Witten. Betrüger sind am Telefon oft erfolgreich. Ein Wittener Sicherheitsberater kennt alle dreisten Tricks - und wie man sich schützen kann.

Er kennt sie alle - die dreisten Tricks der Betrüger und Diebe. Gerhard Meudt ist seit 13 Jahren als Sicherheitsberater im Auftrag des Polizeipräsidiums Bochum unterwegs. Der Wittener macht den Job, seit es das Präventionsangebot gibt. Und er erzählt von haarsträubenden Fällen, die sich tatsächlich zugetragen haben. Damit will er warnen und aufklären. Denn Delikte gegen ältere Menschen bleiben auf konstant hohem Niveau, so Meudt. Doch nicht nur sie seien von Betrügereien betroffen.

Zuletzt machte allerdings der Fall einer 82-jährigen Oberhausenerin Schlagzeilen, die ein Betrüger in ein stundenlanges Telefonat verwickelte und schließlich überreden konnte, ihr Erspartes aus dem Fenster zu werfen. Auch in Witten haben Trickbetrüger Rentner schon um tausende Euro abgezockt. „Der Enkeltrick ist der Urvater des Betrugs“, sagt Gerhard Meudt. Daraus hätten sich alle weiteren und immer heimtückischeren Betrügereien am Telefon entwickelt. Sie gipfeln darin, dass die Anrufer sich als Polizisten oder Staatsanwälte ausgeben. Oder, eher neu, als Bankangestellte.

Mit Enkeltrick in Witten erfolgreich: 10.000 Euro erbeutet

Warnt die Wittener seit Jahren vor Telefonbetrügern, Trickdieben und Einbrechern: Seniorensicherheitsberater Gerhard Meudt.
Warnt die Wittener seit Jahren vor Telefonbetrügern, Trickdieben und Einbrechern: Seniorensicherheitsberater Gerhard Meudt. © Annette Kreikenbohm | Annette Kreikenbohm

Der Bommeraner hat zuletzt einen Mann in Witten betreut, der am Telefon die Stimme seiner Enkelin erkannt zu haben glaubte. Diese habe einen Unfall gehabt und ihn um 10.000 Euro gebeten - die der Opa im Hof ablegte. „Der Mann hat mir das hinterher unter Tränen erzählt“, so Meudt. Denn wer auf die Masche hereinfällt, schäme sich hinterher zumeist. „Weshalb wir von einer unheimlich hohen Dunkelziffer ausgehen müssen.“

Tatsächlich denke jeder, der so etwas liest: Wie kann man nur so gutgläubig sein? Zudem warnt die Polizei immer wieder vor diesen Tricks. Auch Meudt redet sich den Mund fusselig. Trotzdem passiere es jeden Tag. „Man muss sich mal in die Lage des Opfers versetzen“, so der 77-jährige ehemalige Betriebswirt, der sich seit der Rente bei der Polizei engagiert.

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Da ist ein älterer Mensch den ganzen Tag allein zu Hause. Plötzlich klingelt das Telefon. „Da freuen sich die Menschen erstmal.“ Dann der Schock, wenn der Anrufer eine hanebüchene Geschichte vorgaukelt oder gar mit der Stimme eines Angehörigen spricht. „Das setzt die Angerufenen unter einen derartigen Druck, dass sie in dem Moment nicht anders reagieren können.“ Den einzigen verlässlichen Rat, den Meudt geben kann: „Sofort auflegen!“

Polizei: Dunkelziffer viel höher

Die Zahlen wirken auf den ersten Blick nicht besonders hoch: Laut Kriminalstatistik gab es in Witten im vergangenen Jahr 119 Straftaten zum Nachteil älterer Menschen - darunter fällt etwa der Enkeltrick. In neun Fällen hatten die Täter Erfolg.

Im Jahr zuvor waren es 254 Fälle, davon zehn erfolgreiche. Die höhere Zahl sei noch den Nachwirkungen von Corona geschuldet, wo Betrügereien grundsätzlich zugenommen hatten, so Polizeisprecher Jens Artschwager. Er bestätigt die Aussage des Seniorensicherheitsberaters: „Die Dunkelziffer, die ist noch viel höher.“

Die Polizei etwa rufe niemals jemanden zu Hause an, „schon gar nicht unter der 110“. Auflegen solle auch, wer einen Anruf von der Bank bekommt, dass eine Überweisung vorliege, aber etwas mit der EC-Karte nicht stimme, weshalb ein Mitarbeiter diese samt Info über die PIN abholen werde. „Dann bitte den Fall auch stehenden Fußes bei Bank und Polizei melden“, so der Sicherheitsberater.

Handtasche am Rollator: Gefundenes Fressen für Diebe

Er kennt natürlich auch Fälle jenseits des Telefonbetrugs, bei denen Senioren Opfer werden. Zum Beispiel sei neulich eine Frau mit ihrem Rollator in der Wittener City unterwegs gewesen. In einem Kaufhaus wollte sie zur Toilette gehen und bat jemanden, auf ihren Rollator aufzupassen. Leider ließ sie ihre Handtasche daran hängen - und geriet an den Falschen. Als sie zurückkam, waren Schlüssel und Personalausweis aus der Tasche verschwunden, ebenso der Aufpasser. Den ertappte die zum Glück sofort herbeigerufene Polizei auf frischer Tat in der Wohnung der Frau.

Happy End also? Meudt schüttelt den Kopf: „Die Dame hat jetzt Angst, nach draußen zu gehen. Sie sieht überall Verbrecher.“ In solchen Fällen versucht er zu beruhigen: „Die Welt ist nicht nur schlecht.“ Ihm selbst sei noch nie ein merkwürdiger Anruf untergekommen. Trotzdem graut dem Berater vor dem, was Künstliche Intelligenz in Zukunft noch ermöglichen wird. Er macht dennoch weiter mit seiner vorbeugenden Arbeit. „Denn wer weiß, wie viele Fälle es zusätzlich gäbe, wenn ich das nicht tun würde.“

Seniorensicherheitsberater Gerhard Meudt ist erreichbar unter 0151 28114106.

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