Witten. Auch in Witten drücken alte Menschen manchmal den Hausnotruf, weil sie sich einsam fühlen. Das Problem wird weiter zunehmen, sagen Experten.

Die Malteser in NRW haben eine erschreckende Tendenz festgestellt: Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde der Knopf für den Hausnotruf in mehr als jedem zweiten Fall nur gedrückt, weil die Senioren jemanden zum Reden brauchten. Demnach sei bei über 2500 Alarmen keine konkrete Hilfeleistung notwendig gewesen. Nicht alle Anbieter in Witten können das bestätigen. Doch klar ist: Die Vereinsamung Älterer nimmt zu.

„Es passiert schon mal, dass jemand den Knopf drückt, weil er Kontakt sucht. Aber es ist lange nicht die Regel. Meistes liegt tatsächlich ein Notfall vor“, sagt etwa Kirsten Schäfer, Geschäftsführerin des Kreisverbands Witten des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), der für den ganzen EN-Kreis zuständig ist. Allerdings filtere die Hausnotrufzentrale bereits beim Eingang die Art der Anrufe.

350 Wittener nutzen Hausnotruf des Arbeiter-Samariter-Bundes

Rund 350 Kundinnen und Kunden betreue der ASB in Witten und Umgebung. Im Schnitt gingen sechs bis acht Notrufe pro Woche ein, mal mehr, mal weniger. Bei den meisten seien Stürze die Ursache für den Anruf. Dass immer mehr Senioren einsam sind, das bekämen sie beim ASB aber vor allem über den Mobilen Sozialen Dienst mit, so Schäfer. Rund 250 Haushalte betreut der ASB, Tendenz steigend. Zwar würden dort auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten erledigt. „Aber für die meisten Menschen ist die Ansprache am wichtigsten.“

Auch ein anderes Angebot sei beim ASB immer häufiger gefragt: Die Besuchshundestaffel, die es seit 2014 gibt. Ehrenamtliche besuchen mit einem der zwölf bis 15 Tiere – vom Dackel bis zum ganz großen Hund – alleinlebende Senioren. Schäfer: „Das wollen wir noch ausbauen.“ Man plane, ins Hospiz und auf Palliativstationen zu gehen.

DRK Witten: Hausnotruf in der Pandemie und an Feiertagen oft genutzt

Dass Senioren den Hausnotruf vermehrt alarmieren, weil sie sich einsam fühlen, kann Thomas Vormann vom DRK Witten tatsächlich bestätigen. „Das ist in der Pandemie so gewesen und das kommt an den Feiertagen verstärkt vor“, so der Sprecher. Doch auch bei einer konkreten Hilfeleistung würden die Kollegen vor Ort oft spüren, dass ein kleiner Plausch sehr willkommen und oft der einzige soziale Kontakt sei.

„Es kommt gelegentlich vor, dass Kunden den Knopf drücken, weil sie sich alleine fühlen“, sagt Karsten Hahn vom gleichnamigen Hattinger Hausnotruf, der den Service in Witten wie auch in einigen anderen Städten anbietet. Sei das der Fall, dann würde dies gleich am Telefon geklärt und ein paar Minuten mit dem Betroffenen gesprochen. Doch grundsätzlich weise er schon bei einem ausführlichen Beratungsgespräch darauf hin, wann der Hausnotruf genutzt werden darf und wann nicht, so Hahn. Etwa 100 Kunden betreut die Firma in Witten, bald wolle man hier einen eigenen Standort eröffnen.

Wittener Seniorenheimleiter zur Einsamkeit im Alter

Das Thema Einsamkeit im Alter sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das Corona massiv verschärft habe, sagt Andreas Vincke. Die Zahl der 80- bis 90-Jährigen wachse dramatisch, so der Leiter der Feierabendhäuser. Eingeschränkte Mobilität, verstorbene Lebenspartner und Freundeskreise, weit entfernt lebende Angehörige und der Gedanke, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu leben, seien die Ursachen.

Telefonseelsorge und Besuchsdienst

Wer sich allein fühlt, kann jederzeit die Nummer der Telefonseelsorge in Bochum wählen. Sie ist auch für Witten zuständig: 0 800 111 0 111 oder 0 800 111 0 222 sowie per Chat und Mail unter telefonseelsorge.de.

Wer einsamen Senioren Gesellschaft leisten möchte, der kann sich z.B. an die Feierabendhäuser in Witten wenden. Manuela Söhnchen vom Sozialen Dienst freut sich über neue Ehrenamtliche für den Besuchsdienst. Neue Vorbereitungskurse dafür starten im März/April. Info: 02302 589 5107.

„Wer immer gesellig war, wird kaum Probleme haben, neue Kontakte zu knüpfen“, so Vincke. „Doch viele können das nicht. Da müssen wir einspringen.“ Wohnt ein Angehöriger weit weg, dann kämen schon mal digitale Medien zum Einsatz. „Aber das ersetzt keinen echten Besuch.“ Den können zwar die rund 17 Ehrenamtlichen des hauseigenen Besuchsdienstes leisten, „doch dafür suchen wir händeringend weitere Leute“ – so groß sei der Bedarf. Im Quartier der Feierabendhäuser gibt es nicht nur ca. 100 Plätze in der Vollzeitpflege, sondern auch über 100 seniorengerechte Wohnungen. „Wir wissen, wer da regelmäßig Besuch bekommt.“

Isolation, sagt Vincke, sei eine der großen Herausforderungen. Eine mögliche Lösung aus seiner Sicht: Den Weg in ein Altenheim nicht zu scheuen. Denn dort seien Kontakte an der Tagesordnung, gebe es in der Regel viele Freizeitangebote. „Bei mir kommt immer wieder die gleiche Botschaft von neuen Bewohnern an: Hätte ich gewusst, wie das hier ist, wäre ich schon früher ins Heim gekommen.“