Witten. Hochsensible Menschen fühlen intensiver als andere. Ist es das eigene Kind, sind Eltern oft überfordert. Ein Netzwerk in Witten soll helfen.

Unsere Welt ist häufig hektisch und laut. Wir sind dank Handy und Co ständig auf Empfang. Was einen anderen Menschen vielleicht nervt oder stresst, kann für eine hochsensible Person die pure Überforderung sein. Diese Art der erhöhten Empfindsamkeit sei noch viel zu unbekannt, findet Sarah König. Die 38-Jährige will Betroffene in Witten vernetzen und unterstützen – vor allem auch Eltern hochsensibler Kinder.

Denn die Erzieherin weiß, wovon sie spricht. Sie ist selbst hochsensibel. Nimmt also äußere Reize stärker wahr als andere und verarbeitet sie intensiver. „Ich möchte weitergeben, was mich selbst weitergebracht hat“, sagt die Mutter einer sechsjährigen Tochter. Der Leidensdruck von Betroffenen sei oft hoch. „Man fragt sich ständig, warum bekomme ich dies oder jenes nicht hin, warum bin ich ständig überfordert?“

Sarah König ist Expertin für den Umgang mit hochsensiblen Erwachsenen und Kindern. Sie will in Witten ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung für Betroffene aufbauen.
Sarah König ist Expertin für den Umgang mit hochsensiblen Erwachsenen und Kindern. Sie will in Witten ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung für Betroffene aufbauen. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Hochsensibilität: Vom Fluch zur Gabe

Sie selbst habe auch Phasen durchlaufen, in denen es ihr „wirklich nicht gut“ ging. „Ich dachte, ich bin verrückt, nicht normal.“ Etwa, wenn sie in einem Restaurant ihrem Gegenüber nicht folgen konnte, weil sie die anderen Stimmen im Raum ebenso deutlich wahrnahm wie die des Gesprächspartners.

+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++

„Heute sehe ich es als Gabe, früher war es ein Fluch“, sagt König. Erst vor drei Jahren stolperte sie über das Thema, las sich ein – und erkannte sich selbst darin wieder. Seitdem habe sie viele Methoden gelernt, ihr Nervensystem zu regulieren. Im Oktober 2023 hat sie sich selbstständig gemacht, als Coach für Hochsensibilität und als Familienberaterin.

Hochsensible Menschen werden mit ihren Bedürfnissen oft nicht ernst genommen

„Wir müssen lernen, für uns selbst einzustehen“, sagt Sarah König. Dabei geht es etwa darum, sich bewusst Pausen zu gönnen, auch mal nein zu sagen. Noch immer sei es ein großes Problem, als hochsensibler Mensch mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden.

Lesen Sie auch

Das gelte auch für Eltern, deren Kind diesen Wesenszug in sich tragen. „Mütter spüren sehr früh, dass mit ihrem Kind etwas anders ist“, so die 38-Jährige. Doch die Probleme, die daraus entstehen können, würden häufig weggewischt, etwa in der Kita oder Schule. „Dann heißt es nur, das Kind solle sich nicht so anstellen oder das wachse sich raus.“

Ein vollgepackter Tag ist für hochsensible Kinder nichts

Hochsensible Kinder brauchen etwa mehr Ruhe als andere. „Erst ins Einkaufszentrum, dann noch ins Schwimmbad gehen, steckt ein normales Kind weg. Für ein hochsensibles ist das zu viel“, so König. Typisch seien etwa sogenannte „Wutstürme“ am Ende eines Tages, bei denen die Kinder nur noch schreien. Auch Ein- und Durchschlafprobleme gehören dazu.

+++ Familien-Newsletter: Keine Freizeittipps mehr verpassen! +++

Gleichzeitig sind hochsensible Kinder oft sprachlich sehr gewandt, künstlerisch, empathisch und tiefgründig. Ohne Unterstützung könne es passieren, dass sich ein solches Kind komplett zurückziehe – oder sich ständig selbst überfordere und dabei leide. Ängste und Depressionen können die Folge sein.

Die Eltern würden mit ihren Sorgen allein gelassen, wüssten oft nicht weiter, sagt die Expertin. Denn oft mangele es an Wissen. Dabei sei geschätzt jeder fünfte Mensch hochsensibel. In der Psychologie ist Hochsensibilität allerdings keine anerkannte Diagnose, das Konzept ist unter Wissenschaftlern umstritten.

Expertin Sarah König, links, und Café-Betreiberin Laura Grünewald wollen ein Netzwerk für hochsensible Menschen aufbauen - mit dem Familiencafé Goldstück als Mittelpunkt.
Expertin Sarah König, links, und Café-Betreiberin Laura Grünewald wollen ein Netzwerk für hochsensible Menschen aufbauen - mit dem Familiencafé Goldstück als Mittelpunkt. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Ein Netzwerk aufbauen

Sarah König will das Wissen um Hochsensibilität vergrößern und Betroffene unterstützen. Denn der Bedarf an Austausch und Vernetzung sei groß. In Waltrop, wo König mit ihrer Familie lebt, seien die beiden Workshops, die sie bislang angeboten hat, nach einer Stunde ausgebucht gewesen. Nun will sie auch in Witten, wo sie viele Jahre lebte und noch viele Freunde hat, ihre Workshops und regelmäßige Treffen anbieten.

+++Folgen Sie jetzt auch dem Instagram-Account der WAZ Witten+++

Die genauen Inhalte sollen den Teilnehmenden und ihren individuellen Herausforderungen angepasst werden. Den Anfang macht ein Abend im Café Goldstück in Stockum am Donnerstag, 21. März. Inhaberin Laura Grünewald war sofort überzeugt von der Idee. „Wir würden gerne ein Netzwerk aufbauen“, sagt die 30-Jährige.

>> Der Info-Abend „Hochsensibilität erleben“ startet am 21.3. um 18 Uhr im Café Goldstück, Hörder Straße 303. Einen kostenlosen Platz kann man auf der Webseite goldstueckcafe.de über die Tischreservierung buchen.
Mehr Informationen zu Sarah König und dem Thema Hochsensibilität finden Sie auf sensiguide.de.

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.