Witten. Doris Veit, Wirtin von Haus Fründt in Witten, steht allein am Herd. Andere Gastronomen beschäftigen Schüler. Die Branche hat große Probleme.

Fehlende Mitarbeiter in der Küche und im Service – auch Wittener Wirtinnen und Wirten macht der Personalmangel in der Gastro-Branche schwer zu schaffen. Doris Veit und ihr Mann, Betreiber von „Haus Fründt“, müssen deswegen derzeit ihre Öffnungszeiten einschränken. Sie steht mit einer Spülkraft alleine in der Küche. Ihr Beikoch hat Urlaub.

Seit rund 14 Tagen bietet die Innenstadt-Wirtin keinen Mittagstisch mehr an und öffnet in der Woche nur noch abends zwischen 17 und 22 Uhr. Montags und donnerstags ist Ruhetag. Sonntags kann man bei Fründt nur noch von 12 bis 14 Uhr einkehren. Der Grund: kein Personal.

Eine Hilfe am Herd hat das gutbürgerliche Lokal verlassen. Eine langjährige Servicekraft kann nach einer Operation derzeit nicht arbeiten. Veits zweite Kellnerin ist eigentlich eine Halbtagskraft. Junge Leute, auf die die 60-jährige Gastronomin als Aushilfen gehofft hatte, wollen nicht an den arbeitsreichen Wochenenden ins Lokal kommen. „Sie wollen lieber ein paar Stunden in der Woche aushelfen.“ Damit ist der Wirtin aber nicht gedient.

Wittener Gastronom hatte vor Corona 27 Leute – heute nur noch 18

Corona hat Situation noch verschärft

Neben Preissteigerungen und Corona-Auswirkungen sei das Thema fehlende Mitarbeiter das größte Problem der Gastro-Branche, sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein-Westfalen. Eingeschränkte Öffnungszeiten und kleinere Speisekarten zeigten, wie Gastronomen auf den aktuellen Mangel reagieren.

Einen Personalmangel gab es auch schon vor Corona im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die Pandemie hat die Situation der Betreiber allerdings noch verschärft.

Die Zwangsschließungen aufgrund der Pandemie, die Unsicherheit, wie es in Corona-Zeiten mit der Branche weitergeht – all das hat Folgen: Viele ehemals im Hotel- und Gaststättengewerbe Beschäftigte haben sich inzwischen umorientiert und arbeiten heute in ganz anderen Branchen.

Doris Veit hofft, im August ihren Mittagstisch wieder anbieten zu können. Dann wird ihre erkrankte Kellnerin zurück im Betrieb sein. Sie könnte auch eine weitere Köchin oder einen Koch gebrauchen. Doch der Markt sei leer gefegt. „Wenn ich keinen Koch finde, würde ich einen Beikoch einstellen.“ Doris Veit weiß, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dasteht. „Es gibt Kollegen, die machen nur noch vier Tage in der Woche auf, weil ihnen das Personal fehlt.“

Heinz Bruns, Gastronom im Haus Kemnade, beschäftigt aufgrund seiner Personalnot auch zwei Schüler im Service.
Heinz Bruns, Gastronom im Haus Kemnade, beschäftigt aufgrund seiner Personalnot auch zwei Schüler im Service. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Heinz Bruns, Gastronom von Haus Kemnade im Städtedreieck Witten-Hattingen-Bochum, hat im Mai sein Restaurant nach Beseitigung der Hochwasserschäden von 2021 wieder geöffnet. Vor Corona hatte er ein 27-köpfiges Team. Jetzt hat er noch 18 Leute. Der 61-Jährige hat in der schweren Corona-Zeit keinen Mitarbeitern gekündigt. Sie haben ihn verlassen. Arbeitgeber anderer Branchen hätten auch damit geworben, dass man bei ihnen freie Wochenenden hat, sagt Bruns.

Gaststättenverband: Personalmangel ist ein deutschlandweites Problem

Im Service beschäftigt der Gastronom derzeit auch zwei Schüler. Bruns: „Das ist der Not geschuldet.“ Die jungen Leute seien natürlich keine Fachkräfte, sondern nur angelernt. „Einen Fisch am Tisch filetieren, wie Gäste das bei uns erwarten, das können sie nicht.“

Um das Niveau seines Restaurants halten zu können, brauche er Fachpersonal, betont der Kemnade-Wirt. Er sucht auch dringend eine Spülkraft. „Das habe ich vor rund 14 Tagen dem Arbeitsamt gemeldet, aber bis heute nichts gehört.“ Heinz Bruns kennt ebenfalls Kollegen, die aufgrund fehlender Mitarbeiter ihre Öffnungszeiten reduzieren. Ein Gastronom in Hattingen öffne deswegen nur noch an vier Tagen in der Woche.

Dass mit Personalproblemen nicht nur Wirtinnen und Wirte in ganz NRW, sondern deutschlandweit zu kämpfen haben, bestätigt der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Vor allem viele Aushilfen hätten der Branche aufgrund von Lockdowns und Beschränkungen in der Pandemie zeitweise oder endgültig den Rücken gekehrt, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher von Dehoga NRW in Düsseldorf. „Mehr als die Hälfte der Gastronomen und Hoteliers in NRW hat unbesetzte Vollzeitstellen. Mehr als 80 Prozent suchen Aushilfen.“

Im Dorfkrug in Witten-Heven gibt es keine feste Servicekraft

Yvonne und Sebastian Schreiber, die ihr Cafe Sebo’s in der Wittener City auch aufgrund fehlenden Personals geschlossen haben, betreiben seit 2019 den „Dorfkrug“ in Heven. „Dort habe ich noch nicht einmal eine feste Servicekraft“, sagt Sebastian Schreiber. Sein Biergarten bietet 80 Sitzplätze, sein Lokal noch einmal so viele. Auch Schreiber und seine Frau Yvonne, die mit drei Kräften für die Küche zuständig ist, behelfen sich bei ihrem Service mit Schülern. „Das sind aber keine Profis.“