Düsseldorf. Eigentlich schien alles klar: Sozialleistungen in bar werden für Flüchtlinge eingeschränkt. Jetzt ringt NRW mit seinen Kommunen.

Im Streit um die neue Bezahlkarte für Flüchtlinge wächst der Druck auf die schwarz-grüne Landesregierung, eine Kostenübernahme und die flächendeckende Einführung zuzusichern. „Bund und Länder haben die Bezahlkarte als Bargeldersatz beschlossen, damit ist auch klar, dass sie die Kosten für das neue System übernehmen müssen“, erklärte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW. Das Land dürfe sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen. „Die Städte wollen außerdem keinen Flickenteppich: Die Bezahlkarte muss im ganzen Land angewendet werden“, so Dedy weiter.

Die Staatskanzlei hatte am Montag überraschend bekannt gegeben, dass das Land keine Übernahme der Kosten plane, die den Kommunen mit der Einführung der Karte entstünden. Dabei wurde auf Entlastungen verwiesen, die man sich von der Einschränkung des Bargeldverkehrs bei der Versorgung von Asylbewerbern verspricht. Zudem werde es bei der Karte „keinen Anschlusszwang für die Kommunen geben“.

Opposition empört: Wälzt NRW Verantwortung für Bezahlkarte auf Kommunen ab?

Die Opposition im Landtag reagierte empört. FDP-Fraktionschef Henning Höne hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) einen „Schlingerkurs“ vorgeworfen. „Statt den Kommunen zu helfen, überlässt Wüst ihnen die Entscheidung und finanzielle Last“, kritisierte Höne. Die Bezahlkarte soll eigentlich den Aufwand für die Kommunen verringern. Auch in vielen Rathäusern hatte die Ankündigung Verwunderung ausgelöst. Wüst hatte schließlich bereits im vergangenen Herbst in Berlin zu den vehementen Befürwortern einer bundesweiten Einführung der Bezahlkarte gehört. Mit der Umstellung von Sozialleistungen für Asylbewerber sollten Fehlanreize eingedämmt und Überweisungen in Heimatländer verhindert werden.

NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) hatte erst in der vergangenen Woche die Verhandlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe über die Ausschreibung des künftigen Kartendesigns zum Abschluss gebracht und sich erleichtert gezeigt: „Eine möglichst bundeseinheitliche Anwendung der Bezahlkarte erhöht die dauerhafte Akzeptanz für eine auskömmliche Flüchtlingshilfe. Für unsere Kommunen soll damit auch weniger Bürokratie in der Versorgung verbunden sein.“

Wüst hatte sich als Treiber der Bezahlkarte für Flüchtlinge profiliert

Die Staatskanzleien der Bundesländer wollen einheitliche Karten-Standards. Ab Herbst sollen dann bundesweit die maximal 410 Euro pro Monat nach dem Asylbewerberleistungsgesetz weitgehend nicht mehr in bar ausgezahlt werden. Überweisungen ins Ausland oder Ausgaben für Glücksspiel sollen ganz ausgeschlossen sein. Bayern will den gesetzlich vorgeschriebenen Taschengeld-Rest in bar für den „persönlichen Bedarf“ sogar auf nur noch 50 Euro reduzieren. „Unsere Bezahlkarte kommt schneller und ist härter“, hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntag angekündigt. Eine beheizte Unterkunft wird davon unabhängig bezahlt oder gestellt.

Umso größer war das Erstaunen, als die Bezahlkarte in NRW plötzlich nur noch zur Option für Selbstzahler schrumpfte. Eilig wurde in Düsseldorf versichert, dass Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) kein Veto eingelegt habe – obwohl viele Grüne die Bezahlkarte für überschätzt halten. Auch Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) soll mit möglichen Kosten für den Landeshaushalt noch gar nicht befasst worden sein, da die Bezahlkarte ja erst bis Sommer ausgeschrieben und frühestens im Herbst eingeführt wird.

Um das Kommunikationschaos einzudämmen, lieferte die Staatskanzlei am Dienstagnachmittag eine Stellungnahme nach, die den Kommunen die Sorge nehmen soll, am Ende draufzuzahlen. „Selbstverständlich wird die Einführung in Nordrhein-Westfalen nicht an den Kosten scheitern. Das Land wird die Kommunen, wenn nötig, unterstützen“, hieß es darin. Ob die Städte das beruhigt? „Die Landesregierung muss jetzt möglichst schnell die Gespräche mit den Kommunen starten, um die Voraussetzungen und die Details zur Bezahlkarte in NRW zu klären“, forderte auch Städtetags-Geschäftsführer Dedy. Man wüsste vor Ort ganz gern, für welche Gruppen von Leistungsbeziehern die Karte gelten soll und wer sie austeilt.