Essen. . Piloten, Vorfeld-Mitarbeiter und nun Stewardessen kämpfen jeweils für sich, jede Berufsgruppe hat ihre eigene Gewerkschaft. Nur ein Bremer Anwalt ist stets dabei, denn er vertritt sie alle. Dass er damit Erfolg hat, lässt den Ruf nach Tarifeinheit lauter werden

Im Februar hielten streikende Vorfeldmitarbeiter so manchen Kranich am Boden, diesmal sind es die Stewardessen und demnächst vielleicht die Wartungstechniker. In der Luftfahrt kämpfen viele Einzelgruppen für ihre Interessen und treiben Lufthansa & Co. von einer Tarifauseinandersetzung in die nächste. Fast jedesmal mit dabei ist ein Bremer Arbeitsrechtler. Dirk Vogelsang wird von den Spartengewerkschaften als Wortführer gebucht, diesmal leitet er die Verhandlungen für die 19 000 Flugbegleiter der Lufthansa im Auftrag der Gewerkschaft Ufo.

Vogelsang ist deshalb so etwas wie das Schreckgespenst für die Arbeitgeber und für die Großgewerkschaft Verdi, die an den Flughäfen immer mehr Einfluss an die Spartengewerkschaften verliert. Er verdiene sein Geld damit, die Tariflandschaft zu zersplittern, wird ihm hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen. Er spielt den Ball zurück und erklärt seinen Erfolg mit dem Scheitern der Großgewerkschaften.

Er vertritt Gruppen, die einen Betrieb lahmlegen können

Bevor er die Bühne betrete, „haben sich über Jahre Frustration und Enttäuschung breitgemacht“, sagte er einmal der Frankfurter Rundschau. Wenn er die Bühne betritt, dann für Gruppen, die einen Betrieb lahm legen können. Nach Piloten und Vorfeldmitarbeitern nun also das Kabinenpersonal. Und so sicher wie der Ohrendruck nach dem Start kommt auch diesmal wieder eine Debatte darüber, wie weit Spartengewerkschaften gehen dürfen.

Und ob nicht ein Gesetz für die 2010 vom Bundesarbeitsgericht gekippte Tarifeinheit her müsse. Dieses Urteil hat die Möglichkeit endgültig untermauert, dass in einem Betrieb mehrere Berufsgruppen einzeln für ihre Belange kämpfen.

„Post, Bahn und Lufthansa sind unter enormen Kostendruck geraten"

Für den Arbeitssoziologen Gerhard Bosch von der Uni Duisburg-Essen ist dies die logische Folge der Privatisierungswelle von Staatskonzernen. „Post, Bahn und Lufthansa sind unter enormen Kostendruck geraten, der mit massivem Druck auf ÖTV und später Verdi einherging, sich mit Lohnforderungen zurückzuhalten“, sagt er. Das habe zu massiver Unzufriedenheit bei Mitarbeitern in strategisch wichtigen Position geführt, etwa Piloten und Lokführern. Dadurch habe die Großgewerkschaft eine Bastion nach der anderen verloren.

Allerdings macht Bosch Unterschiede zwischen „krass egoistischen Gruppen“ wie den 200 Vorfeldmitarbeitern und den 19 000 Flugbegleitern der Lufthansa. „Sie fordern ja nicht 70 Prozent mehr Lohn, sondern kämpfen gegen eine Verschlechterung“, so Bosch.

Lufthansa spürt den Preisdruck der Billigflieger

Formell streiken die Stewardessen für fünf Prozent mehr Lohn. Knackpunkt der gescheiterten Verhandlungen war aber das Vorhaben der Lufthansa, Leiharbeiter in der Kabine zuzulassen und Mitarbeiter in der geplanten neuen Billigtochter schlechter zu bezahlen. Der Kranich spürt zunehmend den Preisdruck der Billigflieger-Konkurrenz mit Ryanair und anderen. Deshalb will die Lufthansa 1,5 Milliarden Euro sparen.

Mit den letzten Bundestagsabgeordneten wird zum Ende der Sommerpause auch das Thema Tarifeinheit nach Berlin zurückkehren. Besonders dann, wenn einige mit der Bahn statt dem Flieger kommen müssen. Nach den Flughafenstreiks im Februar waren sich Union und SPD sowie Arbeitgeber und DGB einig, die Tarifeinheit in ein Gesetz zu gießen. Ein Entwurf scheiterte ausgerechnet an Verdi. Seitdem steckt das Thema fest.