Haltern am See. . Der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) Michael Vassiliadis kritisiert die Planlosigkeit der Bundesregierung bei der Energiewende. Ins gleiche Horn stoßen der Bund der Industrie und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die Gewerkschaft IG BCE setzt sich erneut für Werner Müller als Chef der RAG-Stiftung ein.

Der Chef der Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, befürchtet ein Scheitern der Energiewende und greift die Bundesregierung scharf an. „Es fehlt an allen Ecken und Enden an Koordination und Entscheidungen. Wenn das so weitergeht, wird das nichts mit der Energiewende“, sagte Vassiliadis in Haltern am See. In seltener Einigkeit stieß der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) ins gleiche Horn. „Die Energiewende wird nicht durch Reden bewirkt, sondern durch Fakten, und das nimmt die Politik nicht ernst genug“, so BDI-Präsident Hans-Peter Keitel im „Focus“.

Es reiche nicht aus, Kernkraftwerke abzuschalten und Auslaufdaten zu beschließen. „Die Bundesregierung hat aus den Augen verloren, wie groß die Herausforderungen tatsächlich sind“, sagte Vassiliadis. Bei allen wesentlichen Punkten der Energiepolitik – Versorgungssicherheit, wettbewerbsfähige Preise, berechenbare Bedingungen für Investitionen, Fortschritte im Klimaschutz – bleibe die Bundesregierung Antworten schuldig. Vassiliadis forderte erneut die Einrichtung eines Energieministeriums. Auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erneuerte am Wochenende ihre Forderungen nach einem Masterplan für die Energiewende.

Der IG BCE-Chef nannte als Beispiele den zu langsamen Ausbau der Netze. Ebenso sei es ein Unding, wenn abgeschaltete Atomkraftwerke durch „Alt- und Uraltkraftwerke“ oder wie im Dezember gar durch ein österreichisches Ölkraftwerk ersetzt würden. Die IG BCE werde es nicht zulassen, auch aus ethischen Gründen, dass Atomstrom eingeführt wird. „Das wäre eine Wende ins energiepolitische Absurdistan.“ Berlin müsse zudem die Photovoltaik-Förderung umstellen auf die Unterstützung von Forschung und Technologieprojekten.

Brüssel will offenbar deutsche Ökostrom-Förderung auf Griechenland ausweiten

„Wir erwarten, dass die Milliarden, die uns die Energiewende kostet, nicht einfach als Beschäftigungsprogramm nach Fernost abfließen.“ Die Preissteigerungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), dem zufolge die Stromverbraucher die milliardenschwere Förderung von Wind- und Solarstrom über ihre Stromrechnungen bezahlen, drohten gerade jene Industrien zu treffen, die für das Gelingen der Energiewende nötig seien.

Laut Nachrichtenmagazin „Spiegel“ will die EU-Kommission hingegen die deutsche Ökostrom-Förderung auf griechische Unternehmen ausweiten, die Wind- oder Solarstrom ins europäische Netz einspeisen. Damit würden die deutschen Stromverbraucher für den Aufbau der Ökostrom-Industrie in Griechenland bezahlen. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnte den Vorstoß gestern umgehend ab.

Die IG BCE, so Michael Vassiliadis weiter, werde künftig stärker eigene Vorschläge in die Debatte einbringen. Man werde ein jährliches „Innovationsforum Energiewende“ installieren und die Wissenschaft einbinden, um Aussagen über die Kosten der Energiewende und die Folgen für Arbeitsplätze abschätzen zu können.

IG BCE spricht sich für Werner Müller Chef der RAG-Stiftung aus

IG BCE-Chef Vassiliadis hat sich erneut für den früheren Bundeswirtschaftsminister und Ex-Evonik-Chef Werner Müller als Vorstandschef der RAG-Stiftung ausgesprochen. Er habe dem Vorsitzenden des Stiftungskuratoriums, Ulrich Hartmann, dies schriftlich übermittelt. „Der Brief liegt auf dem Tisch, und da bleibt er auch“, so Vassiliadis mit Blick auf die Kuratoriumssitzung im März. Einen anderen Personalvorschlag gebe es derzeit nicht. Der Stiftungschef müsse Erfahrung in der Führung industrieller Unternehmen und im politischen Raum haben sowie Kenntnisse des Stiftungsauftrags. „Wir sind offen für Vorschläge, aber diese Kriterien sind bindend.“ Auf Müller träfen sie zu.

Im NRW-Landtag wurde zuletzt auch Ex-IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt als Kandidat gehandelt. Auf die Frage, ob die Kriterien auch auf einen IG-BCE-Chef zuträfen, antwortete Vassiliadis: „Der hat kein Unternehmen geleitet.“ Zu Überlegungen des SPD-Fraktionschefs Norbert Römer, die Stiftung solle stärkere industriepolitische Impulse bis hin zur Verbindung von Chemiekonzernen geben, sagte er, Römer gehöre nicht dem Kuratorium an. Der Stiftungsauftrag sei eindeutig. Die RAG-Stiftung, Mehrheitseigentümerin von Evonik, soll Geld zur Begleichung der Ewigkeitskosten des Bergbaus einsammeln. „Ich möchte, dass Evonik eine ordentliche Zukunft hat. Dort arbeiten mehr IG-BCE-Mitglieder als die Parteien in NRW Mitglieder haben.“