Witten. Die Ampel-Koalition will energieintensive Unternehmen beim Strom entlasten. Doch in Witten wäre das kaum spürbar. IG Metall lädt zu Demo.

Vor rund eineinhalb Wochen hat die Bundesregierung sich auf ein Strompaket für die Industrie geeinigt. Doch kurz danach brachte das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe es schon wieder ins Wanken. Denn ein großer Teil der Entlastungen sollte eigentlich aus dem nun gekippten Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Ohnehin greifen die Maßnahmen für viele Unternehmen zu kurz, auch in Witten.

So sieht das auch die IG Metall. Rund 200 Stahlkocher und andere Beschäftigte der Deutschen Edelstahlwerke in Witten wollen sich deshalb am Freitag (24.11.) an einer großen Kundgebung der Gewerkschaft in Duisburg beteiligen. Die IG Metall fordert einen Brückenpreis für die Industrie. „Das neue Strompreispaket der Ampelkoalition greift definitiv zu kurz und entlastet die Unternehmen, die es besonders nötig haben, nur marginal. Die Koalition muss ihr Paket gezielt nachbessern“, fordert Mathias Hillbrandt, Geschäftsführer der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper.

IG Metall sieht Arbeitsplätze ohne Brückenstrompreis in Gefahr

Man hoffe daher auf eine Brückenlösung, bis in einigen Jahren in Deutschland genügend günstiger Strom aus regenerativen Quellen zur Verfügung stehe. „Es darf nicht sein, dass unsere Arbeitsplätze nun allein wegen der Energiekrise in Gefahr geraten. Die Bundesregierung ist in der Verantwortung, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, sodass die Strompreise wieder international konkurrenzfähig werden“, sagt Burak Bilal, Vorsitzender des DEW-Betriebsrats. In anderen Ländern ist dies bereits der Fall.

Burak Bilal ist Betriebsratsvorsitzender der DEW in Witten. Die IG Metall fordert weiterhin einen Brücken- oder Industriestrompreis, um ein Überleben der Branche zu sichern. Das Bild stammt von einer Kundgebung im Juni 22.
Burak Bilal ist Betriebsratsvorsitzender der DEW in Witten. Die IG Metall fordert weiterhin einen Brücken- oder Industriestrompreis, um ein Überleben der Branche zu sichern. Das Bild stammt von einer Kundgebung im Juni 22. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

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Seitens der Regierung ist unter anderem geplant, die Stromsteuer für produzierende Unternehmen zu senken. Diese zahlen bisher 1,54 Cent Stromsteuer pro Kilowattstunde (KwH). Künftig fällt nur noch der europäische Mindestsatz von 0,05 Cent an. Rund 500 Firmen in der Stadt würden davon profitieren, sagt Anja Reinken, Leiterin des Amtes für Bodenmanagement und Wirtschaftsförderung. Die Senkung sei ein „gutes Signal für den Standort Witten“.

350 Konzerne deutschlandweit, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Etwa soll die Strompreiskompensation für den Kauf von CO₂-Zertifikaten ausgeweitet werden.

Für Edelstahlwerke sind Pläne der Bundesregierung „ernüchternd“

Doch nicht nur die Mitarbeitenden, auch die Geschäftsführung der Edelstahlwerke ist unzufrieden mit den bisherigen Plänen. Das geplante Strompreispaket sei kein entscheidender Befreiungsschlag für die deutsche Industrie, sondern eher ein begrenzter erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, auf den weitere folgen sollten, heißt es.

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So werde man mit den beschlossenen Maßnahmen und ausgehend vom heutigen Strompreisniveau nicht einmal in die Nähe eines angestrebten Brückenstrompreises von 40 bis 60 Euro je Megawattstunde kommen, bemängelt der Konzern. „Nach unseren Berechnungen zeigt sich, dass die tatsächliche Entlastung im Vergleich zu unseren Erwartungen ernüchternd ausfällt“, so ein Unternehmenssprecher.

„Industriestrompreis von 6 Cent wäre klares Signal gewesen“

Die Unterschiede zwischen dem aktuellen Strompreis der DEW und dem ursprünglichen Vorschlag eines Industriestrompreises von 6 Cent pro Kilowattstunde belaufen sich nach seinen Angaben auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und die daraus entstandene Finanzierungslücke würden in ohnehin unruhigen Zeiten weitere unternehmerische Unsicherheit schaffen. „Es muss jetzt schnellstens Klarheit her, welche Projekte und Vorhaben finanziert werden können.“

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Auch der Stahlhersteller Friedr. Lohmann bemängelt, dass sich die „angekündigten Maßnahmen nur minimal auf uns als energieintensives Unternehmen auswirken werden“. Sie seien „nicht ausreichend für uns, um international wettbewerbsfähig zu sein“. Eine konkrete Absenkung des Strompreises auf 6 Cent/kWh wäre hingegen ein klares Signal gewesen, so Gunnar Lohmann-Hütte, einer der drei Geschäftsführer des Familienunternehmens. Da Strom heute rund 250 Prozent mehr als noch 2021 koste, die Senkung der Stromsteuer bei Lohmann aber nur circa 1,5 Prozent ausmache, sei diese tatsächlich nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“.

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