Essen. Anne S. fühlt sich von ihrer Bank schlecht beraten. Sie wollte eine sichere Anlage und bekam eine Stufenzins-Anleihe vorgeschlagen. Diese birgt aber einige Tücken, warnt die Verbraucherzentrale NRW. Davon haben die Bankberater wohl nichts gesagt und die Kundin auch noch unter Druck gesetzt.

Viele Banken hatten in den vergangenen Monaten einen schweren Stand. So sollen sie viele Kunden falsch beraten haben, oder konkreter gesagt, Risiken bewusst verschwiegen haben. Die Menschen, die Lehman-Zertifikate gekauft hatten, können ein Lied davon singen. Ihnen war eine attraktive Rendite versprochen worden, nach der Pleite der US-Bank im September 2008 waren die Papiere jedoch praktisch wertlos. Einige klagten, weil sie sich von den Beratern zu wenig über das Risiko informiert gefühlt hatten. Besonders ärgerlich: Für Zertifikate tritt der Einlagensicherungsfonds, der Kundengelder im Falle einer Banken-Insolvenz sichern soll, nicht ein.

"Absolut sicheres Produkt"

Die Postbank bietet auch Produkte der Deutschen Bank an. Foto: ap
Die Postbank bietet auch Produkte der Deutschen Bank an. Foto: ap © AP

Anne S.* zögerte daher lange, ob und vor allem wie sie ihr Geld anlegen soll. 10.000 Euro hatte die Industriekauffrau auf einem gewöhnlichen Sparbuch angespart, nun wollte sie das Geld langfristig und mit höheren Zinsen anlegen. Die erste Bank winkte ab. Wenn sie ihr Geld nicht in Fonds investieren wolle, müsse sie sich aktuell mit niedrigen Zinsen zufrieden geben. Anne S. ging zur nächsten Bank, einer Postbank-Filiale im Ruhrgebiet. Dort erklärte sie der Bankberaterin nach eigenen Angaben, dass sie sich natürlich über höhere Zinsen freuen, aber dafür nicht unbedingt ein hohes Risiko eingehen wolle. Ein „absolut sicheres Produkt“ bot die Beraterin ihr daraufhin an: eine Stufenzins-Anleihe mit einseitigem Kündigungsrecht der Emittentin.

Herausgeberin (Emittentin) dieser Anleihe ist die Deutsche Bank, die Postbank sowie andere Banken vertreiben dieses Produkt aber auch. Die Stufenzins-Anleihe, bei der der Kunde einmalig einen bestimmten Betrag anlegt, hat eine maximale Laufzeit von sechs Jahren. Die Zinssätze sollen in den sechs Jahren steigen und bewegen sich aktuell bei ungefähr 3,5 bis 3,6 Prozent. Doch die versprochenen Zinsen schwanken regelmäßig: Im Mai wurde Anne S. noch eine Fassung vorgelegt, in der Zinssätze von 3,6 bis 4,2 Prozent vorgesehen waren. In der Juni-Fassung sollte der Anleger im ersten Jahr einen Zinssatz von 4,00 und im sechsten Jahr einen Zinssatz von 4,05 Prozent bekommen.

„Was viele Kunden überlesen, ist die Tatsache, dass die Herausgeberin die Anleihe nach zwei Jahren ohne Angabe von Gründen kündigen kann. Und das wird sie voraussichtlich tun, wenn die Zinsen fallen“, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW. Der Anleger wird sein Geld zurückbekommen und muss es dann wahrscheinlich zu einer deutlich niedrigeren Verzinsung wieder anlegen.

Nicht nur kleinere Zinsen, sondern vermutlich auch weniger Geld erhält der Anleger, wenn er vor Ablauf der sechsjährigen Laufzeit an sein Geld will. Denn die Deutsche Bank sichert das angelegte Geld zu 100 Prozent nur zu, wenn der Anleger bis zum Ende am Ball bleibt. Das ist nach Angaben der Postbank aber auch der Fall, wenn die Deutsche Bank von ihrem Kündigungsrecht nach zwei Jahren Gebrauch macht.

