Aachen. . Prof. Schuh von der RWTH will mit dem für den Cityverkehr entwickelten E.Go die Elektromobilität erschwinglich machen. Die Chancen stehen gut.
Tom und Jerry, Dorie, Ernie, Lucky und Speedy, der nächste wird Kermit sein. Noch ist Zeit, den ersten handgefertigten Exemplaren des „E.Go“ Namen von Trickfilmfiguren zu geben. So possierlich wie ihre Spitznamen ist ihr Auftrag nicht: Sie sollen nicht weniger als den Markt für Elektroautos revolutionieren. Professor Günther Schuh von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen verspricht für die Serienfertigung im nächsten Jahr den billigsten E-Pkw und nach Betriebskosten „den günstigsten Neuwagen überhaupt“.
Mit dem Start-up E.Go Mobile AG auf dem Campus der RWTH in Aachen versucht er das bislang unmöglich Erscheinende. Denn abseits vom Milliardärsprojekt Tesla hat es keines der vielen ambitionierten Elektroauto-Projekte der letzten Jahre geschafft. Die meisten Ideen wie der E-Trabi blieben im Entwurfsstadium stecken. Oder sie fielen in der Produktion zu schlecht und viel zu teuer aus wie der durchaus interessante Minibus Mia des großen französischen Zulieferers Heuliez. Der dänische Star-Autodesigner Henrik Fisker brachte sein elegantes Luxusauto Karma zwar auf die Straße, fuhr aber schnell in die Pleite. Zu einem halbwegs regulären Vertrieb in Deutschland brachten es bislang nur Elektroroller-Hersteller.
Der günstigste Elektro-Pkw aus dem Hochlohnland
Warum sollte es einem dazu auch noch im Hochlohn-Deutschland gefertigten Elektroauto mit dem Anspruch, ein vollwertiger Kleinwagen ohne Abstriche bei Sicherheit und Komfort zu sein, anders ergehen als den vielen Vorfahrern? Auf die provokante Frage zuckt bei Günther Schuh nur ganz kurz das Augenlid, dann sagt er: „Es gibt ein halbes Dutzend Maßnahmen, die anders sind als in der Automobilindustrie.“
Die Serie im Überblick
- Editorial
- Wie die Uni Aachen den Elektroautomarkt aufmischen will
- Mülheimer Forscher setzt auf grünen Sprit statt Batterie
- Wenn bei Fahrzeugen nur Wasser aus dem Auspuff tropft
- Wann endet das Ölzeitalter?
- Radeln Berufspendler im Revier künftig zum Arbeitsplatz?
- Nahverkehr soll mit E-Bussen ausgestattet werden
- Darum ist die Formel E eine Rennserie der Zukunft
- Das würde ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen bringen
- Uwe Schneidewind zur Mobilitätswende: "Der Wandel in den Köpfen kommt“
- Die Menschen lieben ihre Autos wie Wohnzimmer auf Rädern
- Zukunft der Mobilität: 260 E-Busse für Maastricht bis 2025
- Binnenschiffe müssen sauberer werden
Die wichtigsten: ein Rahmen aus standardisierten Aluminium-Profilen, keine Lackierung, eine Außenhaut aus eingefärbtem Kunststoff (deren Färbung zur Namensgebung für die Vorserie inspirierte. Kermit – grün, Dorrie – blau, Ernie – bunt). Keine Presswerkzeuge für die sonst üblichen Karosseriebleche, nur zwei Prozent des normalen Aufwands für Werkzeugkosten.
Kleiner Bruder des Streetscooter der Post
Und: Mit dem elektrischen Zustellungsfahrzeug Streetscooter hat die RWTH bewiesen, dass sie ein Elektroauto bis zur Serienfertigung bringen kann, das von den großen Autoherstellern keiner bauen wollte. Das erfolgreiche Projekt, an dem Schuh entscheidend beteiligt war, hat die Deutsche Post bekanntlich inzwischen übernommen, und die Streetscooter sind Teil des Straßenbildes.
Wie beim Streetscooter ist die bedarfsgerechte Auslegung beim E.Go der entscheidende Faktor. Klein (3,35 Meter Länge), aber viersitzig, mit einer echten Reichweite von 100 Kilometern für den Stadtverkehr ausgelegt, kommt der Wagen mit einer kleineren Batterie aus (Kapazität 14,4 Kilowattstunden, beim Renault Zoe als meistverkauftem Elektroauto in Deutschland sind es 22 bis 41 kWh). Das senkt das Fahrzeuggewicht auf schlanke 820 kg (zum Vergleich Elektro-Smart: 1000 kg) und damit wiederum den Verbrauch, außerdem die Ladezeit: maximal 5,5 Stunden an einer normalen Haushaltssteckdose.
Erstaunlich hoher Reifegrad
Dieses Stadtauto-Konzept ist stimmig, und das blaue Exemplar Dorrie überzeugte bei einer ersten exklusiven Mitfahrt mit einem erstaunlich hohen Reifegrad für ein Vorserien-Exemplar. Das hatte etwa der (ebenfalls in der Praxis untergegangene) Sportwagenhersteller Artega vom renommierten Zulieferer Paragon aus Paderborn nicht geschafft.
Die nächste hohe Hürde für Einsteiger in die Autobranche ist stets die Produktion. Sie soll im Mai mit anfangs 155 Mitarbeitern im Einschichtbetrieb starten und nach drei Monaten auf eine zweite Schicht ausgeweitet werden, so Automobilexperte Günther Schuh (58). Hoch motivierte „Seniors“, die in der Blüte ihrer Arbeitsjahre bei großen Autobauern aus Kostengründen in den Vorruhestand geschickt wurden, bringen ihr Know-how ein. Geplant sind 1000 Fahrzeuge noch 2018, zehn Mal so viele im Folgejahr, später 20 000 pro Jahr. Für die weitere Ausweitung nach Italien, die Schweiz, Portugal/Spanien sowie Belgien müssten neue Produktionskapazitäten geschaffen werden.
1100 „e.goistische“ Vorbesteller haben 1000 Euro angezahlt. Vertrieben wird der E.Go übers Internet und über 80 bis 100 Servicestationen in Deutschland, für jeweils rund 500 000 Einwohner eine. Die sollen sich unter Bosch-Händlern rekrutieren, die bereits Autoverkäufer sind und etwa 200 E.Go im Jahr absetzen sollen, laut Schuh mit einer ganz normalen Gewinnspanne.
6000 Euro billiger als der E-Smart
Höchste Hürde für Auto-Einsteiger: Ein Auto ist immer nur so gut wie sein Preis. 15 900 Euro (4000 Euro Elektroauto-Prämie nicht eingerechnet) kostet das Basismodell aus Aachen. Zum Vergleich: Der batteriebetriebene Smart ist 6000 Euro teurer. Niedrige Versicherungseinstufungen und Betriebskosten von 15 Cent pro gefahrenem Personenkilometer verspricht Günther Schuh, „damit sind wir der günstigste Neuwagen überhaupt“.
Erfüllen die E.Go-Macher alle ihre Vorgaben, dann sollte das erste Serienexemplar die Farbe Schwarz tragen – und den Namen der dunkel gekleideten Zeichentrickfigur Gru aus der Filmreihe „Ich – einfach unverbesserlich“.