Berlin. Der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn, kritisiert: Die hiesigen Arbeitskosten seien im europäischen Vergleich zu niedrig. Das steigere die Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten der Nachbarstaaten. Plädoyer für höhere Löhne
Auch im Aufschwung hat sich Arbeit in Deutschland kaum verteuert. Die Arbeitskosten in der Privatwirtschaft stiegen 2010 nur um 0,6 Prozent und damit deutlich weniger als im europäischen Vergleich, wie aus einer am Montag veröffentlichten Studie des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts hervorgeht. Im Durchschnitt der EU-Länder kletterten die Kosten mit 1,7 Prozent fast dreimal so schnell und im Schnitt der Euro-Zone um 1,6 Prozent. In der erwarteten Konjunkturflaute dürfte sich die Entwicklung ähnlich fortsetzen, betonte IMK-Direktor Gustav Horn in Berlin: "Ich sehe kurzfristig keine Trendwende."
Trotz Wirtschaftswachstums nur zögerliche Lohnsteigerungen
Damit geht trotz des starken Wirtschaftswachstums von fast vier Prozent der langjährige Trend weiter, dass die Arbeitskosten in der heimischen Wirtschaft deutlich langsamer zunehmen als in den anderen Ländern der Europäischen Union. So stiegen die hiesigen Arbeitskosten zwischen 2000 und 2010 nominal um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr, im EU-Schnitt um 3,3 Prozent, im Schnitt des Euro-Raums um 2,8 Prozent.
Als Arbeitskosten definieren die Düsseldorfer Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen sowie bestimmte Steuern. Demnach kostete eine Arbeitsstunde in der deutschen Privatwirtschaft 2010 rund 29,10 Euro. Deutschland liegt damit EU-weit an siebter Stelle. Höher sind die Kosten in Belgien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden. Der EU-Schnitt liegt bei 22,50 Euro. Eine Arbeitsstunde in der deutschen Industrie kostete 32,90 Euro und damit spürbar mehr als im privaten Dienstleistungssektor mit 26,70 Euro. IMK-Experte Horn bezeichnete die heimische Servicebranche im Vergleich zu wichtigen deutschen Handelspartnern als "Billiglohnland".
Die Arbeitgeber kritisierten, die IMK-Studie erwecke den falschen Eindruck, dass die Arbeitskosten im europäischen Mittelfeld lägen. "Deutschland bleibt weiter ein teurer Arbeitsplatzstandort", erklärte der Dachverband BDA.
Deutscher Wohlstand "basiert auf den Schulden" anderer
Deutschland habe durch die vergleichsweise geringen Kosten über Jahre hinweg seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert und vom gutem Exportgeschäft profitiert, sagte Horn. Allerdings habe dies zu Leistungsbilanzdefiziten anderer Euro-Länder und damit zu den Ungleichgewichten geführt, die die Schuldenkrise mitausgelöst hätten. Der Wohlstand, den sich Deutschland durch seine Überschüsse erworben habe, "basiert auf den Schulden der anderen". Mittel- bis langfristig müsse es hier eine Trendwende geben, sonst sei die Währungsunion in ihrer Stabilität gefährdet, mahnte der IMK-Experte. Die angeschlagenen Euro-Länder müssten ihrerseits wettbewerbsfähiger werden, für Deutschland gebe es hingeben keinen Grund zur Lohnzurückhaltung. "Gesamtwirtschaftlich wären Lohnabschlüsse von nominal 3 bis 3,5 Prozent angemessen", sagte Horn. (rtr)