Witten. Der Wirte-Sprecher warnt: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab Januar könnte eine Pleitewelle bedeuten. So schildern Wittener Gastronomen die Lage.
Die Probleme in der Gastronomie reißen nicht ab – auch in Witten. Noch bis Ende des Jahres gilt die Mehrwertsteuer von sieben statt 19 Prozent auf alle Speisen, egal ob außer Haus oder vor Ort. Was ein Anheben der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent ab Januar bedeuten würde? Die Wirte sind sehr besorgt.
„Die Preise in den Restaurants müssten dann eigentlich um 20 bis 25 Prozent steigen. Sonst sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagt Heinz Bruns, Vize-Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Westfalen und Betreiber vom Haus Kemnade.
Personalmangel belastet Gastronomie-Szene in Witten zusätzlich
Dass es in der Wittener Innenstadt immer weniger Lokale gibt, sei sinnbildlich für die allgemeine Situation in Deutschland. „Der Untergang ist in vollem Gange. Die Kneipenkultur ist jetzt schon kaputt und mit den Restaurants wird es nicht anders laufen – wenn die Mehrwertsteuer wieder erhöht wird, sowieso“, erklärt Bruns.
Lesen Sie auch:
- Gastronomie in Witten: Pino gibt Lokal neben Stadtgalerie ab
- Mit der Wirtin verschwindet auch die gutbürgerliche Küche
- Personalnot: Wittener Kneipe „Treppchen“ bleibt dienstags zu
Die Gastronomie hat derweil immer noch mit extremen Personalmangel zu kämpfen. Hinzu kommen Nachzahlungen der Coronahilfen sowie die steigenden Preise durch die Inflation. „Sehen die Politiker die Problematik nicht?“, fragt sich Sebastian Schreiber, Inhaber von Sebo‘s Dorfkrug in Heven.
Seit vier Jahren betreibt der Wirt das gutbürgerliche Restaurant mit seiner Frau Yvonne. Die Schreibers waren voller Tatendrang. „Doch seit Corona jagt ein Problem das nächste. Auch wenn ich jung bin und total Lust auf Gastronomie habe, bin auch ich irgendwann am Ende meiner Kräfte“, sagt der 40-Jährige.
Gastronom kritisiert Politik
Eine ähnliche Stimmung herrscht bei Damir Santek in der Pfeffermühle in Stockum. „Ich fühle mich von der Politik alleine gelassen“, so der Wirt. Die Kundschaft werde immer weniger, steigende Preise hielten viele davon ab, noch essen zu gehen.
Eine Straße weiter kann auch Jürgen Crämer, Inhaber von Haus Crämer, nur mit dem Kopf schütteln. „Die ermäßigte Mehrwertsteuer hat uns während Corona sehr entlastet. Aber die Situation ist ja nicht besser geworden, wir sind immer noch mitten in der Verlustzone“, sagt der Gastronom. Den Prozentsatz nun wieder anzuheben, würde eine Katastrophe bedeuten.
Seit 56 Jahren gibt es das Haus Crämer in Stockum. Jürgen Crämer ist beunruhigt, wenn er an die Zukunft denkt. „Die Politiker werden es wohl erst merken, wenn die Städte leer sind, weil es keine Gaststätten mehr gibt.“ Der Wirt setzt seine Hoffnung nun auf den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. „Die sind sehr aktiv und nah an der Politik. Es wurden auch schon Unterschriften gesammelt. Da sind schon um die 40.000 zusammengekommen.“
Wirt hat schon Bauchschmerzen
Auch Alirezah Kordbacheh, Inhaber der Trattoria Pavarotti am Rathausplatz, schlägt Alarm. „Ich kriege doch mit, dass die Leute nicht mehr wissen, wie sie das essen gehen bezahlen sollen. Und wovon sollen wir dann leben?“ fragt sich der Restaurant-Betreiber. Regelmäßig beschwerten sich Kundinnen und Kunden, dass die Preise so hoch seien, oder der Service nicht schnell genug gehe, hört man allerorten in der Wittener Gastronomie. Personalmangel und Inflation lassen grüßen.
„Ich habe meinen Job immer mit Leidenschaft gemacht und will eigentlich bis zur Rente durchziehen. Aktuell laufe ich aber nur mit Bauchschmerzen herum“, sagt Karsten Laux, der den Jever Krog in Herbede betreibt. Dehoga-Vizepräsident Heinz Bruns von Haus Kemnade will aber nicht aufgeben und hofft weiter auf die abgesenkte Mehrwertsteuer. Er habe bereits Rücksprache mit dem Wittener Bundestagsabgeordneten Axel Echeverria (SPD) gehalten.
Regelmäßig führe sein Verband Gespräche mit der Politik, um die Lage deutlich zu machen. Bruns spricht von einer frustrierenden Situation. Die Politik müsse endlich klare Verhältnisse schaffen. Die dauerhafte Entfristung der Mehrwertsteuer sei ein Muss. „Anderenfalls bedeutet dies die Zerstörung unserer Speisekultur, wenn essen gehen kein Kulturgut mehr ist, sondern ein Luxusgut, das sich nur noch Reiche leisten können.“
+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++