Die Tücken in der Stufenzins-Anleihe

Lehman Brothers-Geschädigte demonstrieren vor der Citybank in Dortmund-Brackel.  Foto: Knut Vahlensieck
Lehman Brothers-Geschädigte demonstrieren vor der Citybank in Dortmund-Brackel. Foto: Knut Vahlensieck © Knut Vahlensieck

Während des Bankgesprächs fand Anne S. noch Gefallen an diesem Produkt. Sich für sechs Jahre an die Stufenzins-Anleihe zu binden, sah sie nicht als Problem. Auf ihre Frage nach den Risiken reagierte die Bankberaterin mit einer Gegenfrage: „Glauben Sie, dass die Deutsche Bank pleite geht? Nein? Na, sehen Sie.“

Erst zu Hause fielen Anne S. die Tücken an der Stufenzins-Anleihe auf, die Verbraucherzentrale NRW teilt weitestgehend ihre Ansicht. Die siebenseitige Broschüre und den Internetauftritt verstand die 30-Jährige kaum. „Das ist einfach super kompliziert“, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale. „Wir können nur davor warnen, etwas abzuschließen, was man nicht hundertprozentig verstanden hat.“ Im Kleingedruckten fand Anne S. außerdem den Hinweis, dass die Stufenzins-Anleihe von der Deutsche Bank AG, London herausgegeben wird. „In solchen Fällen muss man genau gucken, in welcher Beziehung der ausländische Anbieter zur Bank in Deutschland steht. Das ist nicht immer so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint“, sagt Oelmann. Die Deutsche Bank London ist laut Postbank allerdings eine Zweigstelle der Deutschen Bank.

Nicht vom Einlagensicherungsfonds abgedeckt

Ohne Worte ... Foto: ddp
Ohne Worte ... Foto: ddp © ddp

Geschockt reagierte Anne S. dann aber auf die Tatsache, dass der Einlagensicherungsfonds nicht einspringt, wenn die Deutsche Bank pleite gehen sollte. Sie erinnerte sich an die US-Bank Lehman Brothers und vereinbarte einen zweiten Termin mit der Postbank. Doch dabei erwartete sie nicht nur die Bankberaterin, auch der Filialchef nahm auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz. Er pries noch einmal die Vorzüge der Stufenzins-Anleihe an. „Er gab mir das Gefühl, dass ich völlig feige und dumm bin, wenn ich die Stufenzins-Anleihe mit den einigermaßen hohen Zinsen nicht abschließe“, sagt Anne S. Trotzdem musste der Filialleiter auf Nachfrage von Anne S. gestehen, dass die Anleihe nicht über die Einlagensicherung abgedeckt ist. Die Kundin ließ durchblicken, dass sie die Stufenzins-Anleihe vor allem deswegen nicht abschließen will.

Der Filialleiter behauptete darauf hin: Anne S. müsse nur dann einen Totalverlust befürchten, wenn die Deutsche Bank und die Postbank pleite gingen. Und das sei ja nun ziemlich unwahrscheinlich. Damit hat der Filialchef aber nicht ganz die Wahrheit gesagt: Die Postbank teilte auf Nachfrage mit, dass nur die Deutsche Bank als Herausgeberin für die Kundengelder haftet. Als Vertriebspartner hafte die Postbank nicht für einen Ausfall der Deutschen Bank.

Anne S. ist sauer. „Nach allem, was passiert ist: Dass Banken immer noch falsch und unvollständig beraten, kann ich nicht verstehen.“ Sie hat sich mittlerweile für ein anderes Produkt entschieden. Eines, für das der Einlagensicherungsfonds im Falle eines Falles einspringt. Die Pressestelle der Postbank wäre bereit, die „geschilderte Kundenangelegenheit“ zu recherchieren. Anne S. hat das Angebot im Gespräch mit DerWesten abgelehnt.

* Name von der Redaktion geändert

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