Essen. . Laut Studien sprudeln die Erdölquellen noch viele Jahrzehnte. Eine grüne Verkehrswende muss daher politisch gewollt sein.

Stichtag war der 2. August. An diesem Tag, dem „Earth Over­shoot Day“, hatte die Menschheit bereits so viele natürliche Ressourcen verbraucht, wie die Erde in einem ganzen Jahr regenerieren kann. Beutet die Menschheit die Natur im gleichen Stile weiter aus, benötigt sie bald zwei Erden. Schon 1972 verdarb der US-Ökonom Dennis Meadows den Menschen die Zukunft. In seinem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ sagte er voraus, dass alle natürlichen Vorräte nicht reichen werden, um die Menschheit in Zukunft zu versorgen. „Seit der Veröffentlichung des Buches sind mehr als vier Jahrzehnte vergangen, meine These aber ist immer noch nicht widerlegt worden“, sagte er bei einer Diskussion in Bremen.

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Ressourcen sind endlich, mahnt Meadows, doch bei der Ölproduktion scheint es immer noch gigantische Reserven zu geben. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schlummern unter der Erdoberfläche und im Schiefergestein rund 800 Milliarden Tonnen Öl. Zum Vergleich: Seit Beginn der industriellen Förderungen wurden laut BGR 183 Milliarden Tonnen verbraucht. Weltweit stieg die Ölförderung im Jahr 2015 um 2,5 Prozent auf ein Allzeithoch von über 4,3 Milliarden Tonnen. Zugleich legte der Erdölverbrauch um ein Prozent auf 4,35 Milliarden Tonnen zu. Glaubt man dem Chefökonomen des Ölmultis BP, sitzt die Welt auf doppelt so viel Öl, wie sie bis 2050 braucht.

Öl aus immer größeren Tiefen

Umso verwunderlicher erscheint es da, dass die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem Bericht „Oil 2017“ vor einem drohenden Angebotsengpass in den kommenden fünf Jahren warnt. So widersprüchlich dies klingt, es passt doch zusammen.

Denn es ist alles eine Frage des Preises. Um neue Ölvorkommen zu erschließen, müssen immer aufwändigere technische Methoden eingesetzt werden. Die Ölindustrie sucht in immer größeren Tiefen unter dem Meeresboden und in entlegenen Gebieten nach Lagerstätten, etwa in der Arktis. Auch die Gewinnung von Öl aus Schiefersanden, wie sie die USA vorantreiben, ist kostenintensiv. Die Unternehmen kalkulieren daher genau, wie viel Geld sie in neue Projekte investieren wollen.

Und hier liegt das Problem, denn in den vergangenen Jahren brachen die Investitionen laut IEA drastisch ein. Ein Grund dafür war der niedrige Ölpreis. Schon in wenigen Jahren drohe daher eine Verknappung des Ölangebots. Hinzu kommt: Nach Berechnungen der Experten sinkt die Ölnachfrage in der OECD, also der Gruppe der Industrieländer, bis 2022 leicht aber stetig. Bereits seit 2005 sei dieser Trend zu beobachten. Grund dafür sei vor allem der Einsatz effizienterer Motoren sowie der wachsende Anteil erneuerbarer Energien.

Vorschläge aus Wuppertal

Zwar ist offenbar genug Öl vorhanden, doch werden die Reserven womöglich gar nicht mehr angezapft. Ein geflügeltes Wort in der Branche geht so: Genauso wie die Steinzeit nicht deshalb geendet hat, weil es keine Steine mehr gibt, wird auch das Ölzeitalter nicht deshalb enden, weil es kein Öl mehr gibt. Die Öl-Ära wird also dann zu Ende gehen, wenn die Menschen beginnen, andere Energiequellen zu bevorzugen. Ein Umsteuern ist daher keine Frage eines drohenden Mangels, sondern der ökologischen Vernunft.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat dafür kürzlich ein Szenario entwickelt. Die Forscher rechneten vor, wie eine Wende im Verkehrsbereich gelingen und eine klimaneutrale Mobilität in Deutschland bis zum Jahr 2035 erreicht werden könnte. Dies erfordere unter anderem:
– massive Investitionen in die Schieneninfrakstruktur
– eine Verringerung des Pkw-Verkehrs durch Steuern und Maut
– die Abschaffung von Subventionen („Dienstwagenprivileg“)
– eine Beschleunigung der Energiewende, damit E-Mobilität nachhaltig versorgt werden kann
– die Förderung des Fuß- und Radverkehrs
– eine nahezu vollständige Elektrifizierung des Personenverkehrs

Mehr Strom aus Sonne, Wind und Wasser nötig

Doch die komplette Umstellung auf Elektro-Mobilität würde den Strombedarf in Deutschland deutlich erhöhen. Soll dies nachhaltig sein, kommt es auf die Art der Stromerzeugung an. Wird er etwa in Kohlekraftwerken erzeugt, bleibt die Klimabilanz eines E-Autos mies. „Elektromobilität kann ihre Vorteile erst dann ausspielen, wenn der Strom regenerativ zur Verfügung steht“, stellt das Umweltbundesamt fest. Es müsse daher deutlich mehr Strom aus Sonne, Wind und Wasser erzeugt werden als bisher.

Ohne den zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung würden die Gesamtemissionen von E-Autos sogar steigen, und zwar um rund 16 Prozent im Jahr 2030, ergab eine Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts. Tanken die Batterie-Fahrzeuge aber puren Ökostrom, könnten die Emissionen gegenüber einem herkömmlichen Vergleichsfahrzeug um über 90 Prozent gesenkt werden.

Produktion der Akkus umweltschädlich

Offenbar haben die Forscher aber die Rechnung ohne die Batterie gemacht. Die Studie eines schwedischen Umweltinstituts enthüllte jetzt, dass die Produktion der Akkus deutlich umweltschädlicher ist als bisher angenommen. Die Herstellung einer Batterie verschlinge so viel Energie, dass sich ein positiver Effekt beim CO2-Ausstoß bei einer Tesla-Limousine erst nach acht Jahren ergebe. Um so viel Klimagas in die Luft zu blasen, wie bei der Herstellung eines 100 kWh-Akkus entsteht, könnte ein sparsamer Kleinwagen mit Benzin- oder Dieselmotor bis zu 200 000 Kilometer fahren.

Bei der CO2-Bilanz hat das E-Auto beim aktuellen Strommix im Vergleich zu einem sparsamen Benziner noch keinen Vorteil, erkannte auch das Umweltbundesamt. Um Elektrofahrzeuge umweltfreundlicher zu machen, müssten sie also mit vorwiegend grüner Energie gebaut und betrieben werden. Nötig dafür sind energiepolitische Weichenstellungen. Es sei denn, die Welt vertraut weiterhin dem Optimismus von BP: Bis 2050 reicht das Öl – mindestens.