Potsdam. Im Tarifstreit im öffentlichen Dienst haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften nach langen Verhandlungen am Samstagmorgen geeinigt. Die Beschäftigten von Bund und Kommunen bekommen 6,3 Prozent mehr Lohn in mehreren Stufen und über zwei Jahre. Der befürchtete Streik bleibt damit aus.

Entscheidung im Morgengrauen: Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sich auf ein Lohnplus von 6,3 Prozent für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen geeinigt. Beide Seiten gaben am Samstag in Potsdam nach einem Verhandlungsmarathon Verbesserungen für Auszubildende, eine neue Urlaubsregelung und den Verzicht auf eine Erhöhung um einen Sockelbetrag bekannt. Die Laufzeit beträgt 24 Monate, sodass sich ein jährlicher Zuwachs von gut 3 Prozent ergibt.

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hatten 6,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 200 Euro mehr für eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Bund und Kommunen hatten während einer zweijährigen Laufzeit abgestuft zunächst 3,3 Prozent ohne Sockelbetrag für die unteren Einkommensgruppen geboten. Der dritten Verhandlungsrunde waren zwei Warnstreikwellen mit hoher Beteiligung vorausgegangen. Bereits bei den vorangegangenen Verhandlungsschritten waren die Tarifparteien nur sehr langsam vorangekommen. Ursprünglich sollten die Gespräche bis Donnerstag dauern, zum Schluss betrug die reine Verhandlungszeit mehr als 40 Stunden.

"Verhandlungen waren kein Marathon, sondern ein Ironman"

Mit dem Abschluss seien die Arbeitgeber "an die Grenzen" gegangen, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Die Verhandlungen seien ihm nicht nur wie ein Marathon vorgekommen, sondern gar wie ein Ironman, also einer noch härteren Probe für die Ausdauerkraft. "Es hat sich gelohnt", sagte der CSU-Politiker. Die Belastung für den Bundeshaushalt bezifferte er mit rund 550 Millionen Euro und versprach, den Abschluss auf Bundesbeamte, Soldaten und Versorgungsempfänger übertragen zu wollen.

Zwischenzeitlich hatte das harte Ringen um die Urlaubsregelung und einen Sockelbetrag, der die Kommunen besonders stark belastet hätte, die Gespräche fast zum Scheitern gebracht. Allein die Bundestarifkommission der Gewerkschaft Verdi diskutierte den Einigungsentwurf mehr als sechs Stunden. Die Entscheidung in dem Gremium sei am Ende "Spitz auf Knopf" gefallen, sagte ein Teilnehmer der Nachrichtenagentur dapd. Verdi-Chef Frank Bsirske erklärte zu der langen Debatte: "Wir sind halt eine lebendige Organisation."

Bsirske sagte, es sei gelungen, einen deutlichen und spürbaren Reallohnabschluss zu erhalten und den Abstand des öffentlichen Dienstes zur Privatwirtschaft zu verringern. Es sei indes bedauerlicherweise nicht gelungen, eine soziale Komponente für die unteren Einkommensgruppen am Verhandlungstisch durchzusetzen. Nach Bsirskes Angaben waren im März während der bundesweiten Warnstreiks mehr als 23.000 neue Mitglieder Verdi beigetreten.

Gehälter sollen rückwirkend zum 1. März steigen

"Wir konnten uns nicht auf einen Mindestbeitrag einlassen", sagte Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber. Ein Sockelbetrag "hätte die Existenz von Arbeitsplätzen und Betrieben gefährdet." Die Gehaltssteigerungen schlagen demnach bei den Kommunen dieses Jahr mit 2,2 Milliarden Euro zu Buche, im nächsten seien es 4,3 Milliarden.

Die Gehälter sollen nach der nun getroffenen Vereinbarung rückwirkend zum 1. März um 3,5 Prozent steigen und dann in zwei weiteren Stufen zum 1. Januar und 1. August 2013 um jeweils 1,4 Prozent. Durch die Steigerung zu Beginn ergibt sich eine Art Zinseszins-Effekt, weshalb die Gewerkschaften auch von einer Lohnerhöhung um 6,4 Prozent sprechen.

Azubis im öffentlichen Dienst bekommen zunächst 50 Euro mehr

Auszubildende können sich über ein Lohnplus von 50 Euro rückwirkend zum 1. März und eine weitere Erhöhung um 40 Euro zum 1. August 2013 freuen. Wer nach einer Ausbildung die Prüfung besteht, soll nach einer Bewährungszeit im ersten Jahr unbefristet übernommen werden. Außerdem bezahlen die Arbeitgeber künftig die Fahrtkosten zu auswärtigen Berufsschulen oberhalb eines Eigenanteils.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach unterschiedliche Urlaubsregelungen für die Beschäftigten unzulässig sind und allen 30 Tage zustehen, führte auf Drängen der Arbeitgeber zu einer Neuregelung. Von 2013 an erhalten alle Beschäftigten 29 Tage Urlaub, über 55-Jährige bekommen einen Tag mehr. Wer nach der bisherigen Regelung schon jetzt Anspruch auf 30 Tage hat, behält diesen Anspruch.

Beschäftigte an Flughäfen mit mehr als fünf Millionen Passagieren 2012 bekommen eine Sonderzahlung von 600 Euro, an kleineren Airports gibt es 200 Euro. (dapd/afp)