Witten. Es regnete und mit Gästen ist es auch noch nicht weit her. Trotzdem war es ein besonderer Moment, als dieses Café in Witten wiedereröffnet wurde.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das traditionsreiche Café Leye in der Bahnhofstraße am Samstag (22.5.) wiedereröffnet worden. Für Stephan Nussbaum (63) hat sich damit ein Traum erfüllt.
Im Dezember hatten wir zuletzt über den ehemaligen langjährigen Leiter der Eurythmie am Institut für Waldorfpädagogik und seine Pläne berichtet, im vorzeitigen „Ruhestand“ mit Jan Hagelstein und Julia Ebner das Café aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Damals war noch eine Menge Arbeit angesagt. Zwar gibt es auch jetzt noch im Obergeschoss eine Menge zu tun. Aber unten ist fertig renoviert.
Das Entree von Café Leye in Witten wirkt wie durchchoreografiert
Rosa Wände, eine Kuchenvitrine mit Möhrentorte und Stachelbeersahne, silberfarbener Kaffeeautomat, drei kleine braune Tische in dem schmalen Gang vorm Tresen, intarsienverzierte Stühlen, nichts als ein Blumenstrauß in einem Glaskrug vor goldener Wand im Schaufenster - wie durchchoreografiert wirkt das Entree von Café Leye an diesem regnerischen Morgen. Stefan Nussbaum, der 30 Jahre auf dem Annener Berg angehende Waldorflehrer in der Kunst des „schönen Rhythmus“ ausgebildet hat, macht schon eine ganz gute Figur, während er den Kaffee aufbrüht. Wie sich das anfühlt, wenn man sich einen Traum erfüllt?
„Es fühlt sich gut und richtig an“, sagt der gebürtige Bonner, und dass er ganz ruhig bleibe an einem so besonderen Tag, dass habe er auch seinem Freund Jan Hagelstein zu verdanken, der sechs Jahre lang das „Raum“-Café in der Wiesenstraße betrieben hat und mit seinem gastronomischen Sachverstand nun an Nussbaums Seite locker die erste Kaffeerunde meistert. Gäste kommen herein, auch Freunde, die aber nicht bleiben dürfen. Es ist ja Corona und noch ist Innengastronomie verboten. Also gibt’s zur Eröffnung nur Kuchen zum Mitnehmen.
Noreen: „Ein Café, wie man es sich wünscht, so gemütlich“
Die ersten Besucherinnen und Besucher sind jedenfalls voll des Lobes. „Sehr schön!“ sagen sie spontan. „Habt ihr auch koffeinfreien Kaffee?“ „Bezahlen darfst du bei Jan!“ Es herrscht schon munteres Kaffeehaus-Geplaudere. „Ich find’s richtig schön, ein Café, wie man es sich wünscht, so gemütlich“, sagt Noreen Drache (16). Ihre Mutter Geet Anand (41) schwärmt: „Einmalig!“
Ganz angetan ist auch Berit Schürmann von der Geschäftsleitung der „Projektfabrik“, die das Objekt seit zehn Jahren gerade für Theater-Beschäftigungsprojekte nutzt und nun die Fläche an das Team rund um Stephan Nussbaum vermietet hat. „In einer Zeit, wo alles runtergefahren wurde, ist das der richtige Impuls“, sagt die 48-Jährige.
Geht man die geschwungene Wendeltreppe hinauf, steht man in dem großen Raum mit Omas gemustertem Teppich und Stühlen in Altrosa, Sofas und runden Tischen. Nach dem schmalen Foyer im Parterre ist man erstaunt, wie großzügig hier alles ist, nicht nur die Glasfront zur Bahnhofstraße. Es gibt Ecken und Nischen und, vor der Außenterrasse, eine große Fläche ohne Mobiliar, die als Bühne genutzt werden soll.
Neben Kaffee und Kuchen gibt’s auch viel Kultur
Denn Café Leye will viel mehr sein als nur ein Ort für Kaffee, Kuchen und Bio-Limonade. Stephan Nussbaum denkt an einen politischen und philosophischen Salon, an Musik-, Schauspiel- und Literaturabende. Es geht um Kultur, um Gespräche, um Austausch. Das von einer „Crowdfunding“-Initiative – projektbezogenes Geldsammeln im Internet – mit 17.000 Euro Renovierungsgeld angeschobene Projekt sei „sinn-, nicht kapitalorientiert“.
Trotzdem lebt man nicht vom Brot (oder Kuchen) allein, schon die Nebenkosten wollen erst mal erwirtschaftet werden. „Es muss laufen“, sagt Nussbaum. Deshalb hänge der Erfolg allein von den Wittenern ab. Der frühere Eurythmie-Lehrer bemüht noch einmal die Kunst. „Gibt es Applaus oder lässt uns das Publikum durchfallen?“ Der Vorhang öffnet sich täglich von montags bis samstags, 10 bis 18 Uhr.