Düsseldorf. Metro-Chef Greubel sieht tausende Betriebe vor dem Aus, sollte die Mehrwertsteuer steigen. Bei der Metro in Deutschland sieht er Handlungsbedarf.

Auf seinem Social-Media-Kanal hat Metro-Chef Steffen Greubel ein Video veröffentlicht, das er mit dem Essener Promi-Koch Nelson Müller gedreht hat. Es zeigt die beiden Männer im Boxring, wie sie auf einen Sandsack mit der Aufschrift „19 Prozent Mehrwertsteuer“ einschlagen. In der Corona-Krise ist die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie bundesweit auf sieben Prozent gesenkt worden – nun befürchten Greubel und Müller eine Anhebung auf das frühere Niveau.

Wenn Steffen Greubel über die Lage in Deutschlands Gastronomie-Betrieben spricht, wird seine Stimme noch kämpferischer, als sie ohnehin meist schon ist. Schon jetzt stehe die Branche massiv unter Druck, sagt er bei einem Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf. Die Gastronomie sei „voll von der Lebensmittel-Inflation betroffen“, habe einen „Energiepreis-Schock“ zu verkraften, suche händeringend nach Personal – und ihr stecke noch die Pandemie in den Knochen. „Die großen Trends kommen alle in der Gastro zusammen“, sagt Greubel. Insbesondere die hohen Preise für Strom und Gas seien eine enorme Belastung. „Kochen und Heizen gleichzeitig kostet extrem viel Geld“, gibt Greubel zu bedenken. Die Gastronomie sei eine „Hoch-Energiebranche“. Greubel befürchtet ein Gaststätten-Sterben.

Im Vergleich zur Zeit vor Corona gebe es schon jetzt etwa 30.000 Gastronomie-Betriebe weniger, sagt der Chef des Düsseldorfer Lebensmittel-Großhändlers. Bei einer Mehrwertsteuer-Erhöhung seien mindestens weitere 10.000 Betriebe in Gefahr, warnt er unter Berufung auf Schätzungen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). „Man sieht schon das Gaststätten-Sterben auf dem Land sehr stark“, sagt Greubel.

Metro-Chef Steffen Greubel – hier bei einer Unternehmensveranstaltung: Der Chef des Lebensmittelgroßhändlers will den Düsseldorfer Konzern grundlegend verändern. Die Metro müsse ihr „Dahinverwaltungsgehabe“ überwinden, sagte Greubel vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV).
Metro-Chef Steffen Greubel – hier bei einer Unternehmensveranstaltung: Der Chef des Lebensmittelgroßhändlers will den Düsseldorfer Konzern grundlegend verändern. Die Metro müsse ihr „Dahinverwaltungsgehabe“ überwinden, sagte Greubel vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV). © dpa | Rolf Vennenbernd

Der Metro-Konzern ist als Lebensmittelgroßhändler abhängig von der Nachfrage aus den Gastronomie-Betrieben. Der NRW-Konzern hat sich nach dem Verkauf der Supermarktkette Real und der Warenhausmarke Kaufhof auf das Geschäft mit Restaurants, Hotels und Lieferdiensten spezialisiert. In über 30 Ländern ist das Unternehmen aktiv – mit mehr als 93.000 Mitarbeitern.

Auf dem Heimatmarkt sieht Greubel im eigenen Unternehmen einen enormen Veränderungsbedarf. „Wir sind ein halbes Museum – und ein halber Großhändler“, sagt er unumwunden. „Und wir müssen ein hundertprozentiger Großhändler werden.“ Ein Mentalitätswandel in der Firma sei dazu notwendig. Von einer „Kulturrevolution“ spricht Greubel. Die Metro müsse ihr „Dahinverwaltungsgehabe“ überwinden und „aggressiv im Markt“ auftreten –„nah am Kunden, nah an der Ware, nah an der Basis“.

Es werde noch „zwei, drei Jahre“ dauern, bis die Metro in Deutschland ein „hundertprozentiger Großhändler“ sei, so der Konzernchef. Aber es sei schon „eine ganze Menge“ passiert.

