Witten. Die Gießerei von Friedr. Lohmann in Witten ist seit Juli klimaneutral. Wie das funktioniert und warum es ohne CO2-Kompensationen nicht geht.
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. So hat es die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzgesetz unlängst festgeschrieben. Eine Firma, die sich schon vor langem auf den Weg hin zu einer umweltfreundlicheren Produktion gemacht hat, ist der Wittener Stahlhersteller Friedr. Lohmann. Seit 1. Juli ist die Gießerei des Familienunternehmens in Annen nach eigenen Angaben sogar klimaneutral.
Möglich macht das in einer so energieintensiven Branche vor allem das Lohmannsche Wasserkraftwerk – und die Zusammenarbeit mit einem Verein, der Aufforstungsprojekte unterstützt und Unternehmen die Möglichkeit bietet, ihre ausgestoßenen Treibhausgase zu kompensieren. Zuvor hat der Stahlhersteller eine umfassende Klimabilanz seiner Geschäftstätigkeiten aufgestellt – und dabei nicht nur direkte Emissionen erfasst, sondern auch die Klimaeffekte aller vor- und nachgelagerten Tätigkeiten. Vom Rohstoffeinkauf über den Transport des Endprodukts zum Kunden bis hin zum Arbeitsweg der rund 350 Mitarbeiter.
Strom aus dem Wasserkraftwerk an der Wittener Ruhr fließt in die Gießerei
Wichtiger Baustein für die Klimaneutralität der Gießerei an der Brauckstraße ist das Lohmannsche Wasserkraftwerk an der Ruhr, das anno 1860 noch per Wasserrad das Walzwerk angetrieben hat. Heute produziert die moderne Anlage rund 4,5 Millionen Kilowattstunden klimaneutralen Strom im Jahr. Seit Anfang 2020 nutzt der Stahlhersteller diese Energie für den Eigengebrauch, zuvor wurde sie eingespeist. „Das reicht aus, um den Standort Annen komplett CO2-neutral zu versorgen“, sagt Thorsten Kutsch, Leiter der Gießerei.
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Aber natürlich könne man nicht einfach auf einen Knopf drücken und kein CO2 mehr erzeugen, so der 51-Jährige. „Aber wir können bei jeder Entscheidung überlegen, was sie für Auswirkungen hat.“ Bei Friedr. Lohmann gilt deshalb ein Dreiklang aus vermeiden, vermindern und kompensieren. Heißt: Die Emission von Treibhausgasen soll, wo es geht, ganz vermieden werden – oder zumindest verringert. Der CO2-Ausstoß, der übrig bleibt, wird nun für Annen seit 1. Juli ausgeglichen.
CO2-Ausstoß um rund 4000 Tonnen reduziert
Eine Vielzahl an Maßnahmen hat in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass der CO2-Ausstoß des Spezialstahl-Herstellers schon deutlich zurückgegangen ist. So wurde etwa 2016 ein neuartiges und einzigartiges Hochregallager in Betrieb genommen, das weniger Zeit, Material und Energie benötigt – und so mehr als eine Million Kilowattstunden Strom und rund 560 Tonnen CO2 jährlich einspart. Die entstehenden Dämpfe werden abgesaugt und in einen Wärmetauscher gespeist. Die gewonnene Wärme wird zur Beheizung der Halle eingesetzt.
Insgesamt hat die Firma nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren mehr als 16 Millionen Euro in den Klimaschutz investiert und ihren CO2-Ausstoß um 4000 Tonnen im Jahr reduziert. Durch eine neue Pfannenentgasung im Werk Herbede aus 2014 werden etwa 560 Tonnen CO2 eingespart, die Umstellung auf LED-Beleuchtung in allen Produktionshallen sorgt für 380 Tonnen weniger Kohlendioxid.
Klimaneutrale Gießerei will Zeichen setzen
Um eine möglichst ressourcenschonende Produktion bemüht sich das Unternehmen an seinen beiden Standorten. Mit der klimaneutralen Gießerei habe man nun „ein Zeichen setzen wollen“, sagt Gunnar Lohmann-Hütte. „Wir wollen Vorreiter in der Branche sein, denn auch sie muss ihren Beitrag leisten. Der Wandel kommt.“
Für das Werk in Annen wurde daher eine umfassende Klima-Bilanz erstellt. Allein 11.500 Positionen wurden für die vor- und nachgelagerten Prozesse bewertet und berechnet – vom Kugelschreiber über Versicherungsleistungen bis hin zu Dienstfahrten. „Wir wollten es richtig machen und alles erfassen – denn nur so kann man sich verbessern“, sagt Lohmann-Hütte, für den sich „Ökonomie und Ökologie in keiner Weise ausschließen“.
505 Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr
Aktuell schlagen für den Produktionsprozess der Gießerei jährlich 505 Tonnen ausgestoßenes CO2 zu Buche. Hinzu kommen noch rund 1100 Tonnen indirekte Emissionen aus den vor- und nachgelagerten Prozessen, am schwersten wiegen hier die zugekauften metallischen Rohstoffe wie etwa Nickel. Aber klimaneutral einzukaufen, davon sei man momentan noch „Lichtjahre entfernt“, sagt Gießerei-Leiter Kutsch.
Die ausgestoßenen Klimagase kompensiert Lohmann nun über den Verein Prima Klima. Er unterstützt die Wiederaufforstung eines Waldes in Uganda. Rund neun Euro pro Tonne kostet das das Unternehmen. „Zu kompensieren ist günstiger als zu investieren“, räumt Geschäftsführer Gunnar Lohmann-Hütte ein.
DEW setzen auf Ökostrom
Auch die Deutschen Edelstahlwerke bemühen sich, ihre Stahlproduktion grüner zu gestalten. An allen Standorten der Swiss Steel Group, zu der DEW gehört, basiert die Produktion auf dem Recycling von Schrott. In strombetriebenen Elektrolichtbodenöfen entsteht so durch Erschmelzen Rohstahl.
Die Unternehmensgruppe emittiert deshalb nach eigenen Angaben pro Tonne Rohstahl nur ein Viertel bis ein Fünftel des CO2, welches bei der Nutzung von Hochöfen anfällt.
Der größte Hebel, um die Produktion nachhaltiger zu machen, sei der Einsatz von regenerativem Strom. Bei DEW könnten so weitere rund 75 Prozent CO2 eingespart werden, heißt es von Unternehmensseite. Darüber hinaus arbeite man an einer Verringerung des CO2-Ausstoßes entlang der Wertschöpfungskette in der Produktion.
Sich einfach freizukaufen, ohne etwas zu verändern, kommt für die Lohmanns aber nicht in Frage. Auch für den Standort Herbede wird derzeit eine Klimabilanz aufgestellt. Gunnar Lohmann-Hütte würde das Werk gerne künftig mit Windkraft antreiben. Weitere technische Verbesserungen sind ebenfalls geplant: In Annen soll etwa der Transport der Pfannen künftig automatisiert werden. Und in Herbede soll der Zuschnitt von Blechen mit der Hilfe von Kameras präziser und so Ausschuss verringert werden.