Düsseldorf. Seit 1999 steigt die Zahl der Beschäftigten in der Pflege an. Nun wurde in NRW ein Rückgang vermeldet. Dabei gibt es mehr Pflegebedürftige.
Die Zahl des Pflegepersonals in Nordrhein-Westfalen ist erstmals seit Einführung der Pflegestatistik im Jahr 1999 rückläufig. Ende 2023 waren in den Pflegeeinrichtungen des Landes 281.239 Menschen beschäftigt – das sind 1.583 Personen oder 0,6 Prozent weniger als zwei Jahre zuvor, wie der Landesstatistikportal IT.NRW am Dienstag mitteilte.
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist hingegen gestiegen: „Ambulante Pflegedienste betreuten 2,1 Prozent mehr Pflegebedürftige als 2021; bei den Pflegeheimen waren es 1,3 Prozent“, heißt es in der Mitteilung. Roland Weigel, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, kritisiert scharf: „Es ist ein politischer Skandal, dass der demografische Wandel im Bundeswahlkampf keinerlei Beachtung findet. Dabei tickt hier eine Zeitbombe.“
Nur ein Viertel des Pflegepersonals in NRW arbeitete in Vollzeit
Verschärft werden die Personalengpässe in Heimen und ambulanten Diensten dadurch, dass die wenigsten in dieser Branche Vollzeitkräfte sind. Laut IT.NRW arbeitet die Mehrheit des Pflegepersonals (54 Prozent) in Teilzeit, ein Wert, der sich seit den letzten Erhebungen kaum verändert hat. Nur rund ein Viertel der Beschäftigten ist in Vollzeit tätig (Pflegedienste: 29,6 Prozent; Pflegeheime: 25,8 Prozent). Mini-Jobs sind vor allem in ambulanten Pflegediensten verbreitet: Dort machen geringfügig Beschäftigte 17 Prozent des Personals aus, in Pflegeheimen liegt der Anteil bei 9 Prozent.
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Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW, sieht hierin klare Alarmsignale. Sie erklärt: „Viele Pflegekräfte reduzieren ihre Arbeitszeit, weil sie den Belastungen einer Vollzeitstelle nicht mehr gewachsen sind. Stattdessen entscheiden sie sich häufig für 80-Prozent-Stellen.“ Zudem betont sie die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf: „Für junge Eltern ist eine Vollzeitstelle in der Pflege oft einfach nicht machbar.“ Ein weiteres drängendes Problem sieht Postel in der Altersstruktur: „Rund 30 Prozent der Pflegekräfte werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Wir haben bereits den Punkt erreicht, an dem nicht mehr genügend Nachwuchskräfte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken.“
Sandra Postel, Pflegekammer NRW: „Wir wussten seit Jahren, dass dieser Moment kommen wird.“
„Der Mangel an Pflegekräften ist ein Mangel an guten Arbeitsbedingungen“, schreibt die Verdi-Landesbezirk NRW auf Nachfrage der Redaktion. „Während das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Pflege steigt, sinkt die Belastungsfähigkeit. Der überdurchschnittlich hohe Anteil an Teilzeitkräften macht deutlich, dass viele diese Arbeit nicht mehr in Vollzeit leisten können“, erklärt die Gewerkschaft. Schichtdienste und häufiges Einspringen aus der Freizeit tragen laut der Gewerkschaft dazu bei, dass der Pflegeberuf besonders für Menschen mit Familie oder pflegebedürftigen Angehörigen wenig attraktiv ist.
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Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW, verweist auf weitere Probleme, die die Situation verschärfen. Sie nennt mangelnde gesellschaftliche Anerkennung, fehlende Karriereperspektiven und hohe bürokratische Hürden, insbesondere für Fachkräfte mit Migrationshintergrund. „Hinzu kommt, dass Pflegende mit Migrationshintergrund häufig von rassistischen Anfeindungen berichten“, ergänzt Postel.
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