„Was ich nicht mehr möchte, sind S-Klassen und Vorstandsaufzüge“

Um die neue Haltung im Konzern vorzuleben, arbeite er auch einmal im Jahr im Restaurant und bediene Gäste, erzählt der Manager, der früher bei der Unternehmensberatung McKinsey tätig war. Mindestens zweimal jährlich sei er beim Verkauf in der Fischabteilung der Metro anzutreffen, so Greubel. „Ich habe mich da ausbilden lassen“, sagt der Konzernchef. „Ich glaube, man muss das einmal verstehen, wie das mit den Fingern im Eis ist.“ Die Metro müsse „wieder wie ein Mittelständler, wie ein Familienunternehmen“ sein. „Was ich nicht mehr möchte, sind S-Klassen, Vorstandsaufzüge und irgendwelche komischen Insignien der Corporate-Macht.“ Er duze auch alle Beschäftigten – und werde gerne zurückgeduzt.

Den Metro-Konzern vergleicht Greubel mit einem Tanker. Das Unternehmen sei als „Geisterschiff“ unterwegs gewesen, sagt er. Jetzt ächze und knarze es, aber das Schiff fange an, den Kurs zu ändern. „Natürlich laufen die Maschinen noch nicht schnell genug“, so Greubel. Aus einem „alten rostigen Dampfer“ werde nicht durch bloßes Wunschdenken ein Schnellboot. „Das ist harte Arbeit“, sagt Greubel. Aber er sei zuversichtlich: „Und sie bewegt sich doch, die Metro.“

Metro-Chef: Haben schon über 200.000 Produkte aussortiert

Entscheidende Stellschrauben seien das Sortiment und der Preis. Tausende Produkte, die sich nicht gut verkauft hätten, seien aussortiert worden. Vor einem Jahr habe es bei der Metro noch insgesamt eine Million Produkte gegeben. Mehr als 200.000 davon seien bereits ausgelistet, berichtet Greubel, der sich von weiteren Waren, die schwer in den Regalen liegen, verabschieden will. „Es geht nicht darum, dass wir möglichst viele verschiedene Ketchups haben, sondern es geht darum, den einen oder die drei zu haben, die der Gastronom auch wirklich kauft.“

Das Geschäft mit der Belieferung von Gastronomie-Betrieben will Greubel ausbauen. Die mehr als 600 Märkte der Metro seien dafür eine gute Plattform. Flächen, die durch den Verzicht überflüssiger Produkte frei würden, könnten für die Logistik genutzt werden.

Die Zahl der Außendienstler will der Metro-Chef verdoppeln. Als er vor zwei Jahren angefangen habe, habe das Unternehmen rund 6500 Außendienstler beschäftigt, die mit dem Auto von Restaurant zu Restaurant fahren. „Wir haben jetzt über 1500 Verkäufer mehr“, berichtet Greubel. Er strebe insgesamt eine Mannschaft von 12.000 Verkäufern an. Im Lebensmittelgroßhandel sei es wichtig, dass „jemand dem Gastronomen persönlich gegenübersitzt“.

Tschechischer Unternehmer Kretinsky hat Schlüsselrolle

Greubel ist seit Mai 2021 Vorsitzender des Vorstands der Metro. Vor einigen Wochen ist sein Vertrag bis zum Frühjahr 2029 verlängert worden. Eine wichtige Rolle im Konzern spielt der tschechische Unternehmer Daniel Kretinsky, der auch an einer Übernahme der Stahlsparte von Thyssenkrupp interessiert ist. „Er sieht sich als langfristig orientierter Investor“, sagt Greubel mit Blick auf die Metro, wo Kretinsky rund 46 Prozent der Anteile hält. „Wir reden nicht über den Aktienkurs.“ In seinen Gesprächen mit Kretinsky gehe es in erster Linie um die „Transformation des Geschäftes“.

Ein wichtiger Markt für die Metro ist nach wie vor Russland. Fast 100 Läden mit rund 9000 Beschäftigten betreibt der Düsseldorfer Konzern in dem Land, das Krieg gegen die Ukraine führt. Auch in der Ukraine ist die Metro aktiv. Einen Ausstieg aus Russland – nach Frankreich der zweitgrößte Auslandsmarkt des Konzerns – plane er weiterhin nicht, sagt Greubel. Der Düsseldorfer Konzern ist in Russland an vielen Standorten Eigentümer großer Immobilien in guter Lage. Von Woche zu Woche werde der Vorstand die Situation in Russland neu bewerten. Die Entscheidung zum Verbleib habe sich das Metro-Management nicht leicht gemacht. Dass es daran auch Kritik gebe, finde er im Übrigen „völlig in Ordnung“, sagt Greubel.

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