Dortmund. . Sonntag ist Welttag der menschenwürdigen Arbeit. Gewerkschafter wie der DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber kritisieren im WR-Interview die Verhältnisse in Billiglohnländern, aber auch Leiharbeit, Befristungen und Minijobs vor der Haustür.

Nach OECD-Standards sind allein in Nordrhein-Westfalen bereits 1,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigt, kritisiert NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen haben seit 2008 den 7. Oktober zum Welttag für menschenwürdige Arbeit ausgerufen. Die WAZ-Mediengruppe sprach aus diesem Anlass mit dem NRW-Landesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Andreas Meyer-Lauber.

Wann ist Arbeit menschenwürdig?

Andreas Meyer-Lauber: Wenn ein Mensch davon leben kann, bei der Arbeit gesund bleibt und ihm der notwendige Respekt entgegengebracht wird.

Adidas hat gerade einen Hilfsfonds für Arbeiter in Billiglohnländern angekündigt. Hilft denn soetwas?

Meyer-Lauber: Die Idee eines solchen Fonds in allen Ehren, aber er wird sicher nicht alle Probleme lösen. In diesen Ländern ist eines der dringendsten Probleme die Arbeitssicherheit. Es gibt viele tödliche Unfälle am Arbeitsplatz. Einige internationale Konzerne lassen zu durchaus fairen Arbeitsbedingungen produzieren. Daimler oder VW zum Beispiel, aber viele eben nicht.

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Wie kann man das von Deutschland aus kontrollieren?

Meyer-Lauber: Unsere Erfahrung ist, dass viele internationale Unternehmen ihrer Verantwortung kaum nachkommen und der Profit wichtiger ist als die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Daher ist es wichtig, die internationale Gewerkschaftsarbeit zu intensivieren und die Gewerkschaften vor Ort zu stärken, wie wir es in Indien und China bereits tun.

Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Probleme beim Blick auf Deutschland und insbesondere auf junge Arbeitnehmer hier?

Meyer-Lauber: 50 Prozent bekommen nach Abschluss ihrer Ausbildung lediglich einen befristeten Vertrag oder sogar einen Leiharbeitsjob angeboten. Diese jungen Frauen und Männer leben in ständiger Unsicherheit. Das ist keine Basis, um sich eine Existenz aufzubauen und eine Familie zu gründen. Da müssen wir ran.

Wie genau?

Meyer-Lauber: Sachgrundlose Befristungen gehören abgeschafft. Es gibt doch Probezeiten, die dauern in der Regel sechs Monate. Danach kann ein Unternehmen einschätzen, ob es passt oder nicht. Wenn die Bewerber im eigenen Unternehmen ausgebildet worden sind, sollte das sowieso klar sein. Befristungen sind also überflüssig.

Aktion der IG Metall vor dem Edelstahlwerk

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Die Anforderungen an Auszubildende steigen. Ist es so, dass es bald kaum noch eine Lehrstelle ohne Hochschulreife gibt?

Meyer-Lauber: Ein Teil der Arbeitgeber erwartet, dass fertige Arbeitnehmer zu ihnen in den Betrieb kommen und dass die Auszubildenden vom ersten Tag an voll einsatzfähig sind. Das ist eine falsche Erwartung und war auch früher nicht so. Das sind junge Menschen, in die der Arbeitgeber zunächst auch Kraft und Zeit investieren muss. Wir machen die Erfahrung, dass bei einer guten Betreuung fast jeder Jugendliche seine Ausbildung erfolgreich absolviert. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn Arbeitgeber einerseits den Fachkräftemangel beklagen und sich andererseits weigern auszubilden.

Ab 2013 dürfen Minijobber 450 statt 400 Euro verdienen, Midijobber 850 statt 800. Ist das aus Ihrer Sicht eine Verbesserung?

Meyer-Lauber: Nein, ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass Minijobs ein entscheidender Motor des Niedriglohnsektors sind. Zudem führen sie in die Rentenfalle, weil die Beschäftigten nicht genügend einzahlen können, um Rentenansprüche aufzubauen. Deshalb müssen Minijobs nicht ausgeweitet, sondern grundlegend reformiert werden. Wir als DGB fordern, dass Minijobs ab dem ersten Euro sozialversicherungspflichtig werden. Dabei schlagen wir vor, dass die Arbeitgeber bei einem Monatseinkommen von 100 Euro den vollen Sozialversicherungsbeitrag übernehmen. Danach sollte in einer Gleitzone der Arbeitnehmeranteil ansteigen, bis bei einem Gehalt von 800 Euro die paritätische Beitragsfinanzierung erreicht ist