Berlin. Es gibt weiter Streit um das kürzlich verabschiedete neue Meldegesetz: Die Opposition im Bundestag hat angekündigt, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen. SPD, Grüne und Linke kritisieren, dass Unternehmen durch das neue Gesetz Zugriff auf Daten aus den amtlichen Registern bekommen könnten.
Eine gute Woche nach einem stillschweigenden Beschluss des Bundestages laufen Datenschützer und Opposition Sturm gegen das neue Meldegesetz. Hauptkritikpunkt ist der vorgesehene Zugriff der Privatwirtschaft auf staatliche Daten. SPD, Grüne und Linkspartei wollen die Neuregelung nun im Bundesrat stoppen.
Das Parlament hatte die "Fortentwicklung des Meldewesens" am 28. Juni mit den Stimmen von Schwarz-Gelb verabschiedet. Fünf Minuten zuvor war am Abend das EM-Halbfinalspiel Deutschland-Italien angepfiffen worden, nur wenige Abgeordnete saßen im Plenum, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. In nicht mal einer Minute war der komplette Tagesordnungspunkt abgehandelt.
Die Neuregelungen würden es Einwohnermeldeämtern erlauben, persönliche Daten von Bürgern an Firmen und Adresshändler weiterzugeben. Die Länderkammer will im Herbst über das zustimmungspflichtige Gesetz beraten.
SPD kritisiert "schwarz-gelbe Klientelpolitik"
"Die SPD wird dieses Gesetz im Bundesrat aufhalten", kündigte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Sonntag in Berlin an. Ohne ausdrückliche Einwilligung dürfe es keine Weitergabe von persönliche Daten geben. "Mit dem neuen Melderecht ist die Koalition vor dem Adresshandel in die Knie gegangen", sagte der SPD-Politiker und kritisierte: "Das ist ein besonders ärgerlicher Fall von schwarz-gelber Klientelpolitik".
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte das Gesetz bereits am vergangenen Donnerstag als "gefährlichen Unsinn" bezeichnet. Er "wundere" sich "ein bisschen, dass der öffentliche Aufschrei der Empörung bislang ausgeblieben ist", fügte er damals in einem Facebook-Eintrag hinzu.
Rheinland-Pfalz plant Blockade
Die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz ist nun dabei, die Blockade zu organisieren. Zwar gebe es noch keinen Beschluss im Kabinett, sagte ein Sprecher des Innenministeriums dem Südwestrundfunk. Allerdings sei bereits sicher, dass man dem Meldegesetz in der jetzigen Form im Bundesrat nicht zustimmen werde. Dazu gebe es bereits Gespräche mit anderen Bundesländern.
Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Mal wieder bedient Schwarz-Gelb eine Klientelgruppe und deren Profitinteressen und stellt den allgemeinen Daten- und Verbraucherschutz hinten an." Wer ein solches Gesetz durchgehen lasse, könne nicht ernsthaft - zum Beispiel bei Facebook - auf dem Prinzip der Einwilligung zur Datenweitergabe bestehen. Nun müssten die Länder retten, was Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) versäumt habe.
"Ausverkauf des Datenschutzes geht weiter"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte voraus: "Das Melderechtsgesetz wird den Bundesrat so nicht passieren."
Die Linke-Innenexpertin Petra Pau kritisierte ebenfalls: "Der Ausverkauf des Datenschutzes geht weiter. Und das mit Zustimmung der FDP, die sich selbst als freiheitlich und demokratisch rühmt." Auch Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn forderte die Bundesländer auf, das Gesetz zu stoppen.
Datenschützer kritisieren "gesetzlichen Wahnsinn"
Thilo Weichert, der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sprach gar von "gesetzlichem Wahnsinn". Das neue Recht ermögliche "den privaten Handel mit vom Staat zwangsweise erhobenen Daten in großem Stil", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bezeichnete den Zugriff auf staatliche Daten als "unsäglich".
Die Kritik entzündete sich an Paragraf 44 des neuen Bundesmeldegesetzes, das nach der Föderalismusreform die bisherigen Landes- und Bundesregelungen zusammenfasst. Der Paragraf ermöglicht es Adresshändlern, Inkassofirmen oder der Werbewirtschaft, umfassend Daten aus den amtlichen Registern abzugreifen - nicht nur Namen und Titel, sondern auch Anschriften und selbst Geburtstage und frühere Namen sollen nicht tabu sein. (dapd)