Essen. . Es ist ein riesiges Geschäft. Namen, Anschriften und individuelle Details sind das Kapital einer Branche, die perfekten Zugang zu potenziellen Kunden verspricht. Auch die Deutsche Post mischt auf dem Markt mit.

Am Anfang steht eine Adresse. Doch besonders wertvoll werden Name und Anschrift, wenn mehr über den Menschen bekannt ist: Hat er einen Garten? Könnte er sich also für Rasenmäher interessieren? Steht ein Oberklasse-Auto in der Garage? Wie lauten die bevorzugten Reiseziele? Je mehr bekannt ist, desto erfolgversprechender wird ein Werbebrief.

Der Handel mit Namen, Anschriften und nützlichen Details floriert. „Listbroker“ heißt der Beruf im Branchenjargon – zu Deutsch: Adressmakler. Der Oberbegriff für den Wirtschaftszweig lautet im schönsten Werbersprech „Dialogmarketing“. Schätzungen zufolge erreichte die Branche zuletzt einen Jahresumsatz von 27,7 Milliarden Euro.

Die Daten sind Mittel zum Zweck: Über Werbepost, Mails oder Telefonanrufe wollen die Kunden der Adresshändler ihrerseits potenzielle Käufer erreichen. „Es geht darum, möglichst genau die Interessen der angeschriebenen Menschen zu treffen. Jemand, der gerne gute Weine trinkt, wird sich vermutlich auch für einen Frankreich-Urlaub interessieren“, sagt Andreas Kneiphoff, Vorstandsmitglied des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV), der unter anderem Adresshändler und Call-Center vertritt.

Einer der führenden Adresshändler ist die Deutsche Post

Einer der führenden „Listbroker“ ist die Deutsche Post. „Definieren und charakterisieren Sie Ihre Wunschzielgruppe – wir wählen aus dem umfangreichen Markt mit rund 2000 Adresslisten diejenigen aus, die genau auf Ihre Anforderungen abgestimmt sind“, heißt es in einer Kundenbroschüre des Bonner Konzerns. Branchengrößen sind auch die schwäbische Schober-Gruppe und AZ Direct, eine Tochterfirma des Gütersloher Bertelsmann-Konzerns.

Kundendaten sind das Kapital der Branche, die Mobilfunkfirmen, Versicherern und dem Handel den Zugang zu neuen Käuferschichten verspricht. Gewonnen werden Kundendaten nach Erfahrung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen oft über Gewinnspiele, Preisausschreiben, Kundenbindungssysteme wie Payback-Karten und versteckte Klauseln, etwa beim Abschluss eines Handyvertrags.

Datenschützer beäugen die ­Adressmakler argwöhnisch. Entsprechend heftig war die Kritik an den Plänen der schwarz-gelben Koalition, das Meldegesetz zu ändern. Würde das vom Bundestag beschlossene neue Regelwerk in Kraft treten, bekäme die Adressbranche leichter Zugriff auf die Daten der Behörden. Die Materie ist komplex. Das neue Meldegesetz sieht vor, dass die Bürger der Weitergabe ihrer Daten zwar widersprechen können, ihnen wären aber die Hände gebunden, wenn sich Adresshändler die Informationen lediglich bestätigen oder Anschriften berichtigen lassen wollen. In Kraft getreten ist das Gesetz noch nicht. Mehrere Bundesländer, darunter NRW, wollen die Änderungen im Bundesrat stoppen.

Verbraucherschützer raten, die Finger von Gewinnspielen zu lassen

Die Adress-Branche zeigt sich demonstrativ gelassen. Es gebe schließlich schon jetzt die Möglichkeit, eine Anschrift bei den Meldebehörden abzufragen. Das sei allerdings eher für Inkasso-Firmen relevant, die den Empfänger einer Mahnung aufspüren wollen, weniger aber für die Werbebranche, wie Andreas Kneiphoff betont. „Schon aus wirtschaftlichen Erwägungen macht es meist keinen Sinn, die Melderegister der Kommunen zur Erhebung und Auffrischung von Adressdaten für Werbezwecke zu nutzen“, sagt der Branchenvertreter. Denn der Durchschnittspreis pro Adresse liege hier bei acht Euro. Zum Vergleich: „Wenn ein Unternehmen eine Werbekampagne über einen Adress-Dienstleister führt, zahlt es in der Regel zehn oder zwanzig Cent pro Adresse für die einmalige Nutzung.“

Katharina Nocun vom Bundesverband der Verbraucherzentralen rät grundsätzlich zu Vorsicht. „Im Zweifel sollte man von einem Gewinnspiel lieber die Finger lassen“ , sagt sie. Sind die Daten erst einmal im Umlauf, ist ihr Weg nur noch schwer zu verfolgen.