Witten. Die IG-Metall fordert eine Vier-Tage-Woche in der Stahlindustrie. Die Friedr. Lohmann GmbH in Witten testet das Modell bereits – mit Abweichung.
32 statt 35 Arbeitsstunden pro Woche, bestenfalls verteilt auf vier Tage und das bei vollem Lohnausgleich, das fordert die Gewerkschaft IG-Metall für die nächste Tarifrunde im November flächendeckend für alle Betriebe in der Stahlindustrie. Die Friedr. Lohmann GmbH in Witten testet das Modell bereits – mit einer Abweichung.
Knut Giesler, IG Metall Bezirksleiter für NRW und Verhandlungsführer, hatte in einem Gespräch mit dieser Zeitung zuletzt betont, dass er sich davon eine „echte Entlastung“ der Beschäftigten erhoffe. Er sieht in einer verkürzten Arbeitswoche die Chance, die Branche einerseits attraktiver für junge Leute zu machen. Andererseits könne man so die Gesundheit der Mitarbeitenden besser schützen und dadurch den Verlust von Arbeitsplätzen vermeiden.
Wittener Stahlbetriebe arbeiten meist 40 Stunden pro Woche
In den Wittener Stahlbetrieben ist die Arbeitsrealität aktuell noch eine andere. Wie eine Umfrage dieser Redaktion ergab, arbeiten die meisten Betriebe mit einer 40-Stunden-Woche – verteilt auf fünf Arbeitstage. Die Bereitschaft, daran in Zukunft möglicherweise etwas zu ändern, ist durchaus da. Peter Schürzmann, Geschäftsführer des Stahlhändlers C&P Stahl an der Friedrich-Ebert-Straße, hat zwar noch keine Pläne, seinen Betrieb auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Er schätzt die Forderung der IG-Metall aber generell als realistisch ein: „In unserer Belegschaft war das bislang noch kein Thema, aber ich kann mir vorstellen, dass es mit etwas Eingewöhnungszeit machbar wäre.“
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Ein Unternehmen, das seine Arbeitswoche aktuell bereits umstrukturiert, ist die Friedr. Lohmann GmbH. Die Stahlfirma mit Werken in Annen und Herbede stellt in dieser Woche mit dem Start am 17. April auf eine Vier-Tage-Woche um. Bisher waren auch hier 40 Stunden pro Woche verteilt auf fünf Tage die Regel – nun fällt der Freitag als Arbeitstag weg. Anders als in der Forderung der IG-Metall vorgesehen, werden die Arbeitsstunden vom Freitag aber nicht gestrichen, sondern auf die anderen Tage umgelegt. Die Angestellten arbeiten also künftig zehn statt acht Stunden täglich.
Friedr. Lohmann testet Vier-Tage-Woche auf Wunsch der Angestellten
Das Modell gilt zunächst für die Beschäftigten der Blechfertigung. „Dieser Wunsch kam von den Kollegen selbst“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Rainer Glingener. Etwa 18 Mitarbeiter sind von der Änderung betroffen. Da sich die Stundenzahl nicht verringert, bleibt auch der Lohn derselbe.
Friedr. Lohmann GmbH will Vorreiter sein
Nicht nur in Bezug auf das Arbeitsmodell geht die Stahlfirma Friedr. Lohmann frühzeitig neue Wege. Auch in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist das Wittener Traditionsunternehmen Vorreiter.
Seit rund zwei Jahren betreibt das Unternehmen seine Gießerei am Standort Annen klimaneutral. In den letzten zwölf Jahren hat die Firma nach eigenen Angaben mehr als 16 Millionen Euro in den Klimaschutz investiert und ihren CO2-Ausstoß um 4000 Tonnen im Jahr reduziert.
Ganz anders sind hingegen die Pläne für die Deutschen Edelstahlwerke (DEW). Dort wird aktuell - wie im Manteltarifvertrag vorgesehen – 35 Stunden die Woche gearbeitet. Der Schweizer Mutterkonzern Swiss Steel will im Zuge einer Neuaufstellung seiner deutschen Tochter die Arbeitszeit künftig auf 40 Stunden anheben – ohne Lohnausgleich. Das Unternehmen, welches in NRW Werke in Witten, Hagen, Siegen, Hattingen und Krefeld betreibt, schreibt seit Jahren rote Zahlen und plant neben der Erhöhung der Arbeitszeit, rund 400 der insgesamt 4000 Arbeitsplätze in NRW zu streichen.
Bei Lohmann werde in den kommenden Tagen und Wochen geprüft, inwiefern die Vier-Tage-Woche in der Praxis funktioniert. Eine festgelegte Testphase gebe es aber laut Glingener nicht: „Die Kollegen haben das letzte Woche erst vorgeschlagen und fangen diese Woche direkt damit an“, so der Betriebsratsvorsitzende. „Es kann also sein, dass wir in wenigen Tagen schon zum alten Modell zurückkehren oder aber dauerhaft mit der Vier-Tage-Woche arbeiten, das müssen wir jetzt schauen.“ Eine Einschränkung sei aber absehbar: „Die Kollegen haben signalisiert, dass sie über die Sommermonate wahrscheinlich wieder fünf Tage und dafür nur acht Stunden pro Tag arbeiten wollen.“ Der Grund: Es sei dann einfach zu heiß, um zehn Stunden am Tag am Stahlofen zu stehen.
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