Essen. . Der klare Gewinner der neuen Machtstruktur an der Ruhr steht im Hintergrund – und heißt Michael Vassiliadis. Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat es geschafft, die Machtbasis der drittgrößten deutschen Gewerkschaft enorm auszubauen.

Namen sind Nachrichten. Gerade im Ruhrgebiet ist derzeit ein besonders reger Handel von Spitzenpersonalien im Gange: Ob das die Chef-Posten der machtvollen RAG-Stiftung sind oder die neue Führung des Initiativkreises Ruhr, getragen von Schwergewichten aus der Ruhr-Wirtschaft. Werner Müller, einst Wirtschaftsminister und Evonik-Chef, dürfte alsbald an die Spitze des Evonik-Mehrheitseigners RAG-Stiftung rücken; und Evonik-Chef Klaus Engel wird in einem Jahr als Moderator den Initiativkreis führen. Viele neue Köpfe. Der klare Gewinner der neuen Machtstruktur an der Ruhr steht im Hintergrund – und heißt Michael Vassiliadis.

Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat es geschafft, die Machtbasis der drittgrößten deutschen Gewerkschaft enorm auszubauen. Das ist nicht wenig für eine Gewerkschaft, der mit dem Bergbau ein Stützpfeiler wegbricht: 2018 läuft die Steinkohleförderung aus. „Vassiliadis hat die Fäden aufgenommen und ein Netz gesponnen, das die Gewerkschaft in die Zukunft trägt“, sagt ein alter Fahrensmann der IG BCE.

Evonik: unter Freunden

Das Netz ist beeindruckend. Wenn Engel als Moderator den IR übernimmt – am Samstag soll er mit Signal-Iduna-Chef Reinhold Schulte als Co-Moderator gekürt werden – führt ein IG BCE-Partner den Unternehmensverbund. Engel und Vassiliadis haben gemeinsam das Buch „Werte, Wissen, Wachstum“ herausgegeben. Der Evonik-Chef betont in Vorträgen gerne Vorteile und Bedeutung der Sozialpartnerschaft. Zudem ist Vassiliadis jüngst zum Vize-Aufsichtsratschef von Evonik berufen worden. Keine schlechten Voraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander.

Vivawest: schafft Reichtum

Zudem gibt es geschäftliche Verbindungen, die die IG BCE zu einer reichen Gewerkschaft macht. Die IG BCE dürfte mit rund 25 Prozent am Immobilienunternehmen Vivawest beteiligt sein, das mit 130 000 Wohnungen auf einen Wert von 4,4 Milliarden Euro geschätzt wird.

RAG-Stiftung: die Basis

An der Spitze der RAG-Stiftung soll nach dem Willen von Vassiliadis und der SPD ein alter Bekannter stehen: Werner Müller, ehemals Bundeswirtschaftsminister und als RAG-Chef Erfinder des Modells, wonach die Stiftung als Eigentümerin von Evonik die Ewigkeitskosten des Bergbaus absichert. Die Gewerkschaft ist „Königsmacher“ in der Stiftung. Im Aufsichtsgremium, dem Stiftungskuratorium, besetzt die Gewerkschaft drei von 13 Positionen: Vassiliadis, Evonik-Konzernbetriebsratschef Ralf Hermann sowie der einflussreiche und politisch gewiefte Betriebsratschef des Steinkohleförderers RAG, Ludwig Ladzinski.

Regierung: gute Kontakte

Auch die politischen Fäden reichen weit. Vassiliadis duzt sich mit Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU). In Sachen Energie- und Industriepolitik ist er einflussreicher Berater der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). SPD-Fraktionschef Norbert Römer hat als früherer Gewerkschaftssekretär ohnehin gute Verbindungen zur IG BCE.

Steag: Einfluss auf Energie

Die Kontakte zahlen sich aus. So ist die IG BCE zwar aus der führenden Position beim Energieriesen Eon von Verdi verdrängt, auch bei RWE stellt Verdi den Vizeaufsichtsratschef. Umso wichtiger ist da aber, dass Vassiliadis bei dem fünftgrößten deutschen Energieerzeuger, der Essener Steag, Fuß fassen konnte und Vize-Aufsichtsratschef ist. Die frühere Evonik-Tochter Steag gehört mehrheitlich sechs Revier-Kommunen. Und die Landesregierung hat großes Interesse am Wohlergehen der Steag. So hat SPD-Fraktionschef Römer jüngst vorgeschlagen, eine Fernwärmeschienen-Gesellschaft zu bilden. Die Steag, wirtschaftlich in schwerem Fahrwasser, sollte es freuen: Als Fernwärme-Unternehmen würde diese viele neue Anschlüsse bescheren. Auch die RAG umhegt die rot-grüne Regierung, seitdem das Unternehmen sich bei erneuerbaren Energien engagiert.

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So erwächst im Revier eine polit-industrielle Machtstruktur, die nicht bei allen Wohlbefinden auslöst. Römer hatte vor Jahresfrist tief in die industriepolitische Kiste gegriffen, als er die Idee kundtat, die RAG-Stiftung könne ja vielleicht einmal eine „fruchtbare Verbindung“ zwischen Evonik und der Kölner Lanxess organisieren.

Es gab ein großes Hallo, hinter der Hand wurde eifrig abgewunken. Was womöglich auch mit der heftig diskutierten Personalie Müller zu tun gehabt hatte. Im Februar 2010 sagte ein Amtsneuling dieser Zeitung, er würde es begrüßen, wenn die Landesregierung, damals schwarz-gelb gefärbt, eine Neuordnung der Spezialchemie in NRW moderieren würde. Der Amtsneuling hieß Vassiliadis.