Berlin. . Im Konflikt um die Ärztehonorare drohen die niedergelassenen Mediziner mit flächendeckenden Streiks ab Dienstag. Nach einem Medienbericht forderten 14 Ärzteverbände die Krankenkassen auf, die Honorarerhöhung bis Montag nachzubessern, „sonst werden die Streikmaßnahmen unmittelbar beginnen“.
Patienten müssen sich in Deutschland auf lange Wartezeiten beim Arzt einstellen. Als Konsequenz aus den nach ihrer Ansicht zu geringen Honorarsteigerungen planen 14 Ärzteverbände massive bundesweite Protestaktionen. Hierzu sollen Praxisschließungen ebenso wie eine Verringerung der Arbeitszeit auf das gesetzliche Mindestmaß von 20 Stunden pro Woche gehören, wie aus dem Entwurf einer Erklärung hervorgeht, der Reuters am Freitag vorlag. Zudem sollen Patienten mit akuten Erkrankungen verstärkt an Kliniken verwiesen werden.
Patienten, die häufig kontrolliert werden müssten, sollten sich am besten gleich in stationäre Behandlung begeben, „da wir dafür in den kommenden Tagen und Wochen keine Zeit haben werden“, zitiert das Papier den Präsidenten des Berufsverbands der Frauenärzte, Christian Albring. Zu den Unterzeichnern gehören auch der mächtige Berufsverband Deutscher Internisten, der NAV-Virchow-Bund sowie die Berufsverbände Niedergelassener Kardiologen und der Kinder- und Jugendärzte.
270 Millionen Euro mehr - nur ein Bruchteil der Ärzte-Forderung
Auch andere große Ärzteverbände, die an dem Aufruf nicht beteiligt sind, drohen mit Protestmaßnahmen. Allerdings plädiert der Hartmannbund dafür, sich zunächst untereinander über das Vorgehen abzustimmen. Hierzu sind diverse Runden angesetzt.
Ärzte streiken
Der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er rechne auf kurz oder lang mit einem ähnlichen Aufbegehren der Ärzte wie im Jahr 2006, als die Mediziner mit Protestaktionen auf ihre Belange aufmerksam machten. Die geringe Honorar-Steigerung werde als „Hohnorar“ verspottet. Möglich seien Demonstrationen, Praxisschließungen und Notfall-Sprechstunden. Laut dem Sprecher des Virchow-Bundes, Klaus Greppmeir, sind auch zentrale Protestveranstaltungen in Berlin denkbar.
Hintergrund der Empörung ist, dass die rund 130.000 niedergelassenen Ärzte im kommenden Jahr 270 Millionen Euro mehr Honorar erhalten sollen. Dies ist nur ein Bruchteil dessen, was die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gefordert hatte. Aufgrund der gestiegenen Preise und der Inflation hatte sie ein Plus von 3,5 Milliarden Euro verlangt.
Ärzte setzen Krankenkassen Ultimatum bis Montag
Die Festlegung wurde vom Erweiterten Bewertungsausschuss getroffen, dem neben Ärzte- und Kassenvertretern auch drei Unparteiische angehören. Die KBV-Vertreter wurden in dem Gremium überstimmt. „Der Zorn ist groß“, betonte ein KBV-Sprecher. Als Körperschaft kann sie jedoch nicht selbst zu Streiks aufrufen. Laut Krankenkassen beläuft sich das Plus pro Arzt auf 1800 Euro im Jahr.
In der Erklärung von 14 Verbänden wird das Gesundheitsministerium aufgefordert, den Beschluss zu beanstanden. Die Krankenkassen und der unparteiische Vorsitzende Jürgen Wasem erhalten bis Montag Zeit, den Beschluss nachzubessern. „Sonst werden die Streikmaßnahmen unmittelbar beginnen“.
Konkret ist neben Praxisschließungen unter anderem geplant, dass die Kardiologen alle Patienten mit akutem Vorhofflimmern und anderen akuten Herzerkrankungen umgehend in die Kliniken überweisen anstatt sie ambulant zu behandeln. Die hausärztlich tätigen Allgemeinmediziner und Kinderärzte sollen die Arbeitszeiten auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß reduzieren. Anfragen von gesetzlichen Krankenkassen würden - wenn überhaupt - nur nachrangig behandelt.
Patienten drohen lange Wartezeiten
Auch in den gynäkologischen Praxen seien lange Wartezeiten zu erwarten. Patienten mit Hörsturz oder Schwindelsymptomen, die bei HNO-Ärzten vorstellig werden, sollen an Kliniken weitergeleitet werden. Die niedergelassenen Lungenärzte werden der Erklärung zufolge keine Sauerstoffpatienten mehr einstellen. Auch die Spiegelung der Lunge soll stationär und nicht ambulant erfolgen.
Kritik äußern die Ärzte insbesondere an den Krankenkassen. Diese hätten vor den Verhandlungen mehrfach mit Studien und Erhebungen den Eindruck zu erwecken versucht, dass die Ärzte zu viel verdienten oder nicht genug arbeiteten, beklagte Hartmannbund-Sprecher Michael Rauscher. Verbandschef Klaus Reinhardt sprach gar von einer „Bankrotterklärung der politischen Rahmengestalter“ durch das Verhalten der Kassen. (rtr)