Essen. Galeria zieht weg, nun sucht auch Evonik Alternativen für eine kleinere Zentrale. Verhandlungen über neuen Mietvertrag für die alte ziehen sich.

Die Zentrale des Essener Chemiekonzerns Evonik ist das erste, was Pendler und Besucher der Stadt sehen, wenn sie im Zentrum von der A40 abfahren. Abends leuchten den Autofahrern die beiden Türme entgegen, zu besonderen Anlässen gerne auch in den Regenbogenfarben als politisches Statement. Doch das MDax-Unternehmen lässt nach Informationen unserer Redaktion derzeit das Düsseldorfer Büro eines internationalen, auf Gewerbeimmobilien spezialisierten Maklerbüros nach Alternativen suchen.

Das Spezialchemieunternehmen ist wie so viele Konzerne nicht Besitzer seiner Zentrale, sondern mietet sie. In diesen Zeiten, in denen die Büros großer Unternehmen wegen des anhaltenden Trends zum Homeoffice an vielen Tagen deutlich dünner besetzt sind, stehen die Zeichen in der gesamten Büroimmobilienbranche auf Verkleinerung. Bei Evonik kommt noch der aktuelle Stellenabbau hinzu.

Keine 1000 Beschäftigte mehr in der Evonik-Zentrale

Wie viele der 1500 zu streichenden Stellen in Deutschland in der Verwaltung wegfallen, ist zwar noch unklar. Aber die Tendenz zeigt weiter nach unten. Hunderte Stellen sind bereits in den vergangenen Jahren abgebaut worden, aktuell sitzen keine 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr in der Zentrale.

Evonik bestätigte auf Anfrage, dass alternative Standorte sondiert werden, betonte allerdings, dass es keinerlei Vorentscheidung gebe und auch der Verbleib im Gebäude am Essener Hauptbahnhof eine Option sei. „Wir stehen in Verhandlungen mit dem Vermieter“, sagte ein Konzernsprecher, „wir fühlen uns wohl hier“. Allerdings laufe der Mietvertrag im Sommer 2026 aus. Müsste Evonik umziehen, blieben demnach nur noch zwei Jahre, was kurz ist für die Suche nach einer Zentrale dieser Größenordnung.

Deshalb: „Es gehört dazu, auch mögliche Alternativen zu erkunden. Das tun wir rechtzeitig und mit Sorgfalt“, so der Konzernsprecher. Evonik suche „in Essen, aber auch innerhalb der Rhein-Ruhr-Region“. Zu einzelnen, möglichen Standorten äußerte er sich nicht. In mit dem Vorgang vertrauten Kreisen wurde etwa das wenige Kilometer weiter nördlich gelegene Areal gegenüber dem Thyssenkrupp-Quartier sondiert, seine Tauglichkeit aber fragwürdig genannt.

Galeria Karstadt Kaufhof verlässt Essen zum Jahreswechsel

In Bredeney habe sich Evonik früher bereits ein Areal für einen Neubau angeschaut, das aber verworfen, heißt es in den Kreisen. Ebenfalls in Bredeney steht die Zentrale des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof, der diese allerdings zur Jahreswende 2024/25 Richtung Düsseldorf verlassen will. Sie kommt für Evonik aber nicht infrage.

Einen Teil des Gebäudekomplexes Rellinghauser Straße 1-11 nutzt Evonik schon lange nicht mehr, Thyssenkrupp war zwischenzeitlich in die Häuser 1 und 3 eingezogen, ist inzwischen aber wieder ausgezogen. Der dauerkriselnde Industriekonzern hat selbst seine Verwaltung deutlich verschlankt und inzwischen seinerseits große Flächen seiner Quartier-Würfel untervermietet, etwa an Siemens und Eon. Dass sich nun auch Evonik zumindest dort umgesehen haben soll, ist in Maklerkreisen nicht frei von Ironie.

Homeoffice: Viele Unternehmenszentralen sind nur noch spärlich besetzt

Es ist aber auch Ausdruck einer Entwicklung, die viele Konzerne und damit die gesamte Branche der Büro- und Gewerbeimmobilien trifft: Die schicken, repräsentativen Unternehmenszentralen werden aller Orten zu groß, sind inzwischen klar überdimensioniert. Dies keineswegs nur und in vielen Fällen auch gar nicht aufgrund von Stellenabbau, sondern seit der Corona-Pandemie wegen der enorm ausgeweiteten Möglichkeiten für die Beschäftigten, an mehreren Tagen in der Woche oder ganz im Homeoffice zu arbeiten. Dieser Trend hat sogar die Stadtverwaltungen im Ruhrgebiet erfasst.

Anders als vor einigen Jahren bei RWE im benachbarten Turm hört man bei Evonik aber keine Klagen darüber, wie schrecklich die Arbeitsbedingungen in der Zentrale seien. „Wir haben aktuell keine Präferenz für andere Standorte“, bekräftigt der Konzernsprecher. In Immobilienkreisen heißt es aber, die Verhandlungen mit dem Vermieter über einen neuen Vertrag zögen sich arg in die Länge.

Preise und Mieten für Büroimmobilien im Ruhrgebiet stark unter Druck

Auch das ist alles andere als ungewöhnlich in diesen Zeiten: Die Immobilienbesitzer bekommen die Nachfragekrise und wachsende Leerstände in Form sinkender Mietpreise zu spüren. Sie versuchen natürlich, drohende Einnahmeverluste zu vermeiden oder in Grenzen zu halten.

Ein Neubau, der sich etwa direkt gegenüber der Evonik-Zentrale auf den Flächen früherer RWE-Gebäude an der A40 anbieten würde, ist nach unseren Informationen für Evonik aktuell keine sehr wahrscheinliche Option. Zum einen widersprächen die Kosten dem aktuellen Sparkurs. Zum anderen würde es zeitlich sehr eng, binnen zwei Jahren eine neue Zentrale hochzuziehen.

Deshalb lässt der Chemiekonzern nun Immobilienprofis nach geeigneten Mietobjekten in der Region suchen. Für die Stadt Essen, die sich ihrer vielen hochkarätigen Konzernzentralen von RWE und Eon über Thyssenkrupp, Brenntag, Hochtief und Schenker rühmt, wäre ein Wegzug von Evonik nach dem Verlust der Karstadt-Zentrale ein weiterer Rückschlag.

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