Essen. Der wahre Sieger des TV-Duells, so schien es, war Stefan Raab. Doch hat der ProSieben-Moderator wirklich den Talk neu erfunden? Sicherlich sind ihm einige originelle Einwürfe geglückt. Doch das Lob für ihn ist in Wirklichkeit Kritik an seiner Kollegenschar.
War’s denn wirklich so langweilig, dass „Bild“ Stefan Raab gleich zum Sieger des Kanzlerduells küren musste? Ein hübscher Gag, ganz gewiss, und sicherlich haben die kleinen Ausbrüche des 46-Jährigen dem ansonsten eher pastoralen Ton des Frage-Antwort-Spiels am Sonntagabend ein paar erfrischende Momente verpasst.
Das fast schon euphorische Lob für den Frechdachs der Branche war vor allem eine Kritik an seinen drei Mitstreitern: Die so genannten Politprofis von ARD, ZDF und RTL haben sich mit den Phrasen ihrer Gesprächspartner in ungezählten Talkrunden über die Jahre weitgehend arrangiert und lassen (zu) vieles laufen, ohne dazwischenzuhauen. Man sieht sich, man kennt sich.
Raab ist durch und durch Profi
Was soll der Raab da, kann er das, oder will er als Plappermaul nur herumalbern, hatten Beobachter im Sommer allzu aufgeregt gefragt, als der Unterhaltungsmann neben Anne Will, Maybrit Illner und Peter Kloeppel für die Runde mit Angela Merkel und Peer Steinbrück ausgewählt wurde. Ist das ein weiterer Schritt zur Banalisierung von Politik?, fürchtete mancher Zeitgenosse.
Bundestagswahl 2013Wer Raab kennt, hätte wissen können, dass solche Sorgen überflüssig sind. Es ist geradezu abenteuerlich anzunehmen, er würde je planen, einen solchen Abend in seine Show umzufunktionieren. Stefan Raab ist durch und durch Profi, was er anpackt, gelingt in der Regel, und auch wenn er sich nicht im Politbetrieb herumdrängt, kann man davon ausgehen, dass er sich perfekt vorbereitet, um sich nicht zu blamieren.
Brav in die Riege eingereiht - und darüber erschrocken
Dabei war er zunächst vermutlich über sich selbst ein bisschen erschrocken, zu brav hatte er sich in die Riege eingereiht, um ja keinen Fehler zu machen. Wo ist der unbekümmerte, der schlagfertige Stefan Raab?, fragte man sich. Warum bin ich eigentlich hier, wenn ich genauso steif herumstehe und so artig frage wie Peter Kloeppel, („Tut Herr Steinbrück Ihnen leid, Frau Merkel?“)?, wird er sich auf halber Strecke selbst gesagt haben. Was erwarten die Leute von mir, die womöglich meinetwegen eingeschaltet haben?
Merkel gegen Steinbrück
Und er legte die Zurückhaltung ab: Raab unterbrach immerhin den vor sich hinplätschernden Redefluss, wenn es ihm zu bunt wurde. Ist es nicht das, was man sich als Zuschauer so oft wünscht? Allerdings: Auch ihm gelang es letztlich nicht wirklich, irgendeine originelle Antwort bei Peer Steinbrück oder Angela Merkel hervorzukitzeln.
Raab wird wohl kaum zum Polit-Journalisten mutieren
Als sich Merkel auf Nachdruck endlich zu einem Bekenntnis gegen die Pkw-Maut hinreißen ließ, spürte man das Raab-Grinsen regelrecht im Hintergrund: „Das hätten wir auch schneller haben können.“
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Und wie er Peer Steinbrück am Ende auf eine Große Koalition festnageln wollte, gehörte sicherlich zu den Höhepunkten und zu den schmerzlichsten Augenblicken für den Herausforderer. „Das ist doch keine Haltung zu sagen: Ich will nur gestalten, wenn ich ,King of Kotelett’ bin“, rief Raab Steinbrück entgegen und erinnerte an Oliver Kahn, der auch als zweiter Torhüter zur Fußball-WM gefahren sei. Anne Will amüsierte sich sichtbar, und Merkel nahm den Ball dankbar auf: „Bei uns geht es erst um das Land, dann um die Partei, dann um die Person.“
Stefan Raab wird trotz des medialen Schulterklopfens klug genug sein, diese Momentaufnahme nicht überzubewerten. Der Kölner ist eine Rampensau, er probiert sich aus, er sucht neue Herausforderungen und weiß nun, dass er in einem solchen Format, allen Vorurteilen zum Trotz, keine schlechtere Figur macht als seine Kollegen. Es ist nicht zu erwarten, dass Raab zum Politjournalisten mutiert. Es würde ihm auch nicht gut tun.