Berlin. Kritik am Meldegesetz kam bereits von verschiedenen Seiten - nun hofft auch die Bundesregierung selbst, dass das umstrittene Gesetz gestoppt wird. Der Datenschutz solle mehr berücksichtigt werden, so ein Sprecher. Dem Gesetz zufolge können Firmen bei den Meldeämtern Daten von Bürgern abfragen, wenn diese nicht widersprechen.
Die Bundesregierung hofft darauf, dass das umstrittene Meldegesetz mit weitreichenden Möglichkeiten zum Adressverkauf an Privatfirmen vom Bundesrat gestoppt wird. Das Kabinett halte es für denkbar, dass es im weiteren parlamentarischen Verfahren noch Änderungen an dem Gesetz gibt, die dem Datenschutz stärker Rechnung trügen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag vor Journalisten in Berlin.
Der Regierungssprecher verwies darauf, dass der von der Bundesregierung eingebrachte ursprüngliche Gesetzentwurf anders ausgesehen habe als die schließlich vom Bundestag beschlossene Regelung. Der Anfangsentwurf hatte vorgesehen, dass die Bürger dem Weiterverkauf ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen.
DatenschutzDie abgeänderte und schließlich beschlossene Version sieht vor, dass die Bürger den Verkauf nur verhindern können, wenn sie ihm ausdrücklich widersprechen. Neu in das Gesetz geschrieben wurde zudem, dass Adresshändler bereits bei ihnen vorhandene Daten aktualisieren lassen können, ohne dass dagegen ein Widerspruch möglich wäre. Die Regierung habe das Gesetz mit guten Gründen in der von ihr abgefassten Weise vorgelegt, sagte Seibert.
Nur wenige Abgeordnete waren anwesend
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass die vom Bundestag beschlossene Widerspruchslösung gegenüber der bisherigen Rechtslage eine Verbesserung darstelle. Gleichwohl habe der Bundestag nicht das beschlossen, was die Bundesregierung gewollt habe.
Der Entwurf war im Bundestag kurz nach Anpfiff des EM-Halbfinalspiels Deutschland-Italien mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition verabschiedet worden. Nur wenige Abgeordnete waren anwesend, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Der Innenausschuss des Bundestags hatte die Vorlage aus dem Bundesinnenministerium in seiner Sitzung am Vortag geändert.
Länder sind nicht einverstanden
Bisher war das Meldewesen weitgehend Ländersache. Im Zuge der Föderalismusreform wechselte die Zuständigkeit jedoch komplett zum Bund. Mit dem neuen Gesetz sind dennoch mehrere Länder nicht einverstanden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte in München: "Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen." Seehofer betonte, seinen Parteikollegen, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, treffe keine Schuld. Dessen Entwurf zum Meldegesetz sei "in Ordnung" gewesen.
Auch aus dem rot-grün geführten Rheinland-Pfalz kam Kritik. Das Kabinett habe sich wegen der Sommerpause noch nicht mit dem Thema beschäftigt, dennoch sei eine Zustimmung im Bundesrat äußerst unwahrscheinlich, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz.
"Interessen der Adresshändler bedient"
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Michael Hartmann, warf der schwarz-gelben Koalition vor, "einseitig die Interessen der Adresshändler" bedient zu haben. Dies hätten seine Parteikollegen und er auch im Innenausschuss deutlich gemacht. Sie seien aber von Union und FDP überstimmt worden.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, "das Schlimmste" an dem neuen Gesetz sei die Regelung zur Aktualisierung bereits vorhandener Daten. Damit könnten auch illegal beschaffte Adressen aktualisiert werden, warnte sie im ZDF-"Morgenmagazin". (afp, dapd)