Düsseldorf. Sie werden beleidigt, geschlagen, bespuckt, aber jetzt wehren sie sich: Was das medizinische Personal in NRW von der Politik fordert.

Mediziner, Beschäftigte in Arztpraxen sowie Pflegekräfte fordern die NRW-Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für härtere Strafen gegen Menschen einzusetzen, die in Gesundheitseinrichtungen gewalttätig werden.

Gewaltexzess im Essener Elisabeth-Krankenhaus beschleunigt die Diskussion

„Wir fordern von der Politik, dass Gewalt in Praxen und Krankenhäusern mit dem gleichen strafrechtlichen Maß bewertet und geahndet wird wie bei Übergriffen gegen Polizei und Rettungsdienst“, schreiben Dr. Frank Bergmann und Dr. Carsten König, Vorsitzende der  Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, in einer Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss des Landtags. Wer Polizistinnen und Polizisten attackiert, muss mit Freiheitsstrafen bis drei, in schweren Fällen bis zu fünf Jahren rechnen.

Die schon länger anhaltende Diskussion über Gewalt gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen hatte nach einem Gewaltexzess im Essener St. Elisabeth-Krankenhaus im September 2024 noch weiter Fahrt aufgenommen. Damals hatten Angehörige eines verstorbenen Patienten in der Klinik Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegriffen und sechs Personen teils schwer verletzt. Die Tatverdächtigen sollen dem Clan-Milieu angehören.

Fast jeder Zweite wurde in den vergangenen fünf Jahren von Patienten angegriffen

Dieser Fall fand bundesweit Beachtung, ist aber nur einer unter vielen. Laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Sommer 2024, an der sich rund 7.600 Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Medizinische Fachangestellte beteiligten, gaben 85 Prozent der Befragten an, dass Beschimpfungen, Beleidigungen oder Bedrohungen durch Patienten in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hätten. Fast jeder Zweite gab an, in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal von einem Patienten körperlich angegriffen oder bedroht worden zu sein.

Krankenhausgesellschaft NRW hält die Entwicklung für „verabscheuungswürdig“

In allen Stellungnahmen, mit denen sich der Gesundheitsausschuss am kommenden Mittwoch in einer Expertenanhörung auf Antrag der FDP-Landtagsfraktion beschäftigen wird, steht, dass der Leidensdruck des medizinischen Personals wegen der vielen Angriffe groß sei. Die Krankenhausgesellschaft NRW spricht von einer „durch und durch perfiden Entwicklung“. Dass Menschen, die in Not und Krankheit helfen wollten, immer wieder von körperlicher und psychischer Gewalt betroffen seien, sei „verabscheuungswürdig und nicht hinnehmbar“.

Suchen sich Mediziner bald Berufsfelder ohne Patientenkontakt?

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe warnt in diesem Zusammenhang vor einer möglichen Verschärfung des Fachkräftemangels: „Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Pflegefachpersonal und Medizinische Fachangestellte werden sich in andere Berufsfelder ohne direkten Patientenkontakt flüchten, wenn nicht umgehend ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen werden.“  Laut Laura Dalhaus vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband Westfalen-Lippe würden die Beschäftigten in vielen Fällen attackiert, weil die Gewalttäter sie als Repräsentanten des Staates missachteten. Der Staat müsse dieses Personal so gut schützen wie zum Beispiel die Polizei.

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