Essen. . Die Entlastung von der Öko-Stromumlage für energieintensive Betriebe bringt kleinere und mittlere Unternehmen auf: „Da wird getrickst und getäuscht.“ Manche Unternehmen verbrauchten absichtlich mehr Strom, um zu den energieintensiven Betrieben zu gehören, lautet ein Vorwurf.
Da die Lasten der Energiewende ungleich verteilt sind, tobt in Deutschlands Wirtschaft eine Gerechtigkeitsdebatte. Viele Mittelständler fühlen sich als Verlierer der Energiewende. Offen wird auch über Tricksereien bei der Ökostrom-Umlage geklagt.
Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands, Lutz Goebel, kritisiert, dass einige Betriebe durch zweifelhafte Strategien in den Genuss von Vergünstigungen kommen. „Es wird leider getrickst und getäuscht“, sagt Goebel im Gespräch mit dieser Zeitung.
Ein Beispiel: Wenn eine Firmengruppe insgesamt zehn Prozent Energiekosten erreiche, könne eigens eine GmbH gegründet werden – und plötzlich verbuche ein einzelner Betrieb 20 Prozent Energiekosten und erhält damit die Förderung. „Das sind typische Mitnahmeeffekte. Das geht so nicht“, bemängelt Goebel. „Das ärgert natürlich viele Familienunternehmer, die bei sieben, acht Prozent Energiekosten liegen und eine Entlastung bräuchten.“
„Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Lasten“
Eine zentrale Rolle spielt das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Energieintensive Unternehmen genießen bei der Ökostrom-Umlage gewisse Privilegien, von denen in diesem Jahr laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 734 Firmen profitieren. Zum Schutz ihrer Wettbewerbsfähigkeit müssen sie lediglich einen Anteil an der EEG-Umlage zahlen, die zur Förderung der Öko-Energien in Leben gerufen wurde. 2013 dürfte die Zahl entlasteter Unternehmen auf über 2000 steigen.
Im Mittelstand, der oft nicht von den Vergünstigungen profitiert, gibt es Unmut. „Es darf nicht sein, dass es Unternehmen erster und zweiter Klasse gibt“, sagt der Herner Parfümerie-Unternehmer Gerd Pieper im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es gibt gerade im Mittelstand viel zu viele Verlierer der Energiewende.“ Während die Großindustrie unterstützt werde, müssten Handwerk und Einzelhandel die Zeche zahlen. „Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Lasten“, fordert Pieper.
Verbrauchen manche Unternehmen bewusst mehr Strom?
Die Ökostrom-Umlage habe zu „vielen Fehlentwicklungen“ geführt, sagt auch Lutz Goebel, der als Präsident des Familienunternehmer-Verbands die Interessen von mehr als 5000 mittelständischen Firmen vertritt. „Wir können nicht dauerhaft ganze Branchen wie die Photovoltaik am Subventionstropf halten“, sagt er. „Wir können auch nicht wahllos selbst in den entlegensten Gegenden der Republik an jeden Misthaufen Netze bauen und die Kosten auf alle Stromverbraucher abwälzen.“
Vermutet wird auch, dass manche Unternehmen bewusst mehr Strom verbrauchen als nötig, um zu den energieintensiven Betrieben zu zählen. Zuweilen besteht laut Medienberichten der Verdacht, einzelne Unternehmen brächten ihre Maschinen nutzlos auf Hochtouren, um so in den Genuss der Entlastung zu kommen. Es wäre eine Absurdität der Energiewende.
Auch der Hamburger Versandhausunternehmer Michael Otto fordert Einschnitte bei der Befreiung von Firmen von der Ökostrom-Umlage. „Die Ausnahmen sind zu breit gewährt worden. Die muss man deutlich straffen“, sagt er. Nur für energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb sollten Ausnahmen gewährt werden.