Witten. Rot-Grün ist auch in Witten der große Wahlverlierer. Und wer lässt die Korken knallen? Eine Partei freut sich jetzt schon auf das nächste Jahr.
Die Grünen haben für den Wahlsonntag extra einen Tisch im Casa Cuba auf dem Rathausplatz gemietet. Doch zu feiern gibt es für die Öko-Partei nichts. Fünf Jahre nach ihrem Sensationssieg bei den Europawahlen 2019 in Witten stürzt die Öko-Partei nun um mehr als zehn Punkte in der Ruhrstadt ab. Knapp 15 Prozent bekommt sie diesmal, nach damals 25,6 Prozent. Großer Wahlsieger in der Ruhrstadt ist neben der Union die AfD.
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Die Rechtspopulisten legen in Witten von neun auf fast 13 Prozent zu, so das Ergebnis am späteren Abend nach 82 von 83 ausgezählten Stimmbezirken. AfD-Vorsitzender Matthias Renkel sieht in dem guten Abschneiden ein ermutigendes Signal für die 2025 anstehenden Kommunal- und Bundestagswahlen. „Dass wir gegenüber 2019 zulegen werden, haben wir ja erwartet“, so Renkel, der auch Kreissprecher ist. „Für uns ist die Europawahl vor allem eine Wahlprognose fürs nächste Jahr.“
Viele Menschen hätten am Wahlkampfstand sogar gesagt, dass sie eigentlich nicht wählen wollten, aber nach den Querelen um die Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Peter Bystron, „jetzt erst recht“. Renkel führt den Stimmengewinn auch auf den aus seiner Sicht guten Wahlkampf vor Ort zurück, der ihn „ausgelaugt“ habe.
SPD: Die Schuld liegt bei uns, nicht beim Wähler
Von einem „katastrophalen Ergebnis“ spricht Wittens SPD-Parteichef Axel Echeverria. „Meine Stimmung könnte besser sein.“ Er beglückwünscht die Union - und ist gleichzeitig erschrocken über das gute Abschneiden der AfD. „Jeder, der die AfD gewählt hat, wusste, wen er da wählt“, sagt der heimische Bundestagsabgeordnete. Die SPD müsse sich nun selbst hinterfragen. „Die Schuld liegt bei uns, nicht beim Wähler. Wir müssen uns ehrlich machen.“
In ihrer einstigen Hochburg Witten bleiben die Genossen diesmal unter 22 Prozent (2019: 23,4), wenngleich sie damit noch weit über dem Bundesdurchschnitt liegen. Die CDU ist mit fast 24 Prozent (2019: 19,8) der Wahlsieger in Witten. Parteichef Ulrich Oberste-Padtberg spricht von einer „klaren Botschaft“ der Wählerinnen und Wähler. „In allen neun Städten des EN-Kreises liegt die CDU vorne. Das hat es noch nie gegeben.“
Grünen-Vorstandsmitglied Marie Mauer findet das gute Abschneiden der AfD „erschütternd. Und dabei waren wir sehr optimistisch gestartet“. Regelrecht schockiert seien die Mitglieder, mehr als zehn Prozent hätten sie den Rechten in Witten nicht zugetraut. „Vor allem hat die AfD bei den jungen Wählern viele Stimmen bekommen“, sagt die 23-Jährige, hörbar aufgewühlt, eine Zielgruppe, die nun bei den Grünen fehle.
Und was meint Mauer zur großen Niederlage der eigenen Partei? „Themen wie Klimaschutz, die uns früher stark gemacht haben, sind gerade nicht mehr so im Fokus der Gesellschaft.“ Vor fünf Jahren fuhren die Wittener Grünen noch das beste Ergebnis im ganzen Ruhrgebiet ein. Dass die Partei vor Ort mit knapp 15 Prozent immerhin überm Bundestrend landet, sei ein schwacher Trost.
Kleine Parteien wie die FDP bleiben auf niedrigem Niveau stabil. Mit 5,3 Prozent erzielen die Liberalen in Witten ein etwas schlechteres Ergebnis als vor fünf Jahren. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das erstmals angetreten ist, schafft es auf Anhieb über die Fünf-Prozent-Marke. Die Linkspartei bekommt gerade mal noch 2,6 Prozent (4,7).
„Renitenter“ Wähler in der Wittener Rudolf-Steiner-Schule
In den Wahllokalen herrscht schon morgens reger Betrieb. Tatsächlich fällt die Wahlbeteiligung mit über 63 Prozent höher aus als vor fünf Jahren. Erstmals dürfen schon Jugendliche ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben. „Das gehört sich einfach so, wählen zu gehen“, sagt Erstwähler Tobias (17), der in der Brenschenschule in Bommern über Europa mitentscheidet.
Besondere Vorkommnisse? Im Wahllokal an der Rudolf-Steiner-Schule weigert sich ein „renitenter“ Wähler, seine Identität feststellen zu lassen. Die Wahlhelfer rufen die Polizei. Das Wahllokal im ev. Gemeindehaus in Rüdinghausen ist 15 Minuten vor der Wahl noch nicht geöffnet gewesen. Vorsichtshalber wird die Feuerwehr informiert, um im Notfall dem Wahlvorstand noch rechtzeitig den Zutritt zu ermöglichen. Am Ende eilt der kurzfristig informierte Pfarrer herbei und schließt die Räume auf.