An Rhein und Ruhr. Die Suche nach einem Koch lässt Gastronomen im Ruhrgebiet verzweifeln. „Wir finden einfach keine Auszubildenden.“ Die Gründe sind vielfältig.

„Ich komme von vorne bis hinten nicht klar“, berichtet Uwe Elstermeier. Er sucht einen zweiten Koch für sein Restaurant Malakow auf der Zeche Carl in Essen – seit fünf Monaten. Trotz Arbeitsagentur und Stellenanzeigen im Internet habe sich niemand beworben. „Es ist eine Katastrophe, einen Koch zu finden. In den letzten Jahren ist es fast unmöglich geworden. Seit Corona de facto unmöglich.“

Elstermeier sei dauerbesorgt, weil er nicht wisse, ob er ausreichend Personal für die Saison im Herbst und Winter findet. So wie ihm geht es sehr vielen Gastronomen im Ruhrgebiet. Es fehlt nicht nur an Kellnerinnen und Kellnern. Auch in der Küche gibt es kaum Personal.

Personalmangel: Fast 200 freie Kochstellen allein in Essen und Umgebung

Roboter als Köche und Kellner - ist das die Zukunft?„Seit Jahren kämpft die Gastronomie mit absolut sinkenden Personalzahlen. Der Fachkräftemangel hat sich in der Pandemie noch einmal verschlimmert“, sagt Carsten Taudt, Geschäftsführer für Bildung und Fachkräftesicherung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen. Viele ehemalige Mitarbeitenden sind abgewandert, so Taudt, und potenzielle Bewerber verunsichert, ob die Gastronomie mit Blick auf die steigenden Corona-Fallzahlen weiterhin geöffnet bleibt.

Wer in diesen Tagen bei großen Jobbörsen im Internet nach einer freien Stelle als Koch sucht, sieht den Personalmangel auf einen Blick: Fast 200 Stellenanzeigen allein in Essen und 30 Kilometern Umgebung listet zum Beispiel Stepstone auf. Doch nicht nur die Pandemie ist ein Grund für die missliche Lage.

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Abbrecherquote in der Kochausbildung ist überdurchschnittlich hoch

Im vergangenen Jahr vergingen im Schnitt 117 Tage, knapp vier Monate, bis eine Kochstelle besetzt worden ist, teilt die NRW-Arbeitsagentur auf Nachfrage unserer Redaktion mit. Im Juli 2022 gab es in NRW knapp 1800 unbesetzte Fachstellen als Koch. 3300 Köche waren arbeitslos gemeldet – fast zwei arbeitslose Köche gegenüber einer freien Stelle.

Eine Erklärung: „Die Vertragslösungsquoten sind im Gastgewerbe etwas höher als im Durchschnitt“, sagt der IHK-Fachkräftechef. In NRW hat 2021 zum Beispiel mehr als jeder vierte Koch-Auszubildende die Lehre im ersten Jahr abgebrochen. Davon seien fünf Prozent jene, die die Ausbildung gar nicht erst angetreten seien.

Aber nicht nur die Auszubildenden schmissen hin. In der Hälfte der Fälle hätten sich die Betriebe getrennt. Wieso? „Im Gastgewerbe sind nicht immer die stärksten Kandidaten, um es mal vorsichtig auszudrücken“, so Taudt.

Viele Restaurantbetreiber kritisieren die Einstellung von jungen Bewerbern

Mehr ausländische Fachkräfte zieht es nach DeutschlandViele Restaurants im Ruhrgebiet wollen nicht über den Personalmangel reden. „Da will man gar nicht mehr drüber sprechen. Das Thema macht einen mürbe“, sagt zum Beispiel eine Gastronomin aus Gelsenkirchen auf Nachfrage unserer Redaktion. Sie seufzt tief. Dann erzählt sie doch ein wenig von ihren Erfahrungen, möchte aber lieber anonym bleiben.

Früher habe sie in ihrem Restaurant jedes Jahr ausgebildet. Doch dann sei die Arbeitseinstellung von jungen Bewerbern immer schlechter geworden. Viele kämen zum Beispiel zu spät und würden nicht zu den Prüfungen in der Schule auftauchen. Einmal sei ein Auszubildender nach drei Tagen einfach wortlos verschwunden und nicht mehr wiedergekommen. „Leute auf Drogen hatten wir auch schon. Ich gar kann nicht aufzählen, was ich schon alles erlebt habe“, sagt die Restaurantbetreiberin.

Heutzutage müsse man selbst die Augen nach geeigneten Kandidaten offenhalten. „Ein Gast ist zwölf Jahre alt. Er kommt oft mit seinen Eltern bei uns essen und sagt immer, er will im Service und in der Küche arbeiten.“ Ihr Mann antworte dann immer scherzhaft (und doch vollen Ernstes): „Na, hoffentlich wird der schnell älter.“

Verkürzte Öffnungszeiten und kleinere Speisekarten aufgrund von Personalmangel

Ein Grund für den Abbruch seitens der Azubis: „Koch ist ein Leidenschaftsberuf. Den Job kann man nicht machen, wenn er einem keinen Spaß bringt“, sagt der IHK-Fachkräftechef. Viele hätten das Bild einer entspannten Kochsendung im Kopf. „Aber es geht es mit Dampf zu. Oft herrscht ein Militärton in der Küche. Wenn das Essen raus muss, muss es raus.“ Diesen Stress müsse man abkönnen.

Die Gastronomie versuche sich seit Jahren mit angenehmeren Arbeitszeiten und besserer Bezahlung attraktiver aufzustellen. Zwischen 1000 und 1300 Euro brutto pro Monat verdienen Auszubildende im Hotel- und Gaststättengewerbe im ersten Lehrjahr laut Tarifregister NRW – „und damit mehr als in anderen Branchen“, so Taudt.

Viele Restaurants böten auch keinen Mittagstisch mehr an, hätten kleinere Speisekarten oder verkürzte Öffnungszeiten. „Manchmal gedrungen aus der Not heraus, dass man gar kein Personal hat.“

Vor 30 Jahren soll es bis zu 20 Bewerbungen auf eine Ausbildungsstelle gegeben haben

Ein Betroffener ist Jörg Thon. Auch er öffnet sein Restaurant – den Bürgergarten in Mülheim – mittlerweile nur noch an fünf Tagen pro Woche. „Wir müssten locker drei Leute einstellen, um noch einen sechsten Tag zu öffnen. Ob sich das lohnt, ist die Frage.“

Schon seit 30 Jahren bildet der örtliche Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Personal für die Gastronomie aus. Damals seien bis zu 20 Bewerbungen auf eine Stelle eingegangen. „Aber das wurde immer weniger. Irgendwann musste man den Bewerber nehmen, der kam – wenn überhaupt noch einer kam“, berichtet Thon.

Um einen Koch brauche er sich derzeit „Gott sei Dank“ keine Sorgen zu machen. Er sei in der glücklichen Lage, einen jungen Mann gefunden zu haben. „Ich bin auf ihn zu und habe ihm die Ausbildung angeboten. Hätte ich offiziell Bewerber gesucht, hätte ich wahrscheinlich keinen bekommen.“