaktische Schnellschüsse sind selten nachhaltig.