Essen. . Am Montag muss das Kuratorium der RAG-Stiftung entscheiden, ob sie den Essener Spezialchemie-Konzern an die Börse bringt. Die anhaltende Euro-Krise könnte dem Gang aufs Parkett ein Ende bereiten.

Den Mitgliedern des Kuratoriums der RAG-Stiftung steht am Montag die wohl schwierigste Sitzung seit Bestehen bevor. Die Vertreter der Bundesministerien für Finanzen und Wirtschaft, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Kollegin aus dem Saarland, Annegret Kramp-Karrenbauer, müssen als die politischen Schwergewichte unter Leitung des Chefs der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, zusammen mit sechs weiteren Mitgliedern über den Börsengang von Evonik entscheiden. Angesichts der Verunsicherung durch die Euro-Krise, die sich in dieser Woche eher noch verstärkt hat, kann die Entscheidung wohl nur lauten: Absage.

Bereits bei der Sitzung vergangenen Sonntag stand dies im Raum. Hintergrund waren auch die niedrigen Wertansätze für das Essener Spezialchemieunternehmen durch mögliche Investoren. Zwölf Milliarden Euro standen demnach zur Diskussion für das Gesamtunternehmen. Ein Ansatz, der Evonik etwa auf dem Vergleichsniveau des Chemieriesen BASF sieht – und deutlich unter den Erwartungen liegt. Der Wert ergibt sich über einen sogenannten Multiplikator von fünf.

Eine illusorische Bewertung?

Die begleitenden Banken, Goldman Sachs und Deutsche Bank, halten ungeachtet der Turbulenzen auch aktuell noch an einer deutlich höheren Bewertung fest. Nach Informationen dieser Zeitung ordnen sie Evonik in einer Gruppe von kleinen Spezialchemie-Unternehmen wie Victrex, Umicore, Rockwood, Symrise oder Lonza ein. Diese kommen auf einen Multiplikator von acht bis neun. Marktbeobachter halten solche Werte für illusorisch. Es sei sogar fraglich, ob zwölf Milliarden Euro realistisch seien.

Die Banken hatten eine Woche Zeit, nochmals mit Investoren zu sprechen. Die spannendste Frage für das Kuratorium, das am Montag um 14 Uhr tagt: Haben die Banken es geschafft, verbindliche Kaufzusagen für eine bestimmte Preisspanne einzuwerben? Das wäre jedenfalls das übliche Verfahren. In der Regel ist bei Börsengängen der Kauf von 30 Prozent der Aktien bereits zugesagt. Und weiter: Ist ein anständiger Preis zu erwarten, der deutlich über der BASF-Bewertung liegt? Und wie ist mit der enormen Schwankungsanfälligkeit der Börsen umzugehen? Der so genannte Volatilitätsindex liegt bei 32. Üblicherweise ist für Börsengänge bei 20 bis 25 Schluss.

Brisante politische Fragen

Die Fragen sind politisch brisant. Schließlich muss die RAG-Stiftung, der 75 Prozent an Evonik gehören, mit ihrem Vermögen dafür sorgen, dass die Ewigkeitskosten des Bergbaus (Abpumpen des Grubenwassers) zu bezahlen sind. Derzeit sind dafür 222 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Evonik ist mithin Faustpfand des Steuerzahlers, der ansonsten zu Kasse gebeten würde.

Ob Realismus Einzug hält oder die Banken weiter träumen dürfen? Günter Schlatter, Finanzchef der Stiftung, befand: Entscheidend sei, ob der Evonik-Vorstand Investoren den Wert des Unternehmens glaubwürdig vermitteln könne.

Es scheint so, als geht zwischen Stiftung, Banken und Evonik der Schwarze Peter um.